Der Nord-Ostsee-Kanal war durch den Versailler Vertrag internationalisiert, was Vorgaben für die deutsche Kanalverwaltung (keine Bevorzugung deutscher Schiffe, Abgaben nur zur Kostendeckung) bedeutete.[138] Andere Wasserstraßenämter blieben Landesbehörden in Auftragsverwaltung. Für alle Konflikte aus der Unitarisierung der Verkehrswege war der StGH zuständig.
I. Länderverfassungen und Verwaltung
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Verluste
Gänzlich fortgefallen war die Verwaltung des Reichslandes Elsass-Lothringen, trotz 1911 gestärkter Selbstverwaltung ein Protektorat aller Bundesstaaten. Folge für die Verwaltung der Weimarer Republik war, dass 1919 den Reichsbehörden „zur Pflicht“ gemacht wurde, „bei der Besetzung erledigter Stellen […] die vertriebenen elsaß-lothringischen Beamten vorzugsweise zu berücksichtigen.“[139] Entsprechendes galt für Beamte aus den preußischen Provinzen Westpreußen und Posen.[140] Flüchtlinge und „Grenzlandvertriebene“ aus Elsass-Lothringen (150.000) und den abgetretenen Provinzen Preußens (850.000) stellten die Verwaltung vor erhebliche Herausforderungen.[141] Danzig, Hauptstadt der Provinz Westpreußen, war ab 1920 „Freie Stadt“ unter Schutz des Völkerbundes. Vom Reich wurde Danzig möglichst wie Inland behandelt, auch bei wechselseitiger Abordnung von Beamten.[142] Der Danziger Oberbürgermeister Heinrich Sahm stammte aus der preußischen Verwaltung (1912–1918 Zweiter Bürgermeister Bochum), war seit 1920 in Danzig „Präsident des Senats“ und wurde 1931 zum Oberbürgermeister der Reichshauptstadt Berlin gewählt.[143] Eine nachhaltige Neuerung waren – wenige – Beamtinnen in Führungspositionen wie die 1919 zum „Vortragenden Rat“ im preußischen Wohlfahrtsministerium ernannte Helene Weber.
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Freistaatliche Verwaltung
Für die Länderverwaltungen bedeutete das Ende der Monarchie den endgültigen Fortfall der auch in kleinen Haupt- und Residenzstädten bestehenden „Hofbehörden“ mit „Hofbeamten.“[144] Die neuen „freistaatlichen Verfassungen“[145] knüpften an die bewährte Verwaltung an; zu einem großen Umbau war es bereits aufgrund eines Zwanges zum Pragmatismus und auch der kurzen Zeit nicht gekommen. Einige Reste der Verwaltung der Monarchie wurden nur zögerlich beseitigt. Sachsen schaffte allerdings Sonderrechte der „Landstände der Oberlausitz“ ab, ein Mitwirkungsrecht bei Beamten- und Pfarrstellen in der Kreishauptmannschaft Bautzen; hiergegen formierte sich Widerstand, auch mit einem Gutachten des Leipziger Staatsrechtlers Erwin Jacobi.[146] Dabei wurde erstmals die „Verfassungsdurchbrechung“ beschrieben. In der preußischen Provinz Hannover wurden die Landschaften belassen.[147] Auch an der Klosterkammer Hannover, als seit der Reformation geistliches Vermögen verwaltende Sonderbehörde, sollte sich in der Republik wenig ändern.[148]
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Diktatur
Wiederholt hatte die Reichsregierung aufgrund Art. 48 WRV in die Verwaltung einzelner Länder eingegriffen (Gotha, Sachsen, Thüringen, Preußen);[149] die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen waren verschieden.[150] Dabei legte sie den Rahmen für Eingriffe großzügig aus. Im Rahmen der den Ländern „nach der Reichsverfassung oder den Reichsgesetzen obliegenden Pflichten“ sollte auch kleinteiliges, besonderes Verwaltungsrecht geregelt werden. 1923 wurde in Thüringen die „Schulfreiheit am Bußtag verfügt“,[151] 1932 in Preußen die Badekleidung an öffentlichen Badestellen durch „Badepolizeiverordnung“ geregelt.[152]
II. Länder und Reichsreform
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Föderalismus ohne Fürsten
Art. 18 WRV machte Vorgaben für eine Länderneugliederung. Die RV hatte die Bundesstaaten des Jahres 1871 selbst bei Aussterben der regierenden Familie petrifiziert.[153] Unmittelbar nach Inkrafttreten der WRV war eine „Zentralstelle zur Gliederung des Deutschen Reichs“ beim Reichsministerium gegründet worden. Unitarisierend war Art. 17 WRV, der allen Ländern eine „freistaatliche Verfassung“ vorschrieb; im bedeutungslosen Waldeck trat allerdings die alte Verfassung formal nie außer Kraft.
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Thüringen
Am 1. Mai 1920 war das Land Thüringen aus sieben thüringischen Kleinstaaten gebildet worden, der achte, Coburg, hatte sich zum 1. Juli 1920 dem Freistaat Bayern angeschlossen. Dies hatte auch eine Umgestaltung der Verwaltung zur Folge, die als nicht abgeschlossen galt; der preußische Regierungsbezirk Erfurt zerteilte bis zur bayerischen Grenze Thüringen, das wegen seiner Talsperren auf bayerische Gebiete an der Saale spekulierte.[154] Der „Staat Großthüringen“ habe sich immer wieder als „Gegenstand banger Sorge“ erwiesen, so Heinrich Triepel auf der Staatsrechtslehrertagung 1924 in Jena und wünschte „die Bahn zu ruhiger staatlicher Entwicklung und den Weg zu sozialem Frieden.“[155] 1923 hatte die Regierungsbeteiligung der KPD zu einem militärischen Einschreiten der Reichsregierung (Art. 48 WRV) geführt, seit 1930 war die NSDAP an der Regierung beteiligt.
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Waldeck
Am 30. November 1921 hatte sich der Bezirk Pyrmont, der kleinere Landesteil von Waldeck, durch Volksentscheid Preußen angeschlossen. Am 1. April 1929 war das verbliebene Waldeck zu Preußen gekommen. Es bestand ein enger Zusammenhang mit der desolaten Haushaltslage des Kleinstaats nach der Finanzreform 1926.[156] Waldeck blieb ein untypischer Einzelfall, das Fürstentum hatte sich schon 1867 durch den „Accesionsvertrag“ der preußischen Verwaltung angeschlossen, die landeseigene Verwaltung beschränkte sich auf „Hofbehörden“ und die evangelische Landeskirche.[157] Robert Graf Hue de Grais wies vor dem Krieg in seinem „Handbuch der Verfassung und Verwaltung“ ausdrücklich darauf hin, dass Waldeck „nicht zum preußischen Staate“ gehört.[158]
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Reichsreform
Insbesondere der preußische Finanzminister Hermann Höpker-Aschoff hatte sich vehement für eine Neugliederung des Reichs und eine Verknüpfung der Finanz-, Verwaltungs- und Reichsreform eingesetzt.[159] Aus ähnlichen Beweggründen wurde 1928 auf Betreiben des ehemaligen Reichskanzlers und späteren Reichsbankpräsidenten Hans Luther der „Bund zur Erneuerung des Reiches“ („Luther-Bund“) gegründet, der auch konkrete Vorgaben zur Verwaltungsreform gemacht hatte. Der Name „Preußen“ und das preußische Staatsvermögen sollten erhalten bleiben, staats- und verwaltungsrechtliche Befugnisse auf die Provinzen als „Reichsländer“ übergehen. Die Länderkonferenz zur Reichsreform folgte Luther, der aber am Widerstand Preußens und Bayerns scheiterte.[160]
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Kleinstaatliche Resilienz
Zur Länderneugliederung war es nicht gekommen.[161] Der kleinste Gliedstaat Schaumburg-Lippe führte ab 1924 ergebnislos Verhandlungen mit Preußen. Insgesamt war das Beharrungsvermögen auch kleinster Einzelstaaten wie Lippe stärker als 1919 zu erwarten. Allerdings darf die „Kleinstaaterei“ insoweit nicht überschätzt werden, als es bereits im Kaiserreich eine funktionierende Zusammenarbeit in Verwaltung und Justiz über Ländergrenzen gegeben hatte.[162] Die gemeinsame Trägerschaft von „Unterhalterstaaten“ für die Universität Jena zeigt, dass Spielraum für eine auch im internationalen Maßstab effiziente Zusammenarbeit über kleinstaatliche Grenzen bestand. Die allerwenigsten Staaten hatten alle Attribute der Staatlichkeit besessen. Sie ließen sich auch in der Republik im ohnehin weniger körperschaftlich gestalteten Reichsrat von anderen Ländern vertreten und übernahmen häufig preußische Gesetze als Blankett.
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Preußische Frage
Das „Exklavenproblem“ war für den mitteldeutschen Raum eine echte Belastung, da die allein dynastischen Zufälligkeiten geschuldeten Grenzen eine vernünftige Landesentwicklung behinderten. Die Reform wurde vom Oberpräsidenten der preußischen Provinz