vor ihrem Umgehen und Wiederkommen. Man fürchtete das Totenheer des Wotan, das sich später in die Wilde Jagd verwandelte und den einsamen Wanderer auf seinen Wegen überfallen und mit sich nehmen konnte. Man ängstigte sich vor den Untoten, wenn sie versuchten, als Irrlicht den Menschen ins Verderben zu führen oder ihn als Aufhocker ansprangen und so lange bedrängten, bis er tot zu Boden sank. Zahlreiche Geschichten berichten von der Überwindung des Todes in der Nachfolge des Siebenschläfermythos, wenn Schatzjäger oder Bergleute in Höhlen oder Klüften eingeschlossen wurden und erst nach vielen Jahren wieder zum Vorschein kamen und sie niemand mehr in ihrem Dorf erkannte. Oder wenn der Wassermann die Seelen der Ertrunkenen in die Tiefe zieht und dort in kleinen Töpfchen aufbewahrt, damit sie nicht in den Himmel kommen können, bis sie durch die gute Tat eines Menschenkindes erlöst werden.
Nur schwer überschaubar ist die Zahl der Natur- und Elementargeister, welche die Welt bevölkern. Hier hat der Mensch dem Ausdruck der Natur, sei es Nebel, Wolken, Wind, aber auch solchen irdischen Dingen wie Muren oder Lawinen eine Gestalt gegeben, um leichter mit ihnen umgehen zu können. Schon früh hat man sich damit beschäftigt, einen Katalog der Dämonen und der ihnen verwandten Geister zu erstellen. Es gibt aber so viele von ihnen und sie sind je nach Region so unterschiedlich, dass eine einheitliche Systematik kaum möglich ist. Der Erste, der sich mit dem Thema umfassend beschäftigt hat, war der Gelehrte, Humanist und Hexentheoretiker Johann Trithemius (1462–1516), der in zwei Büchern eine Dynastengeschichte der Dämonen, aber auch ihres Oberhauptes, des Teufels, und seiner Unterteufel zu schreiben versuchte. Für ihn sind die Dämonen, Naturgeister und Elementarwesen nichts anderes als das dritte Geschlecht der bösen Geister und »… von diesen Teufeln und bösen Geistern wohnt ein Teil in den Hölzern und Wäldern …« Agrippa von Nettesheim (1486–1535), Universalgelehrter, Arzt, Jurist und Philosoph, versuchte die antiken Dämonen, wie er sie von griechischen und römischen Schriftstellern kannte, mit dem Christentum in Übereinstimmung zu bringen. Er war der Erste, der seinem Publikum das Aussehen und die Körperlichkeit der Dämonen nahebringen wollte. Er unterscheidet bereits Tag-, Nacht- und Mittagsgeister sowie die Wald-, Berg-, Feld- und Hausgeister.
Im 15. und 16. Jahrhundert glaubte man die Dämonen und Naturgeister nach den vier Elementen als Feuer-, Luft-, Wasser- und Erdgeister ordnen zu können. Der Hauptvertreter dieser Richtung war der Arzt und Naturforscher Theophrastus Bombastus von Hohenheim, genannt Paracelsus (1493–1541). Er sprach auch als Erster die sexuelle Seite dieser Geister an, die sich seiner Meinung nach stets mit dem Menschen zu vereinigen suchen. Die Ursache sieht er darin, dass Dämonen keine Seele haben, aber durch die Verbindung mit einem Menschen an dessen Unsterblichkeit teilhaben möchten. Er nennt auch die Umstände, unter denen diese Geister entstehen:
»Eine Art von Körper besteht nur aus Feuer und kann nicht gesehen werden, weshalb Orpheus die, welche einen solchen besitzen, feurige und himmlische Dämonen nennt; eine andere ist aus Feuer und Luft gemischt, daher diese Dämonen ätherische oder Luftgeister heißen: kommt etwas Wasser hinzu, so entsteht eine dritte Körpergattung, von der die Wassergeister ihren Namen haben, … wird endlich noch etwas Erde hinzugefügt, so werden solche Dämonen Erdgeister genannt.«
Hatten diese Forscher der Dämonologie am Ende des Mittelalters noch davon auszugehen, dass die Dämonen, Naturgeister und Elementarwesen einen unabhängigen Platz in der Geisteswelt des Menschen einnehmen, so war der Kirchenreformator Martin Luther (1483–1546) unerbittlicher in seinem Urteil. Für ihn sind diese Wesen Ausgeburten des Bösen, des Teufels.
Zahllos sind die Sagen, die sich im Alpenraum, aber auch in den Ebenen der Donauländer und in den Wäldern der Steiermark um Dämonen ranken. Viele unterschiedliche Geschichten sind hier, die oft auf gemeinsame Sagenmotive zurückgehen. Gleich ist ihnen allen, dass sie Elemente der Magie und des Dämonischen beinhalten. Ereignisse werden oft als kaum oder nicht erklärbar formuliert, um die Geschichten spannender zu machen. Oft wird ein wahrer Sachverhalt an real existierenden Personen oder Orten festgemacht, um der Sage mehr Gewicht und einen Anschein von Realität zu geben. Oft handeln sie von Fremden, die seltsame Fähigkeiten haben oder die sich ungewohnt und abweichend von der geltenden Norm verhalten. Dazu wird beschrieben, wie man sich im Umgang mit den Geistern und Naturwesen zu verhalten hat, was von einem erwartet wird, wie man sich vor ihnen schützen oder durch sie zu Reichtum kommen kann. Oft begegnen Geister und Naturwesen den Menschen, wenn sie beschworen werden. Gut ist es dann zu wissen, wie man ihnen wieder abschwören kann. Dazu kommen noch Naturereignisse, die in ihrem Entstehen und ihrer Existenz durch Handlungen der Geister und Naturwesen zu erklären sind. Diese Sagen geben einen Einblick in die Seele der Bevölkerung. Sie sind genauso eng und abgründig wie die Welt, in der die Erzähler lebten.
Im vorliegenden Buch wurde versucht, sich auf das Gebiet des heutigen Österreich zu beschränken und die Elementarwesen, Naturgeister und Dämonen mit den ihnen zugehörigen Sagen zu verknüpfen. Dabei muss eingestanden werden, dass es aus der Überfülle der Sagen nicht einfach ist, zu jeder Figur die wesentlichen herauszuheben. Jedes Dorf, jedes Tal und jede Landschaft haben ihre eigenen Geister und Dämonen, sodass es nur möglich ist, einen generellen Überblick über diese Gestalten zu geben und zu versuchen, diese in ihrem Aussehen und Verhalten zu beschreiben. Wichtig war es auch, eine Anleitung zu geben, wie man sich gegen diese Wesen, die dem Menschen nicht nur freundlich gesonnen sind, schützen kann.
Man mag zur Existenz dieser Wesen stehen, wie man will. Es bleibt aber eine Tatsache, dass diese für viele Jahrhunderte die Welt unserer Vorfahren belebt und beeinflusst haben. Sie sind in unserer von Wissenschaft und Technik bestimmten Zeit ein wenig an den Rand gedrängt worden, haben aber in unserem Unterbewusstsein noch immer einen Platz, wie jeder weiß, der einmal allein durch einen dunklen Wald bei Wind und Sturm oder Nebel gewandert ist. Obwohl wir aufgeklärte Menschen sind, können wir uns von dem Gedanken, dass es übernatürliche Mächte gibt, nicht ganz befreien. So bleiben Dämonen, Elementarwesen und Naturgeister weiter bestehen, sei es als unser volkskundliches Erbe oder in einer kleinen Ecke unseres Unterbewusstseins, was uns zeigt, dass wir noch immer mit unserer dunklen Vergangenheit in Verbindung stehen.
1.
Luftgeister
Zu den in freier Natur umherschwirrenden Luftgeistern zählen Elfen oder Alben, Sylphiden und Dryaden. Wie immer man sie nennen mag, sie alle sind schön, von hauchzarter Gestalt und blass wie Elfenbein. Meist von Schleiern umhüllt, manchmal auch ohne, doch stets mit Blüten im Haar, tummeln sie sich über und unter den Wolken. Sie bevölkern die Wälder und Berge, sind in Klüften und an Flüssen daheim.
Im Mittelalter nur wenig bekannt, haben sie ihren großen Auftritt erst in der Romantik des frühen 19. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit waren viele Menschen davon überzeugt, dass in der Natur Geister existieren, welche Baum und Berg beleben. Leider weisen diese auch die negativen Wesenszüge des Menschen auf, sind gewalttätig und rachsüchtig, können schmeichlerisch sein und treiben gern Schabernack und Unfug.
Elfen
Elfen, auch Elben oder Alben genannt, sind Geisterwesen, die in Mitteleuropa und in Österreich nur wenig bekannt sind und daher eher selten in den Sagen vorkommen. Sie sind Lichtgestalten oder Naturgeister, die aus der nordischen Mythologie stammen. Als Alben werden sie in der um 1200 entstandenen Snorra-Edda im Zusammenhang mit dem nordischen Göttergeschlecht der Asen erwähnt. Dazu unterscheidet die Snorra-Edda zwischen Licht- und Schwarzalben, Namen, die stark deren Wesen widerspiegeln. So heißt es:
»Da ist eine Wohnung, die Álfheim heißt. Da haust das Volk, das man Lichtalben nennt. Aber die Schwarzalben wohnen unten in der Erde und sind ungleich von Angesicht und noch viel ungleicher in ihren Verrichtungen. Die Lichtalben sind schöner als die Sonne von Angesicht; aber die Schwarzalben schwärzer als Pech.«
Eine weitere Gruppe stellen die Dunkelalben dar, die aus der Verbindung von Licht- und Schwarzalben hervorgegangen sind. Ob Snorri Sturluson, der Verfasser der Prosa-Edda, diese Einteilung bereits vorfand oder selbst entwickelt hat, ist umstritten. Seine Alben haben viel mit der Fruchtbarkeit der Felder zu tun, da sie dem germanischen Fruchtbarkeitsgott Freyr zugeordnet sind.