Reinhard Pohanka

Tatzelwurm und Donauweibchen


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      Windsbraut

      Die Windsbraut ist ein in Österreich selten anzutreffender Luftgeist. Meist ist sie als Personifikation des Windes in Tirol oder Vorarlberg zu finden, die übrigen Landesteile kennen sie zwar, wissen aber wenig über sie zu erzählen. Ihren Namen hat sie von den Germanen, die eine Windes Prut kannten, wobei sich prut vermutlich von prüs, Gebraus, ableiten lässt.

      Schon die alten Griechen kannten die Personifikation der Winde. Homer benennt sie erstmals und der Gott der Winde, Aiolus, der menschen- oder pferdeartig mit Flügeln dargestellt wird, verwahrte sie auf seiner Insel Aiolia. Als eines Tages der Held Odysseus zu ihm kam und um guten Wind für seine Heimreise nach Ithaka bat, gab er ihm den Westwind mit und einen Schlauch aus Ziegenleder, in dem sich andere, ungünstige Winde befanden, mit dem Hinweis, diesen nicht zu öffnen, bevor der Held zu Hause sei. Aber die Gefährten des Odysseus vermuteten im Schlauch Schätze, öffneten ihn frühzeitig und ließen die darin verwahrten Winde frei, welche das Schiff des Odysseus weit vom Kurs abbrachten.

      Die Bedeutung der Winde für die Griechen zeigt sich im Athener Turm der Winde, einem Denkmal aus dem ersten Jahrhundert vor Christus, das aus Geldern von Julius Caesar und Augustus bezahlt wurde. Auf den acht Seitenflächen sieht man jeweils eine Personifikation der Winde, so erschienen Boreas (Nordwind), Kaikas (Nordostwind), Apheliotes (Ostwind), Euros (Südostwind), Notos (Südwind), Lips (Südwestwind), Zephyros (Westwind) und Skirion (der Nordwestwind). Unter den Harpyien, hässlichen hellhaarigen Dämonen der griechischen Mythologie, befindet sich Aello, deren Name eigentlich Windsbraut bedeutet. Als eigentliche Vorläuferin der Windsbraut wird die Nymphe Poppysmata angesehen, die sich über Jahrhunderte für den Faun Drillops aufsparte, der von Zeus eingekerkert worden war. Als er freigelassen wurde, fielen er und Poppysmata so ungestüm übereinander her, dass der Faun beim Liebesakt den Tod fand. Die unglückliche Poppysmata wurde dazu verdammt, auf ewig als Windsbraut über die Welt zu ziehen.

      Die Kelten kannten mit Vintius, einem der Brüder der keltischen Dioskuren, einen Windgott. Die Germanen nannten den Windgott Forsetis und die Windsbraut Windis prut. In Luthers Bibel heißt es von der Überfahrt des Apostels Paulus nach Kreta, dass eine Windsbraut, ein Sturm von Nordost, das Schiff gegen die Insel Klauda trieb (Apostelgeschichte 27,13–16). Bei den Slawen fliegt die Polednice mit dem Staub des Wirbelwindes auf. In Deutschland kennt man ein Edelfräulein, das leidenschaftlich gerne auf die Jagd ging. Weil sie dabei keine Rücksicht auf die bestellten Felder nahm, ist sie bis in alle Ewigkeit zum Dahinbrausen als Wirbelwind verwunschen. Auch den Hexen sagte man eine Nähe zur Windsbraut nach, indem sie solche Wirbelstürme heraufbeschwören konnten. In manchen Gegenden wird daher der Begriff der Windsbraut mit »Wetterhexe« übersetzt. Da Hexen auch Wetterzauber machen können, glaubte man, dass sich die Windsbraut von ihnen beschwören ließ. Manche meinten auch, dass in der Windsbraut selbst eine Hexe steckte und man ihr mit geweihten Heugabeln und Weihesprüchen zu Leibe rücken könnte.

      Es ist nicht verwunderlich, dass man besonders unter den Bauern den Winden Namen gab, hing doch von ihrem Wohl und Wehe das Schicksal der Ernten ab und heftige Stürme konnten ganze Wälder umwerfen. Im Sturm wird die Windsbraut auch zu zwei verschiedenen Wesen erklärt, als Wind und Windin bezeichnet, die einander jagen.

      In der Sagenwelt Österreichs ist aus den antiken Windgöttern eben die Windsbraut geworden, eine weibliche Gestalt, die als gefährlicher Naturgeist auftritt und den Menschen Unheil durch ihre Gewalt und Stärke bringt. Manchmal aber spielt sie auch nur mit den Menschen, wirbelt Blätter und Staub auf und verträgt das bereits zu Haufen geschichtete Heu auf den Bergweiden.

      Besonders in der Gestalt von kleinen Wirbelwinden oder Windhosen glaubte man die Windsbraut zu erkennen. Als Abwehrmittel wird empfohlen, ein geweihtes Messer in den Wind zu werfen. Fällt es blutig wieder heraus, so hat man die Windsbraut getroffen und verletzt. Allerdings ist diese Vorgangsweise gefährlich, denn die Windsbraut kann sich rächen und den Werfer in die Lüfte entführen. Wird sie aber vom Messer getroffen, so fällt sie manchmal tot als nackte, junge Frau aus dem Wirbelwind heraus.

      Unter Österreichs Sagen finden sich immer wieder Geschichten, die mit einem verhängnisvollen Messerwurf zu tun haben. Eine davon stammt aus Zamang in Vorarlberg. Einige Knechte und Mägde sind beim Heuen auf der Alm und werden immer wieder von einem Wind gestört, der das Heu aufwirbelt. Schließlich wird es einem der Knechte zu bunt, er zieht sein Messer aus der Lederhose und schleudert es in den Wind, wo es plötzlich verschwindet und auch nicht mehr wiedergefunden werden kann.

      Einige Zeit später geht dieser Knecht mit Gefährten in den Elsass, um sich dort zu verdingen, und sieht unterwegs auf einer Fensterbank sein Messer liegen. Auf sein Nachfragen wird ihm erzählt, dass die Tochter des Hausherren als Windsbraut ausgefahren sei, dann habe jemand ein Messer nach ihr geworfen, das sie in ihrem Leib nach Hause gebracht habe und woran sie verstorben sei.

      In manchen Gegenden streute man Mehl vor die Haustüre. Wenn es vom Wind weggetragen wurde, so glaubte man, damit die Windsbraut besänftigt zu haben. In Oberösterreich steckte man in der Weihnachtszeit drei Brotlaibe auf den Zaun, um damit den Wind zu füttern und um sein Wohlverhalten für das nächste Jahr zu bitten. Man kann auch Mehl auf das Dach streuen, um den Kindern des Windes zu essen zu geben, denn diese sind es, die im Wind so jämmerlich heulen.

      Aus dem Burgenland gibt es die Geschichte, dass ein Bauer sich über eine Windsbraut so geärgert hat, dass er sie mit der Heugabel stach, worauf sie sich rächte und seinen Wagen umwarf, der den Bauern erdrückte.

      Nicht zuletzt ist die Windsbraut die Vorreiterin der → Wilden Jagd. Bevor diese daherbraust, kommt die Windsbraut, kündigt sie an und fegt alles aus dem Weg. Dies dürfte mit den Sturmwinden zu erklären sein, die oft heftigen Unwettern und Gewittern vorausziehen.

      2.

      Erdgeister

      Wichtel

      Wichtel, auch Wichte oder Wichtelmännchen genannt, sind kleine Erdgeister, die weitschichtig mit den → Zwergen verwandt sind. Sie sind nicht besonders groß, meist kleiner als Zwerge, ihre Größe wird zwischen drei und fünf Handspannen angenommen. Ursprünglich sind Wichtel in den Wäldern und Bergen zu finden, wo sie in Höhlen und Klüften hausen und mit der Suche nach Schätzen und edlen Metallen beschäftigt sind. Sie sind kurzbeinig, dickleibig und kurzhalsig, manche tragen einen grünen oder braunen Rock und ab und zu auch eine Zipfelmütze – eine Gugel – wie sie die Bergleute früherer Zeiten trugen. Es gibt gute und böse, weiße und schwarze, männliche und weibliche Wichtel. Sie erreichen ein hohes Alter, haben einen König und eine Königin, sammeln Schätze, lieben Musik und tanzen gerne im Mondschein. Dem Volksglauben nach werden sie Jahrhunderte alt und verfügen trotz ihres kleinen Wuchses über große Stärke und weitreichende Zauberkräfte. Sie sind Heiden und wollen vom Christentum nichts wissen. Man kann sie leicht erzürnen und sie freuen sich, wenn sie jemandem eine Bosheit antun können.

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      Ihre Herkunft haben sie in den nordischen Sagen, in denen sie als dämonische Wesen erscheinen. Im Mittelhochdeutschen bedeutet der Name Wicht, »daz wiht«, ein wildes Geschöpf, Wesen oder Ding. Eine Erinnerung an ihre dämonische Seite ist, dass man in den Alpen den kleinen Steinkauz, der nach dem Volksglauben durch sein Schreien den Tod ankündigt, als Wichtel benannt hat.

      Je nach Wohnort haben die Wichtel verschiedene Namen: Man findet sie als Bergmandl in den Alpen, mit uraltem Gesicht und unscheinbarer Kleidung. Sie schützen und hegen das Almvieh. In den Bergklüften kochen, waschen, spinnen und backen sie. Gerne setzen sie sich zwischen die Hörner der Kühe und sie können sich unsichtbar machen. Als Hauswichtel leben sie in den Häusern der Menschen. So gab es in einem Haus in Lienz Wichtel, die des Nachts ihr Unwesen mit Lärm und Gepolter trieben. Gingen die Leute in die Kirche und war niemand mehr im Haus, so gab