Magda Trott

PUCKI & POMMERLE: Alle 18 Bücher in einem Band


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      »Das habe ich gestern abend nicht gesehen,« sagte das Kind.

      »Weil mein kleines Mädchen in Angst und Schrecken war. – Siehst du nun ein, Pommerle, daß es sehr schlimm ist, wenn man einen Menschen in Angst versetzt?«

      Pommerle senkte beschämt den Blondkopf.

      Schweigend gingen die beiden heim. Herr Bender war froh, daß dieser große Schrecken für sein Pflegetöchterchen keine nachteiligen Folgen hatte. Aber er sah es dem Pommerle auch an, daß diese Vergeltung einen tiefen Eindruck auf das Kind gemacht hatte.

      So hatten Benders in der nächsten Zeit nichts zu klagen. Auch Jule zeigte sich von der besten Seite. In wenigen Tagen sollte er bei Meister Reichart antreten, um das Tischlerhandwerk zu erlernen.

      »Kann der Jule gar nicht mehr mit mir spielen?«

      »Nein, Pommerle, dann muß er von früh bis abends fleißig lernen, daß ein rechter Mann aus ihm wird.«

      Da Pommerle und Jule keine Veranlassung zum Klagen gaben, beschlossen Benders, dem Knaben vor Eintritt in seine Lehre noch eine besondere Freude zu bereiten. Die Augusttage waren so herrlich in diesem Jahre, daß man den letzten Sonntag vor dem ersten September dazu benutzte, nach Hermsdorf zu fahren und den Kynast zu besteigen.

      Jule war überglücklich, als er hörte, daß er mitkommen dürfte. Er strahlte über das ganze Gesicht. Man wollte schon am Vormittag aufbrechen, oben auf dem Kynast dann Mittag essen und am späten Nachmittag wieder heimkehren.

      So brach man an einem prachtvollen, sonnigen Sonntag auf. Die Talbahn brachte Benders und Jule nach Hermsdorf, dann wanderte man frohgemut weiter, dem Kynast entgegen.

      Pommerle lauschte andächtig der Sage, die Professor Bender den Kindern von diesem Berge und der prächtigen Ruine, hoch oben auf dem Gipfel, erzählte.

      Alle vier stiegen nun die dunkle Turmtreppe hinan. Da sahen sie die Schneekoppe, die Schneegrubenbaude, den Reifträger und alle die anderen Berge. Der Professor gab den Kindern die nötigen Erklärungen dazu.

      Pommerle lauschte gespannt.

      »Aber die Ostsee kann man auch hier nicht sehen,« sagte es leise.

      »Ist auch gar nicht nötig,« meinte Jule, »die Berge sind viel schöner. Die Berge sind überhaupt das Allerschönste, was es gibt, und höhere als diese gibt es in der ganzen Welt nicht.«

      »O doch, mein Junge, aber unser liebes schlesisches Gebirge hat unendlich viele Schönheiten.«

      Der Professor legte seinen einen Arm um Pommerles Schulter, den anderen um Jule.

      »See und Berge hat unser Vaterland, meine lieben Kinder, und viele schöne, prächtige Städte. Das werdet ihr später vielleicht alles einmal sehen. Aber wenn es nicht geschieht, dann habt ihr eure schöne Heimat, an die ihr euer Leben lang denken sollt, die ihr immer lieb behalten müßt. Du, Jule, stehst jetzt vor einem neuen Abschnitt deines Lebens. Aus dem Knaben, der bisher nur das Spielen kannte, soll nun ein tüchtiger Mann werden, ein braver, fleißiger Handwerker. Ich weiß es, mein lieber Junge, du wirst mich nicht enttäuschen. Schwere Jahre liegen vor dir, denn Lehrjahre sind kein Vergnügen. Lehrjahre sind Schwerjahre, – aber halte den Kopf hoch und die Ohren steif. Bist doch ein echter schlesischer Junge und wirst auch ein echter schlesischer Meister werden. Du liebst deine Heimatberge, sie schauen auf dich hernieder, wenn du späterhin an der Arbeit bist. Denke daran, daß du deiner Heimat auch Ehre machst!«

      Da hob Jule den Kopf und schaute den Professor mit leuchtenden Augen an.

      »Meine Berge habe ich gern, Herr Professor, das wissen Sie ganz genau. Der Jule will auch gewiß ein braver schlesischer Handwerker werden.«

      Professor Bender nahm die Hand des Knaben fest in die seine und drückte sie kräftig. Dann wandte er sich zu Pommerle und schaute ihm in die Augen.

      »Und du, mein Mädelchen?«

      Pommerle schluckte einige Male.

      »Ich kann doch kein schlesischer Meister werden, Onkel?«

      »Nein, mein Pommerle, das sollst du auch nicht, kein schlesischer Meister, aber ein braves, tapferes, deutsches Mädchen. Deine Heimat ist die Ostsee, nach dem Gebirge haben wir dich verpflanzt. Hier sollst du heranwachsen zu unserer Freude. Und ein echtes, deutsches Mädel soll mein geliebtes Pommerle auch werden. Ich werde euch beide heranwachsen sehen, liebe Kinder, und will meine Freude an euch haben.«

      »Ich möchte so gut sein wie du, Onkel, und so lieb wie die Tante. Ob das wohl geht?«

      Vertrauensvoll schaute das Kind auf.

      Da schloß Frau Bender die Kleine fest in ihre Arme und drückte dem Kinde einen Kuß aus die Stirn.

      Pommerles Jugendzeit

       Inhaltsverzeichnis

       Kindertränen

       Pommerle wandert durch Rübezahls Reich

       Pommerle erlebt etwas ganz Neues

       Kleine Ursachen, große Wirkungen

       O du fröhliche ..

       Was Pommerle am Sonntag erlebte

       Pommerles Lieblinge

       Wer nicht hören will, muß fühlen

      Für den schönen Herbstnachmittag war von acht Schülerinnen der vierten Klasse die Verabredung getroffen worden, am zeitigen Nachmittag in den Wald zu gehen, um Herbstblumen zu pflücken. Man hatte gehört, daß morgen der Klassenlehrer Seiffert seinen Geburtstag feierte, deshalb wollten einige der Schülerinnen ihm einen hübschen Blumenstrauß bringen. Selbstverständlich hatte sich die kleine Hanna Ströde, die man in Hirschberg unter dem Namen Pommerle gut kannte, ebenfalls bereit erklärt, mitzugehen. Der Lehrer Seiffert wußte immer gar schöne Geschichten zu erzählen und wurde deshalb von Pommerle schwärmerisch verehrt.

      Die Pflegeeltern des kleinen Mädchens hatten nichts dagegen, obwohl Frau Professor Bender sorgenvoll zum Himmel hinaufschaute.

      Die Sonne schien zwar schön; aber dennoch hatte Frau Bender schwere Bedenken, ob das Wetter den ganzen Tag über so bleibe.

      »Ich fürchte, Pommerle, es gibt heute noch Regen. Geht nicht zu weit, damit ihr nicht naß werdet. Auf der Wiese am Hausberg findet ihr noch mancherlei Blumen. Beeilt euch, damit ihr gegen sechs Uhr wieder daheim seid.«

      »Die Hübner Emma hat auch schon gesagt, daß wir am Hausberg noch schöne Blumen finden werden, liebe Tante, aber die Uhse Minna möchte nicht gern zum Hausberg gehen. Sie hat noch immer Angst.«

      »Angst? – Wovor fürchtet sich die Minna, Pommerle?«

      »Im Hausberg soll noch immer der Kilian sitzen. Ich glaube es aber nicht, Tante. Die Uhse Minna meint aber, der Kilian sei doch im Berge und rumort darin herum, weil er 'raus will.«

      Frau Professor Bender überlegte einige Augenblicke. Es gab von dem Hausberg, der sich unweit der Stadt Hirschberg erhob, eine Sage, die sie aber nicht mehr kannte. Pommerle schien das besser zu wissen, obgleich das Kind erst seit knapp zwei Jahren in Schlesien lebte.

      »Was will denn der Kilian im Hausberg, mein Kind?«

      »'raus