wenn es sie in Ansätzen gab, so richtete sich diese stets nach der Zeit und dem Ort, an dem sie festgestellt wurden. Es fehlte lange Zeit eine universelle und allgemeingültige Definition. Man kann die ersten Erwähnungen von Grundrechten auf die Zeit des Absolutismus zurückführen, in der es darum ging, die Rechte des Individuums gegen einen Souverän zu verteidigen: »Als Menschenrechte bezeichnet man die dem Individuum zustehenden Rechte auf Schutz vor Eingriffen des Staates, die dem Einzelnen kraft seines Menschseins gegeben sind und auf jeden Fall erhalten bleiben und die nicht durch den Staat beschränkt werden können.« Aus dieser Zeit des Absolutismus stammt ihre Kennzeichnung als »angeborene« und »unveräußerliche« Rechte.
Ab dem 17. Jahrhundert beginnt die Zeit der Verschriftlichung der Menschenrechte in Verfassungen und »Bill of Rights«, in denen Folgendes festgestellt wurde: … zum Kern der Menschen- und Grundrechte zählen die Menschenwürde, das Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz und Gleichberechtigung, Religions- und Gewissensfreiheit, Meinungs-, Presse-, Informations- und Lehrfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Freizügigkeit, Berufs- und Arbeitsfreiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung, Garantie des Eigentums und des Erbrechts, Asyl- und Petitionsrecht, sowie justitielle Rechte wie beispielsweise die Garantie gegen ungerechtfertigte Verhaftung (…).«
Erst nachdem diese grundlegenden Rechte festgestellt wurden, arbeitete man daran, sie auch allgemein zu definieren. Grundlegende Rechte, so wurde nun formuliert, sind »… der Inbegriff derjenigen Freiheitsansprüche, die der Einzelne allein aufgrund seines Menschseins erheben kann und die von einer Gemeinschaft aus ethischen Gründen rechtlich gesichert werden müssen. In diesem Sinne ist von ›natürlichen‹, ›vorstaatlichen‹, ›angeborenen‹ oder ›unveräußerlichen‹ Rechten die Rede, in deren Achtung und Sicherung sich ein politisches Gemeinwesen legitimiert …«
Die Definition der Menschenrechte und ihre Umsetzung lässt sich in drei Phasen vom 16. bis zum 21. Jahrhundert einteilen: Ihre Herleitung aus der Philosophie, ihre politische Umsetzung im Rahmen von Nationalstaaten und ihre universelle Geltung in einer globalisierten Welt durch eine weltumspannende Organisation, den Vereinten Nationen.
Die Geschichte der Menschenrechte beginnt in der antiken griechischen Philosophie. Vor mehr als 2000 Jahren entwickelte sich die Idee von der Gleichheit aller Menschen und eines natürlichen Rechts, das jedem Menschen zukommen sollte. Im frühen Christentum und in anderen Religionen erfuhr diese Naturrechtstradition eine Weiterentwicklung. Man war der Auffassung, dass alle Menschen gleich von Gott geschaffen und ihm ebenbildlich seien. Diese beiden Ideen bilden die Grundlagen der Menschenrechte. Allerdings hatten sie noch nicht viel mit der politischen Realität zu tun. Es handelte sich um philosophische Betrachtungen, die zwar einen universalen Anspruch erhoben, deren schrittweise Übertragung in die Welt der Politik und des Rechts aber erst mit Beginn der Neuzeit einsetzte.
Eine der ersten Persönlichkeiten, die eines der Menschenrechte explizit nannte, war der italienische Philosoph Giovanni Picco della Mirandola (1463-1494), der 1486 in seiner Rede »De Hominis dignitate« feststellte, dass den Menschen Eines auszeichne, nämlich die Freiheit der Wahl. Im Gegensatz zu allen anderen Lebewesen, deren Natur durch die Naturgesetze festgelegt ist, vermag allein der Mensch seine Natur frei zu wählen. Mirandola war zudem der erste Philosoph, der die Freiheit und Würde des Menschen als Menschenrecht philosophisch begründete. Die soziale Verpflichtung des Menschen trifft der Mensch selbst und freiwillig. Wird sein Wille missachtet und zwangsweise unterworfen, so werden seine Würde und Freiheit verletzt. Allerdings muss sich der Mensch auch darüber im Klaren sein, dass er die aus der Freiheit gewonnene Verantwortung selbst trägt und sie nicht einem Gott oder Herrscher abtreten kann.
Thomas Hobbes (1588 – 1679) begründete die Allmacht des Staates mit dem Naturzustand des Menschen, indem dieser regellos und im Krieg aller gegen aller lebe, so dass er beschloss, alle Macht auf einen Staat, den »Leviathan« zu übertragen, dessen Vertreter, der Souverän, für Ruhe und Ordnung zu sorgen habe.
Der Deutsche Samuel Pufendorf (1632-1694) übernahm die Idee des Naturzustandes von Hobbes. Er leitete die Staatenbildung aus der natürlichen Geselligkeit und dem Bedürfnis des Menschen ab, den Unterschied zwischen Recht und Unrecht zu erkennen. Damit setzte er sich in Widerspruch zur damals geltenden Staatstheorie, die das Recht allein auf göttliche Gesetze zurückführte. Aus dieser Sicht hat der Engländer John Locke (1632-1704) das Leben, die Freiheit und das Eigentum als die drei wichtigsten vorstaatlichen und natürlichen Rechte des Menschen abgeleitet. Es sind jene Eigenrechte, die der Mensch dem Staat nicht abgetreten hat, sie sind dem Menschen geblieben, weil er nicht darauf verzichtet hat.
Locke ging es also um die Idee der unveräußerlichen Menschenrechte.
Für ihn bilden Leben, Freiheit und Eigentum unwandelbar angeborene Rechte des Menschen. Der Zweck eines Staates sei es, diese natürlichen Menschenrechte zu schützen. Locke verpflichtet in seiner politischen Philosophie den Staat auf die Menschenrechte und vollzieht damit den entscheidenden Schritt von der abstrakten Idee der Menschenrechte zu ihrer konkreten Umsetzung im Staat. Diese Gedanken wurden später in England und den Vereinigten Staaten von Amerika aufgenommen und fanden Eingang in deren Verfassungen.
Eine andere Sichtweise hatte der holländische Gelehrte, Theologe, Jurist und Staatsmann Hugo Grotius (1583 – 1645). Auch er betrachtete das Naturrecht, jedoch nicht das des Individuums, sondern das der Staaten. Für ihn ist das Naturrecht ein Gebot der Vernunft, neben diesem besteht auch noch ein »Ius volontarium«, das durch den Willen gesetzte Recht, das er »Ius gentium«, Völkerrecht, nennt. Er definiert es als naturrechtliche Forderung, dass die Völker im Schutze des Rechtes leben dürfen und sollen. Das gesetzte Völkerrecht, aus dem Naturrecht kommend, geht diesem in der Rechtspraxis vor.
Der nächste Schritt in der Erarbeitung der Menschenrechte war deren Einführung und politische Umsetzung in den Gesetzen von Nationalstaaten. England spielte eine Vorreiterrolle bei dieser Entwicklung. Bereits 1215 wurden dem König in der »Magna Charta Libertatum« gewisse Rechte abgetrotzt. Die »Petition of Rights« von 1628 stellte die Unantastbarkeit des Bürgers sicher, und die »Habeas-Corpus-Akte« von 1679 bildete den entscheidenden Durchbruch zur Verankerung der Idee der Menschenrechte im konkreten staatlichen Recht.
Die englischen Rechte galten auch in den englischen Kolonien in Amerika. Dort wurde im Zuge des amerikanischen Unabhängigkeitskampfes unter direkter Berufung auf die Gedanken Lockes erstmalig in der Geschichte ein Menschenrechtskatalog für eine Demokratie formuliert, die »Virginia Bill of Rights« von 1776, die wie die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung aus demselben Jahr zu den wichtigsten Dokumenten in der Geschichte der Menschenrechte zählt. Die »Virginia Bill of Rights« erstellte den Kern der Menschenrechte: Recht auf Leben, Freiheit und Eigentum, Versammlungs- und Pressefreiheit, Freizügigkeits- und Petitionsrecht, Anspruch auf Rechtsschutz und das Wahlrecht. Die Amerikanische Verfassung fügte ein neues Element hinzu, nämlich das persönliche Glück und das Recht für alle Menschen, es zu suchen und zu gewinnen. In ihr sind die grundlegenden Naturrechte das Leben, die Freiheit, das Eigentum und die Suche nach dem Glück.
Von Frankreich aus nahm die verfassungsrechtliche Umsetzung der Idee der Menschenrechte in Kontinentaleuropa ihren Ausgangspunkt. Die Französische Revolution von 1789 mit ihrer Parole »liberté, égalité, fraternité« entfaltete eine enorme Wirkung. Am 26. August 1789 wurde die französische »Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte« angenommen. In ihr findet sich der Versuch, die universelle Geltung der Menschenrechte zu betonen.
Im weiteren Verlauf der Geschichte ging es dann darum, die Menschenrechte als Grundrechte in den jeweiligen nationalen Verfassungen zu etablieren, was in fast allen europäischen Staaten im Lauf des 19. Jahrhunderts gelang. Die politische und rechtliche Umsetzung der philosophischen Idee der Menschenrechte war bis Mitte des 20. Jahrhunderts europaweit zumindest theoretisch weitgehend gelungen.
Die Menschenrechte, wie sie in den Verfassungen der Nationalstaaten niedergeschrieben waren, beanspruchten universelle Gültigkeit, ihre verbindliche Verankerung als Grundrechte war aber auf die Nationalstaaten begrenzt. Diesen Widerspruch galt es in einem dritten Schritt, und zwar mit dem Versuch der universalen politischen und rechtlichen Umsetzung der Menschenrechte, aufzulösen.
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