Эрнст Гофман

E. T. A. Hoffmann: Ausgewählte Novellen und Erzählungen


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aber seine Kraft war gebrochen, all sein Bemühen, so wie damals, nur die ohnmächtige Anstrengung des unverständigen Kindes. Starr und leblos blieb was er malte, und selbst Angiola – Angiola, sein Ideal, wurde, wenn sie ihm saß und er sie malen wollte, auf der Leinwand zum toten Wachsbilde, das ihn mit gläsernen Augen anstierte. Da schlich sich immer mehr und mehr trüber Unmut in seine Seele, der alle Freude des Lebens wegzehrte. Er wollte – er konnte nicht weiter arbeiten, und so kam es, daß er in Dürftigkeit geriet, die ihn desto mehr niederbeugte, je weniger Angiola auch nur ein Wort der Klage hören ließ.

      »Der immer mehr in mein Innerstes hereinzehrende Gram, erzeugt von stets getäuschter Hoffnung, wenn ich immer vergebens Kräfte aufbot, die nicht mehr mein waren, versetzte mich bald in einen Zustand, der dem Wahnsinne gleich zu achten war. Mein Weib gebar mir einen Sohn, das vollendete mein Elend und der lange verhaltene Groll brach aus in hell aufflammenden Haß. Sie sie allein schuf mein Unglück. Nein – sie war nicht das Ideal, das mir erschien, nur mir zum rettungslosen Verderben hatte sie trügerisch jenes Himmelsweibes Gestalt und Gesicht geborgt. In wilder Verzweiflung fluchte ich ihr und dem unschuldigen Kinde. – Ich wünschte beider Tod, damit ich erlöst werden möge von der unerträglichen Qual, die wie mit glühenden Messern in mir wühlte! – Gedanken der Hölle stiegen in mir auf. Vergebens las ich in Angiolas leichenblassem Gesicht, in ihren Tränen mein rasendes freveliches Beginnen. – ›Du hast mich um mein Leben betrogen, verruchtes Weib‹, brüllte ich auf, und stieß sie mit dem Fuße von mir, wenn sie ohnmächtig niedersank, und meine Knie umfaßte.«

      Bertholds grausames wahnsinniges Betragen gegen Weib und Kind erregte die Aufmerksamkeit der Nachbaren, die es der Obrigkeit anzeigten. Man wollte ihn verhaften, als aber die Polizeidiener in seine Wohnung traten, war er samt Frau und Kind spurlos verschwunden. Berthold erschien bald darauf zu N. in Oberschlesien; er hatte sich seines Weibes und Kindes entledigt, und fing voll heitern Mutes an, das Bild zu malen, das er in M. vergebens begonnen hatte. Aber nur die Jungfrau Maria und die Kinder Christus und Johannes konnte er vollenden, dann fiel er in eine furchtbare Krankheit, die ihn dem Tode, den er wünschte, nahe brachte. Um ihn zu pflegen, hatte man alle seine Gerätschaften und auch jenes unvollendete Gemälde verkauft, und er zog, nachdem er nur einigermaßen sich wieder erkräftigt, als ein siecher elender Bettler von dannen. In der Folge nährte er sich dürftig durch Wandmalerei, die ihm hie und da übertragen wurde.

      »Bertholds Geschichte hat etwas Entsetzliches und Grauenvolles«, sprach ich zu dem Professor, »ich halte ihn, unerachtet er es nicht geradezu ausgesprochen, für den ruchlosen Mörder seines unschuldigen Weibes und seines Kindes.« – »Es ist ein wahnsinniger Tor«, erwiderte der Professor, »dem ich den Mut zu solcher Tat gar nicht zutraue. Über diesen Punkt läßt er sich niemals deutlich aus, und es ist die Frage, ob er sich nicht bloß einbildet, an dem Tode seiner Frau und seines Kindes schuld zu sein; er malt eben wieder Marmor, erst in künftiger Nacht vollendet er den Altar, dann ist er bei guter Laune, und Sie können vielleicht mehr über jenen kitzlichen Punkt von ihm herausbekommen.« – Ich muß gestehen, daß, dachte ich es mir lebhaft, um Mitternacht mit Berthold allein in der Kirche mich zu befinden, mir, nachdem ich seine Geschichte gelesen, ein leiser Schauer durch die Glieder lief. Ich meinte, er könnte mitunter was weniges der Teufel sein, trotz seiner Gutmütigkeit und seines treuherzigen Wesens, und wollte mich deshalb lieber gleich mittags im lieben heitern Sonnenschein mit ihm abfinden.

      Ich fand ihn auf dem Gerüste mürrisch und in sich gekehrt, Marmoradern sprenkelnd; zu ihm herausgestiegen, reichte ich ihm stillschweigend die Töpfe. Erstaunt sah er sich nach mir um, »ich bin ja Ihr Handlanger«, sprach ich leise, das zwang ihm ein Lächeln ab. Nun fing ich an von seinem Leben zu sprechen, so daß er merken mußte, ich wisse alles, und er schien zu glauben, er habe mir alles selbst in jener Nacht erzählt. Leise – leise kam ich auf die gräßliche Katastrophe, dann sprach ich plötzlich: »Also in heillosem Wahnsinn mordeten Sie Weib und Kind?« – Da ließ er Farbentopf und Pinsel fallen, und rief, mich mit gräßlichem Blick anstarrend und beide Hände hoch erhebend: »Rein sind diese Hände vom Blute meines Weibes, meines Sohnes! Noch ein solches Wort, und ich stürze mich mit Euch hier vom Gerüste herab, daß unsere Schädel zerschellen auf dem steinernen Boden der Kirche!« – Ich befand mich in dem Augenblick wirklich in seltsamer Lage, am besten schien es mir mit ganz Fremden hineinzufahren. »O sehn Sie doch, lieber Berthold«, sprach ich so ruhig und kalt, als es mir möglich war, »wie das häßliche Dunkelgelb auf der Wand dort so verfließt.« Er schauete hin, und indem er das Gelb mit dem Pinsel verstrich, stieg ich leise das Gerüst herab, verließ die Kirche und ging zum Professor, um mich über meinen bestraften Vorwitz tüchtig auslachen zu lassen.

      Mein Wagen war repariert und ich verließ G., nachdem mir der Professor Aloysius Walther feierlich versprochen, sollte sich etwas Besonderes mit Berthold ereignen, mir es gleich zu schreiben.

      Ein halbes Jahr mochte vergangen sein, als ich wirklich von dem Professor einen Brief erhielt, in welchem er sehr weitschweifig unser Beisammensein in G. rühmte. Über Berthold schrieb er mir folgendes: »Bald nach Ihrer Abreise trug sich mit unserm wunderlichen Maler viel Sonderbares zu. Er wurde plötzlich ganz heiter, und vollendete auf die herrlichste Weise das große Altarblatt, welches nun vollends alle Menschen in Erstaunen setzt. Dann verschwand er, und da er nicht das mindeste mitgenommen, und man ein paar Tage darauf Hut und Stock unfern des O - Stromes fand, glauben wir alle, er habe sich freiwillig den Tod gegeben.«

       Das Sanctus

      (Erstdruck 1817)

       Inhaltsverzeichnis

      Der Doktor schüttelte bedenklich den Kopf. – »Wie«, rief der Kapellmeister heftig, indem er vom Stuhle aufsprang, »wie! so sollte Bettinas Katarrh wirklich etwas zu bedeuten haben?«

      – Der Doktor stieß ganz leise drei-oder viermal mit seinem spanischen Rohr auf den Fußboden, nahm die Dose heraus und steckte sie wieder ein ohne zu schnupfen, richtete den Blick starr empor, als zähle er die Rosetten an der Decke und hüstelte mißtönig ohne ein Wort zu reden. Das brachte den Kapellmeister außer sich, denn er wußte schon, solches Gebärdenspiel des Doktors hieß in deutlichen lebendigen Worten nichts anders, als: »Ein böser böser Fall – und ich weiß mir nicht zu raten und zu helfen, und ich steure umher in meinen Versuchen, wie jener Doktor im Gilblas di Santillana.« – »Nun, so sag Er es denn nur geradezu heraus«, rief der Kapellmeister erzürnt, »sag Er es heraus, ohne so verdammt wichtig zu tun mit der simplen Heiserkeit, die sich Bettina zugezogen, weil sie unvorsichtigerweise den Shawl nicht umwarf, als sie die Kirche verließ – das Leben wird es ihr doch eben nicht kosten, der Kleinen.« – »Mit nichten«, sprach der Doktor, indem er nochmals die Dose herausnahm, jetzt aber wirklich schnupfte, »mit nichten, aber höchstwahrscheinlich wird sie in ihrem ganzen Leben keine Note mehr singen!« Da fuhr der Kapellmeister mit beiden Fäusten sich in die Haare, daß der Puder weit umherstäubte und rannte im Zimmer auf und ab, und schrie wie besessen: »Nicht mehr singen? – nicht mehr singen? – Bettina nicht mehr singen? – Gestorben all die herrlichen Kanzonette – die wunderbaren Boleros und Seguidillas, die wie klingender Blumenhauch von ihren Lippen strömten? – Kein frommes Agnus, kein tröstendes Benedictus von ihr mehr hören? – Oh! oh! – Kein Miserere, das mich reinbürstete von jedem irdischen Schmutz miserabler Gedanken – das in mir oft eine ganze reiche Welt makelloser Kirchenthemas aufgehen ließ? – Du lügst Doktor, du lügst! – Der Satan versucht dich, mich aufs Eis zu führen. – Der Dom-Organist, der mich mit schändlichem Neide verfolgt, seitdem ich ein achtstimmiges Qui tollis ausgearbeitet zum Entzücken der Welt, der hat dich bestochen! Du sollst mich in schnöde Verzweiflung stürzen, damit ich meine neue Messe ins Feuer werfe, aber es gelingt ihm – es gelingt dir nicht! – Hier – hier trage ich sie bei mir, Bettinas Soli« (er schlug auf die rechte Rocktasche, so daß es gewaltig darin klatschte) »und gleich soll herrlicher, als je, die Kleine sie mir mit hocherhabener Glockenstimme vorsingen.« Der Kapellmeister griff nach dem Hute und wollte fort, der Doktor hielt ihn zurück, indem er sehr sanft und leise sprach: »Ich ehre Ihren werten Enthusiasmus, holdseligster Freund! aber ich übertreibe nichts und kenne den Dom-Organisten gar nicht, es ist nun einmal so!