Magda Trott

PUCKI (Buch 1-12)


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Horn erzählt hatte. Das war der Kleinen anscheinend nicht wieder aus dem Gedächtnis gekommen.

      Pucki freute sich unbändig. Sie erzählte es sofort Minna, daß Waldi nun nicht mehr Waldi, sondern Mucki hieße.

      »Und ein Horn wächst ihr, soooo lang!« Das Kind breitete beide Arme weit aus.

      »Geh lieber zurück an deine Arbeit, sonst kommt Vaters Geburtstag heran, und der Lampenteller ist noch nicht fertig.«

      »Immerfort soll ich arbeiten – früh in der Schule und nachmittags an dem Teller. – Aber nun ist er bald fertig.«

      Waltraut beruhigte sich rasch wieder. Trotzdem hielt die Mutter es für angebracht, sich zu den Kindern zu setzen, um sie ein wenig zu beaufsichtigen. Pucki hatte außerdem Fehler in ihrer Stickerei gemacht. Die letzten Stiche mußten aufgetrennt werden.

      »Nun gib aber acht«, tadelte Frau Sandler. »Du hast noch viel zu tun, und die Heinzelmännchen werden nicht kommen, um den Lampenteller fertig zu machen.«

      »Warum kommen die Heinzelmännchen nicht zu mir, Mutti?«

      »Weil du nicht immer artig bist. Sie haben gesehen, wie du vorhin dein kleines Schwesterchen geärgert hast. Da bleiben sie fern.«

      »Mutti, wären sie gekommen, wenn ich Mucki nicht geärgert hätte?«

      »Vielleicht.«

      »Ach, Mutti, dann will ich die Heinzelmännchen bitten, daß sie kommen. Ich werde auch die Mucki nicht mehr ärgern. Vatis Geburtstag ist ja bald. Bis dahin werde ich artig sein.«

      »Wo Heinzelmännchen?« forschte Waldtraut.

      Die Kleine versuchte auf den Schoß der Mutter zu klettern. Pucki beobachtete das Schwesterchen mit mißgünstigen Blicken. Und als Waltraut von der Mutter emporgehoben wurde, legte auch sie die Handarbeit zur Seite, zog den kleinen Stuhl dicht an die Mutter und bat:

      »Mutti, ich möchte so furchtbar gern noch mal die Geschichte von dem Schneider und den Heinzelmännchen hören.«

      »Und dabei wird gearbeitet, Pucki.«

      »Ja – –«

      Die Kleine holte den Lampenteller wieder herbei und begann zu sticheln, während Frau Sandler den lauschenden Kindern die Geschichte von dem fleißigen Schneider erzählte, der soviel Arbeit hatte, daß er immer bis Mitternacht in seiner Schneiderstube saß.

      »Eines Nachts«, so fuhr die Mutter fort, »hörte er ein feines Stimmchen und sah an der Tür ein winziges Männchen stehen, das bittend sagte:

      ›Lieber Schneider, hilf uns! Die bösen Leute haben einen dicken Baumstamm gerade vor den Eingang meiner Wohnung gelegt, ich kann diesen Baumstamm aber allein nicht fortschieben. Komm mit mir hinaus in den Wald und hilf mir.‹

      ›Du kleines, liebes Kerlchen‹, sagte der Schneider, ›ich habe allerdings sehr viel Arbeit, die bis morgen früh fertig sein muß, aber ich will dir trotzdem gern helfen. – Führe mich.‹

      Das Männchen führte den Schneider tief in den Wald hinein. Endlich machte es halt und wies auf einen am Boden liegenden Baumstamm.

      ›Nimm ihn fort‹, bat das Männlein, ›damit ich wieder in meine unterirdische Wohnung kann.‹

      Der Schneider packte wacker zu, doch der Baum war so schwer, daß ihm die Schweißtropfen über das Gesicht liefen. Der Baum rührte sich nicht.«

      »Oh, Mutti«, sagte Pucki, »so einen dicken Baum, wie er im Walde liegt, bekommt ein dünner Schneider überhaupt nicht weg. Das hätte er gar nicht erst zu versuchen brauchen. Das kann nicht mal der Vati.«

      »Hast recht, Pucki, doch das Heinzelmännchen bat den Schneider mit Tränen in den Augen. So quälte er sich eine Stunde nach der anderen –«

      »Er kriegt ihn doch nicht weg, Mutti. – Ich habe mal zugesehen, wie sich zwei Leute mit so was abquälten.«

      »Der liebe Gott hat dem Schneider, weil er so tapfer helfen wollte, ganz plötzlich viel Kraft gegeben; und als der Morgen graute, gelang es ihm, den Baumstamm von der Stelle zu rücken.«

      »Dann muß der liebe Gott wohl ein bißchen mitgerückt haben. Der Schneider allein hätte das wohl nicht fertig gebracht. Ich will mal den Vati fragen, der wird auch wohl sagen, daß ein Schneider allein sowas nicht schaffen kann.«

      »Es ist dem Schneider aber doch gelungen. Das Männchen bedankte sich herzlich und sagte: ›Nun warte noch zehn Minuten und ruhe dich aus, denn du bist sehr müde.‹ Dann zog es eine winzig kleine Pfeife hervor. Da huschten aus dem Loch etwa fünfzig kleine Heinzelmännchen heraus, die tuschelten mit dem Kerlchen, das den Schneider in den Wald geführt hatte und liefen eiligst davon. Der Schneider wollte durchaus heimgehen, weil noch sehr viel bis morgen fertig werden sollte, doch das Männchen sagte wieder: ›Warte noch ein Weilchen.‹

      Endlich war der Schneider ein wenig ausgeruht und ging eilig zurück in seine Schneiderstube. – Aber, o Wunder – alles war genäht, die Anzüge fix und fertig, denn die guten Heinzelmännchen, denen der brave Schneider geholfen hatte, waren nach der Werkstatt gelaufen und hatten die Arbeit beendet.«

      »Können die Heinzelmännchen denn so nähen wie ein Schneider?«

      »Die Heinzelmännchen können alles.«

      Puckis Augen wurden groß. »Können sie auch einen Lampenteller sticken?«

      »Ja, Pucki, aber dem Vati würde es keine Freude machen, wenn seine Tochter ihm nicht selbst das Geschenk gearbeitet hätte. Du brauchst die Heinzelmännchen nicht.«

      »Kommen die Heinzelmännchen immer, wenn man sie ruft, Mutti?«

      »O nein – nur wenn Menschen in großer Not sind, und wenn sie immer gut waren.«

      »Na, dann will ich den Teller nur allein fertig sticken. – Ist es jetzt so richtig, Mutti?«

      »Ja, Pucki. – Sieh, nun hast du nur noch vier Sternchen zu arbeiten, dann ist er fertig, und das wirst du bis zum Donnerstag schaffen.«

      Die Heinzelmännchen gingen Pucki nicht aus dem Sinn. Gar zu gern hätte sie auch einmal solch ein kleines Kerlchen gesehen. So bat sie den Vater, er möge sie wieder einmal mit in den Wald nehmen, dorthin, wo die großen Baumstämme liegen. Der Vati hatte gleichfalls gemeint, wenn der liebe Gott dem Schneider nicht besondere Kräfte verliehen hätte, würde der es wohl kaum fertig gebracht haben, den Baumstamm fortzuschieben.

      Nun schaute das Kind aufmerksam an den Stämmen entlang, ob nicht irgendwo ein Loch zu sehen wäre. Doch der Vater lachte es aus, und unverrichtetersache kehrte Pucki wieder heim.

      Mittwoch nachmittag war der Lampenteller fertig. Pucki strahlte vor Freude. Die Pappe war allerdings ein wenig verbogen, aber Minna meinte, sie würde sie schon wieder gerade bekommen, sie wolle den Teller ein wenig pressen.

      »Jetzt lege ich dem Vati auf den Teller noch einen Zettel, darauf schreibe ich meinen Namen.«

      »Du kannst ja noch nicht schreiben, Pucki.«

      »Doch – meinen Namen schreibe ich. – Paß mal auf.«

      Pucki ging hinüber in des Vaters Arbeitszimmer. Die Eltern waren nicht daheim, Minna war mit den Kindern allein im Hause. Pucki nahm den Federhalter und ein Stück Papier und machte darauf die verschiedensten Striche, an die sie zum Schluß das gelernte »i« hing. Zum Schluß kam noch ein dicker Punkt über das i. Dazu tauchte sie die Feder tief in die Tinte. Da fiel ein dicker, schwarzer Tropfen auf den schön gestickten Lampenteller.

      Das Kind erschrak. Im ersten Augenblick dachte die Kleine, die Schiefertafel vor sich zu haben. Sie legte drei Finger an die Zunge und fuhr mit ihnen hastig über den Tintenfleck hinweg.

      »Oh – oh –!« Die Tinte verwischte sich über den Teller, über die mühevolle Stickerei und machte das Geschenk unbrauchbar. »Minna! – Minna!«

      Pucki stürmte in die Küche, hielt der treuen Hausgenossin den Lampenteller hin, und während