Gisela Reutling

Mami Staffel 3 – Familienroman


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sie provokant und erschreckte ihn so, daß er das Hemd fallen ließ.

      Detlefs angestrengtes Gesicht lief jetzt dunkelrot an.

      »Du, Beate? Du kommst hierher? Morgen wär’ ich bei dir gewesen!« Dann bemerkte er ihre Reisetasche. »Was ist los? Um Himmels willen! Is’ was mit Sandro?« Weil sie wortlos den Kopf schüttelte, bückte er sich nach dem Hemd und hielt es hoch. »Ich wollt’ dich morgen fein zum Essen ausführen. Ist doch Pfingsten!«

      »Ach!« erwiderte sie gereizt. »Ich dachte, deine Verwandten erwarten dich. Der junge Mann sagte es.«

      Das Hemd landete auf dem Bügelbrett, denn Detlef ging jetzt auf sie zu, nahm sie in den Arm und zog sie aufseufzend an sich.

      »Das sag’ ich doch nur, weil ich mich nicht trau’, mit der schäbigen Wahrheit rauszurücken. Helmut, der Bursche, verbringt jeden freien Abend mit seiner Freundin. Soll ich ihm eingestehen, daß meine geliebte Beate mich nur einmal im Monat bei sich duldet, weil ich ihrem Neffen Sandro nicht begegnen soll? Und das, weil der Knirps nicht spüren darf, daß es noch einen Mann in ihrem Leben gibt, der sich zwischen sie und den Elfjährigen stellen könnte? Nein, Beate, das kannst du nicht von mir erwarten. Ich bin ein alter Mann, aber meinen Stolz laß ich mir nicht nehmen.«

      »Aber ich liebe dich doch, Detlef!« beteuerte sie erschrocken. Er sah sie nur zweifelnd an. Beate machte eine Handbewegung, die ihre ganze Hilflosigkeit verriet. »Darum bin ich gekommen, Detlef. Ich muß einige Tage bei dir bleiben. Ohne Sandro werde ich in meinem Haus verrückt. Er ist für eine Woche bei Klaudia, und ich werde nachts keinen Schlaf finden, weil ich immer daran denken muß, wie lange es noch dauert und sie ihn endgültig in ihre Fänge zieht.«

      Detlef nahm ihre Hände und legte sie auf seine Schultern. Er verbarg sein Gesicht in ihrer Halsbeuge und schloß die Augen.

      »Wie oft soll ich dich noch anflehen, meine Frau zu werden, Beate? Was kann ich tun, um dir zu beweisen, daß ich mich niemals zwischen dich und Sandro stellen werde, auch nicht, wenn wir ein Ehepaar sind?«

      »Nichts«, flüsterte sie. »Du kannst nichts tun. Sandro mag dich nicht. Das weiß ich. Er wird sich bei Klaudia beklagen, und die kann sich dann an das Internat erinnern, von dem Reinhard sprach. Wenn sie ihm davon erzählt, wird er vielleicht den Wunsch äußern, mich zu verlassen. Nein, das ertrage ich nicht.«

      Detlef rührte sich nicht. Er klammerte sich an sie, als fürchte er, ein Zentimeter Luft zwischen ihnen könnte Beate dazu veranlassen, sofort wieder umzukehren.

      Behutsam fuhr ihre Hand durch sein graues Haar. »Kann ich trotzdem bei dir bleiben, Detlef? Bitte!«

      Er nickte stumm, und sie atmete auf.

      »Ich werde auch dein Hemd bügeln. Mach ein wenig Ordnung. Den Kalbsbraten für morgen habe ich im Auto. Ich kann ihn zubereiten.«

      »Wenn du wirklich bei mir bleibst, Beate, dann mampf ich auch Hühnerfutter.«

      Sie lächelte, schloß die Augen und ließ sich von ihm küssen.

      »Über alles andere sprechen wir später, mein alter Döskopp!«

      *

      »Also, den roten Teppich konnte ich nicht mehr für euch auslegen«, entschuldigte Kai sich und breitete eine rotkarierte Decke über den Gartentisch. »Die muß reichen. Dafür habe ich aber Kartoffelsalat geschnipselt. Magst du den, Sandro?«

      Sandro schaute diesen Mann unentwegt an. Der sogenannte alte Freund von Klaudia sah wie ein richtiger Sportler aus. Er war braungebrannt, hatte hellblaue, aber ausdrucksvolle Augen. Die etwas zu große Nase in seinem Gesicht störte überhaupt nicht. Nicht mal die feinen grauen Strähnen, die sich an den Schläfen durchs Blondhaar zogen, erinnerten an Onkel Detlef.

      »Na, was ist? Magst du Kartoffelsalat?« wiederholte Kai.

      »Klaudia hat… Klaudia hat was in ihrem Auto. Vom Italiener, Schinken und Käse und so.«

      »Das ist dir lieber, wie?«

      »Nöö.« Sandros junges Gesicht wurde verlegen. »Ich mein nur, sie kann ja nicht kochen.«

      Mit einem Schmunzeln zuckte Kai die Schultern. »Ich weiß.«

      »Dafür kann sie aber eine Menge anderer Sachen«, ereiferte Sandro sich sofort. »Sie ist Modechefin bei ›Mega‹ und spricht total gut Englisch und Französisch. In Paris, Rom und London fühlt sie sich wie zu Haus. Sie war auch schon paar Mal in der Karibik.« Er überlegte, was sie noch vollbracht hatte. »Das Haus meines Vaters hat sie weiß streichen lassen. Er wollte es nicht, aber sie hat sich durchgesetzt. Vielleicht macht sie eines Tages sogar den Pilotenschein oder reitet auf einem Elefanten durch den Dschungel.«

      »Ich verstehe«, gab Kai beeindruckt zu. »Du liebst und bewunderst sie. Das finde ich prima.«

      »Sie ist ja auch meine Stiefmutter«, betonte Sandro, als bliebe ihm gar nichts anderes übrig, als Klaudia von Herzen liebzuhaben. »Wenn ich nächstes Jahr über sechzehn bin, werd’ ich sie beschützen wie ein Mann.«

      »Klar. Ich hab’ schon kapiert.«

      Das entsprach der Wahrheit. In den letzten zwei Monaten gelang es Dr. Kai Hoffmann besser denn je zuvor, die Gefühle anderer Menschen nachzuempfinden oder zu teilen. Seitdem er sich zu seiner Neugier und der Freude auf ein Wiedersehen mit Klaudia bekannt hatte, sah er die Welt mit anderen Augen. Und seit Ostern spürte er nur noch einen Wunsch: Klaudia zu helfen.

      Vor acht Wochen war sie ihm strahlend schön auf der Hochzeit von Ralf und Rena entgegen gekommen, als habe sie diesen Tag ebenso lange herbeigesehnt und ganz vergessen, auf welch schmerzliche Art es zum Bruch zwischen ihnen gekommen war. Und er sah ihr zauberhaftes Lächeln und war gleich verloren. Um so mehr genoß er es, als sie beim Austausch gemeinsamer Erinnerungen mit unverfälschter Wehmut über vergangene Zeiten sprach und ihm zu verstehen gab, wie sehr sie ihre kalte Haltung von damals bereue. Spät am Abend der Hochzeit hatte er sie mutig gefragt, ob er sie Ostern besuchen dürfe.

      »Wenn du mir nicht mehr grollst, Kai? Es wäre sehr wunderbar!«

      Er hörte noch immer den Klang ihrer Stimme. Er sah noch immer ihre Augen, die dabei nicht blitzten, sondern wie von Hoffnung erhellt wunderschön leuchteten. Damit hatte sein zweites Leben begonnen.

      »Ich habe gehofft, ihr beiden deckt wenigstens den Tisch!« schalt Klaudia in diesem Moment. »Ein Tischtuch allein reicht doch nicht!« Sie lachte und hievte den Korb mit den italienischen Delikatessen auf den Tisch. »Los, Jungens, Besteck und Teller holen!«

      »Wo sind die denn? Ich kenn mich hier doch nicht aus«, entschuldigte Sandro sich.

      »Komm mit, ich zeig’s dir.« Aber bevor Kai mit dem Jungen im Haus verschwand, umarmte er Klaudia und küßte sie flüchtig auf die Wange.

      Sofort verdüsterte sich Sandros Gesicht, aber er folgte dem »alten Freund« ins Haus.

      »Wollen Sie sie eigentlich heiraten?« fragte er unvermittelt, als Kai einen Stoß Teller aus dem Schrank nahm. Der hätte das Geschirr fast fallen gelassen.

      »Heiraten?« Er schnappte nach Luft.

      »Sie haben sie doch gern, oder? Wenn man eine Frau nicht gern hat, küßt man sie nicht.«

      Kai verbarg sein Lächeln recht gekonnt. »Ich habe Klaudia ja schon vor zehn Jahren gern gehabt. Dann verloren wir uns aus den Augen und trafen uns jetzt wieder. Natürlich habe ich sie sehr gern. Aber…«

      »Sie sind also doch wie Onkel Detlef«, stellte Sandro enttäuscht fest. »Der hat auch so gelabert, als ich ihn gefragt habe.«

      Klaudia, die den Korb geleert hatte und den beiden in die Küche gefolgt war, bekam das gerade mit. Sie starrte Sandro an.

      »Was hat Detlef Barmfeld gelabert? Du hast ihn tatsächlich gefragt, ob er Beate heiraten will? Bist du übergeschnappt?«

      »Nicht die Bohne. Mußte doch wissen, was er von ihr will.«

      Ihr Blick verriet Empörung, aber darunter zeichnete