Reinhard Pohanka

Die Herrscher und Gestalten des Mittelalters


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       VLAD TEPES III., DER PFÄHLER

       WALTHER VON DER VOGELWEIDE

       WIDUKIND

       WILLIAM VON OCKHAM

       WILHELM I. VON ENGLAND, DER EROBERER

       WOLFRAM VON ESCHENBACH

       JOHN WYCLIF

      PETER ABAELARD

      (1079–1142)

      Die traurige Geschichte von Abaelard und Heloïse, er wurde entmannt, und sie ging ins Kloster, hat durch die Jahrhunderte Schriftsteller und Moritatensänger inspiriert. Dabei war Peter Abaelard einer der hellsten Geister seiner Zeit, er war umstritten wie streitbar, ein Rebell, der sich mit jedem, der in seine geistige Nähe kam, anlegte, und war dennoch der bedeutendste Vertreter der Früh-Scholastik im Mittelalter.

      Als Sohn eines Ritters 1079 in Le Pallet bei Nantes geboren, war er für die militärische Laufbahn bestimmt, fand aber keinen Gefallen am Soldatenleben und widmete sich lieber den Studien. Bereits in jungen Jahren verließ er die Burg der Eltern, schlug sich als wandernder Schüler durch und besuchte die angesehensten Lehrer seiner Zeit. Sein Weg führte nach Paris, wo die besten Schulen seiner Zeit, Universitäten konnte man sie noch nicht nennen, existierten. Abaelard fand Aufnahme in der berühmten Kathedralschule und studierte hier Rhetorik unter dem »scholasticus« William von Champeaux.

      Mit William scheint der junge Abaelard nicht gut ausgekommen zu sein, bei mehreren Disputen konnte er ihn widerlegen, und die anderen Studenten kamen lieber zu ihm als zu William. Schon bald dachte Abaelard darüber nach, seine eigene Schule zu eröffnen, vermutlich war William durchaus erleichtert, den ehrgeizigen jungen Mann wieder ziehen zu sehen. Abaelard gründete 1102 eine Schule in Melun, die er anschließend nach Corbeil verlagerte. Sie erfreute sich rasch großer Beliebtheit, Abaelard musste aber von 1105 bis 1108 wieder zu seiner Familie in die Bretagne zurückkehren, sei es wegen Krankheit oder weil William sich mit Erfolg gewehrt hatte und Abaelard nicht mehr unterrichten durfte.

      1108 konnte er nach Paris zurückkehren und hier auch lehren, musste aber auf Williams Druck auf den Genovevaberg nahe Paris übersiedeln. 1113 studierte er bei Anselm von Laon Theologie, er unterrichtete auch, und wieder übertraf er seinen Lehrer an Beliebtheit, worauf ihm Anselm die weitere Lehre untersagte. Abaelard unterrichtete als Hauslehrer und traf dabei die liebreizende Heloïse, die Nichte des Kanonikers Fulbert. Heloïse wurde bald von Abaelard schwanger und brachte in Le Pallet den gemeinsamen Sohn Astrolabius zur Welt. Abaelard willigte ein, Heloïse zu heiraten, wenn die Ehe geheim bliebe, da er um seinen Ruf als Lehrer fürchtete. Allerdings machte Fulbert die Ehe bekannt, worauf Heloïse aus Liebe zu Abaelard ins Kloster ging. Fulbert gab die Schuld an dieser Entwicklung Abaelard, ließ ihn überfallen und entmannen, was dieser nur knapp überlebte.

      Abaelard zog sich ins Kloster St. Denis zurück, seine Thesen, Vorlesungen und Schriften riefen jedoch seine Gegner auf den Plan, die ihn 1121 zwangen, auf der Synode von Soissons seine Schrift »Theologia Summi boni« eigenhändig ins Feuer zu werfen. Bald danach geriet Abaelard in Streit mit dem Abt seines Klosters St. Denis und zog sich in die Champagne zurück, wo er eine Einsiedelei, Paraclet genannt, gründete. Auch hierher folgten ihm seine Studenten, so dass sich Abaelard einen größeren Ort zum Unterrichten suchen musste. Er ließ sich zum Abt des Klosters Saint-Gildas-en-Rhuys in der Bretagne wählen, während er den Paraclet den Nonnen von Argenteuil, deren Priorin Heloïse war, schenkte.

      Auch in St. Gildas war ihm keine Ruhe beschieden. Er versuchte, das Kloster zu reformieren, und brachte die Mönche so gegen sich auf, dass sie mehrere Attentate auf ihn verübten. Abaelard kehrte nach Paris auf den Genovevaberg zurück. Auch hier hatte er Feinde, der bedeutendste war der Kirchenlehrer

Bernhard von Clairvaux. Dieser ließ ihn 1140 auf der Synode von Sens der Häresie anklagen, jeder Versuch Abaelards, sich zu verteidigen, wurde unterbunden, seine Schriften wurden verbrannt, und Papst Innozenz II. verurteilte ihn zum ewigen Schweigen.

      Abaelard wollte nun selbst nach Rom gehen, um sich vor Papst Innozenz II. zu verteidigen, eine Krankheit zwang ihn aber zu einem Aufenthalt im Kloster von Cluny. Dessen Abt war der berühmte Peter Venerabilis, Theologe, Kirchenreformator und ein offener Geist, der die erste Koran-Übersetzung ins Lateinische in Auftrag gegeben hatte. Venerabilis, der eine sehr ausgleichende Persönlichkeit gewesen sein muss, konnte die beiden Feuerköpfe Abaelard und Bernhard versöhnen und erreichte, dass das Urteil des Papstes aufgehoben wurde, allerdings starb Abaelard nur wenig später am 21. April 1142 in St. Marcel, einem Priorat von Cluny.

      Als Heloïse von seinem Tode erfuhr, erbat sie sich den Leichnam Abaelards, der von Peter Venerabilis nach dem Paraclet überführt und dort bestattet wurde. 22 Jahre später fand Heloïse ihr Grab neben ihrem geliebten Ehemann. In der französischen Revolution wurde der Paraclet verwüstet, und das Grab verschwand, was bleibt, ist die Erinnerung an einen außergewöhnlichen Lehrer und zwei unglücklich Liebende, die ihre Liebe auch dann weiterlebten, als eine körperliche Vereinigung nicht mehr möglich war.

      Was hat aber Abaelard so ausgezeichnet, dass man ihn zeit seines Lebens entweder bewunderte oder verfolgte und er bis heute den Ruf eines Ketzers in der Kirche hat? Abaelard hat sich gegen jede theologische und philosophische Strömung gewandt, welche die Kirche im 11. Jahrhundert beherrschte. Im Universalienstreit, in dem es darum ging, ob Ideen eine eigene Existenz haben, die notwendigerweise auf Gott zurückgeführt werden müsse, schloss Abaelard, dass die Universalien nur Wörter sind, die vom Menschen zur Bezeichnung von Dingen festgelegt werden. Soweit sie sich auf sinnlich konkret Wahrnehmbares beziehen, sah Abaelard in ihnen nur Benennungen, soweit sie sich auf sinnlich nicht Wahrgenommenes beziehen, handelt es sich um echte Allgemeinbegriffe.

      Weiteren Ungemach handelte sich Abaelard ein, als er in seiner Schrift »Sic et non« (Ja und Nein) den Kirchenvätern, darunter

Augustinus, zahlreiche Irrtümer nachwies, damit den Dogmatismus der Kirche herausforderte und meinte, dass neues Wissen nur aus der Textkritik entstehen kann, und damit wesentlich zum Entstehen der scholastischen Methode beitrug. In seinen ethischen Ansichten wies Abaelard darauf hin, dass nur die innere Haltung des Menschen wertbar sei und den Maßstab für das Urteil Gottes bilden könne, was allen Formen der kirchlichen Einflussnahme auf das Seelenheil, wie etwa den Verkauf von Ablässen, zuwiderlief.

      In seinen theologischen Schriften forderte er zum Dialog zwischen den Religionen Christentum, Judentum und Islam auf und wies die Erbsünde nur Adam und nicht dem einzelnen Christen zu. Für ihn galt, dass, wenn der Mensch seine Vernunft schärfen und einsetzen würde, dann müsste er von selbst zum Glauben finden, da man nur glauben kann, wenn man auch versteht, was man glaubt.

      Abaelard war der Hauptgegner der konservativen Kräfte in der Kirche, hatte aber keine langfristige Wirkung im Mittelalter, was durch das Verbot seiner Schriften wie auch durch seinen Ruf als Ketzer begründet werden kann, er hat aber andere Theologen wie

Peter Lombard und
Thomas von Aquin beeinflusst. Manchmal wird Abaelard auch als einer der Gründer der Pariser Universität betrachtet, seine Gedanken der religiösen Toleranz, seine Meinung über den Einzelnen und die Ansicht, dass Vernunft und Zweifel die Wege zur Erkenntnis sind, gelten bis heute als modern. Seine Liebe zu Heloïse hat Schriftsteller wie Jean-Jacques Rousseau, Ludwig Feuerbach und Luise Rinser zu Werken inspiriert.