Reinhard Pohanka

Die Herrscher und Gestalten des Mittelalters


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MAGNUS

      (1193/1200–1280)

      Albertus Magnus war der größte deutsche Philosoph des Mittelalters und auch eines der größten Universalgenies seiner Zeit. Seine Kenntnisse umfassten nicht nur die Philosophie, sondern auch die Naturwissenschaften, die Theologie und die Scholastik.

      Geboren wurde Albertus Magnus aus der adeligen Familie der Grafen von Bollstädt zwischen 1193 und 1200 in Lauingen an der Donau im bayrischen Schwaben. Er dürfte schon in seiner Jugend eine umfassende Erziehung erfahren haben, danach ging er an die Universität in Padua und trat dort 1223 dem Orden der Dominikaner bei. Seine Studien vervollständigte er in Bologna, Paris und Köln.

      Nach seiner Studienzeit lehrte er Theologie in Hildesheim, Freiburg im Breisgau, Ratisbon, Straßburg und Köln, ehe er 1245 nach Paris ging, um hier seinen Doktortitel in Theologie zu empfangen. Bereits in Köln wurde er zum Lehrer des jungen

Thomas von Aquin, erkannte hier bereits dessen Genie und sagte ihm eine glänzende Karriere voraus. Thomas folgte Albertus nach Paris und ging mit ihm weiter nach Köln, wo die Universität eine neue Form des Studiums, das »Studium generale«, eingerichtet hatte. Albertus wurde zum Rektor der Universität ernannt, Thomas zum Vorsteher der Studentenschaft.

      1254 wählte man Albertus zum Provinzial des Dominikanerordens in Deutschland, 1256 finden wir ihn in Rom, um die Bettelorden vor Papst Alexander IV. gegen Angriffe zu verteidigen. 1257 legte er das Amt des Provinzials nieder, um sich ganz seinen Studien zu widmen. 1260 übernahm er das Amt des Bischofs von Ratisbon, das er bis 1262 innehatte, um sich dann wieder nach Köln zu Studien und zur Lehrtätigkeit zurückzuziehen.

      In den verbleibenden Jahren widmete er sich theologischen und naturwissenschaftlichen Studien und wurde von den Päpsten als Ratgeber geschätzt. 1274 reiste er auf Bitten von Papst Gregor X. zum Konzil von Lyon und nahm dort an den Beratungen teil.

      Der Tod seine Lieblingsschülers Thomas von Aquin im Jahre 1274 war ein schwerer Schlag für Albertus. Als 1277 durch den Pariser Bischof Stephan Tempier Tendenzen auftraten, die Schriften des Thomas von Aquin als häretisch zu verbieten, reiste er trotz seiner 84 Jahre nach Paris, um die Lehren seines Lieblingsschülers erfolgreich zu verteidigen.

      1278 erfasste ihn eine schwere Krankheit, sein Gedächtnis ließ ihn im Stich, und seine körperlichen Kräfte, geschwächt durch seine vielen Reisen und die Prinzipien des mönchischen Lebens, die er trotz seiner Erfolge stets einzuhalten versucht hatte, ließen nach. Albertus Magnus starb 1280 in Köln, begraben wurde er in der Krypta von St. Andreas. 1622 wurde er von Papst Gregor XV. selig gesprochen, die Heiligsprechung erfolgte im Jahre 1931.

      Das Werk des Albertus Magnus umfasst 70 handschriftlich verfasste Abhandlungen und verschaffte ihm den Ehrentitel eines »Doctor universalis«. Albertus wollte das gesamte Wissen seiner Zeit erfassen und in Lehrbüchern niederschreiben. Eine erste Gesamtausgabe seiner Werke erschien 1651 in Lyon in 21 Bänden, die zweite zwischen 1890-99 in Paris. Die Themen seiner Werke umfassen die Logik, Physik, Biologie, Psychologie, Moral, Politologie, Metaphysik und Theologie sowie Werke über Alchemie. In seinen Arbeiten, die durchaus schon enzyklopädisch zu nennen sind, beschritt er in vielen Teilbereichen als Erster den wissenschaftliche Ansatz einer Klassifizierung, wie in den Arbeiten zur mitteleuropäischen Flora und in seinen Beschreibungen der Geografie der Welt. Bahnbrechend waren auch seine Arbeiten in der Mineralogie, für die er eine erste Systematik entwickelte. Albertus Magnus arbeitete das gesamte Wissen seiner Zeit durch und versuchte, den christlichen Glauben mit den Lehren der naturwissenschaftlichen Philosophie eines Aristoteles zu verbinden. Es gelang ihm allerdings nicht, alle diese Disziplinen in eine geschlossene Systematik zu überführen, dies sollte erst seinem größten Schüler Thomas von Aquin, der ihn in manchen Teilbereichen übertroffen hat, gelingen.

      Für Albertus Magnus gab es keinen Unterschied zwischen den Wissenschaften und der Philosophie. Als Wissenschaftler, der sich nicht, wie zu dieser Zeit üblich, auf die Theorie beschränkte, sondern auch praktische Versuche durchführte, scheute er sich nicht zu verkünden, dass auch Aristoteles, der als die unumstößliche Autorität galt, geirrt hatte. Sein für seine Zeitgenossen unglaubliches Wissen ließ Legenden entstehen, dass er mit dunklen Mächten im Bunde und ein Magier gewesen sei.

      Gemeinsam mit

Roger Bacon postulierte er, dass die Wissenschaften und die kirchlichen Lehren einander nicht ausschließen, sondern Hand in Hand gehen können. Albertus versuchte aber mit einer gewissen Vorsicht, seine neuen Erkenntnisse mit den kirchlichen Lehren in Einklang zu bringen und die kirchlichen Dogmen nicht allzu radikal in Frage zu stellen. Seine Methode war geschickt, erst sammelte er alles Wissen seiner Zeit, überprüfte es, wo nötig in Experimenten und veröffentlichte seine Ergebnisse in Form von Kommentaren zu den Werken des Aristoteles. Manchmal versagte er sich auch eine eigene Meinung, weil er Angst hatte, sie könnte zu fortschrittlich sein. Albertus vermutete, dass die Erde eine Kugel sei, und sagte die Existenz eines Kontinentes im Westen des Atlantiks voraus.

      Seine Leistung für die Philosophie besteht im Kommentar aller Werke des Aristoteles und in der Hinzuziehung weiterer antiker Quellen bei der Interpretation der aristotelischen Philosophie. Damit bereitete er die klare Aufgabentrennung zwischen Philosophie und Theologie vor, die Thomas von Aquin dann ausarbeitete.

      Albertus Magnus hebt ausdrücklich die Natur in ihrer Eigenständigkeit hervor und sieht es als Aufgabenbereich der Philosophie an, sie zu untersuchen. In der Natur laufen die Phänomene aufgrund des Wirkens natürlicher Kräfte und Gesetzmäßigkeiten ab, damit hat der Glaube keine Bedeutung für die Vorgänge in der Natur. Albertus betont, dass der Mensch ohne Rückgriff auf theologische Überzeugungen in gewissem Sinne zur Vollendung zu gelangen vermag. Diese Vollendung besteht darin, dass die Vernunft die ihr gemäße Aufgabe erfüllt.

      ALEXANDER NEWSKIJ

      (1220–1263)

      Wenn es heute ein russisches Staatsgebilde gibt, so geht dieses auf einen Mann zurück, der wie kein anderer in der russischen Geschichte als Volksheld gilt, Alexander Jaroslawitsch, mit dem Beinamen Newskij.

      Als Alexander am 30. Mai 1220 in Wladimir als Sohn des Fürsten Jaroslaw II. Wsevoldowitsch von Nowgorod zur Welt kam, gab es noch kein russisches Reich. Beherrscht wurde das Land von einzelnen unabhängigen Fürstentümern, an deren Spitze Kiew stand.

      Nur wenige Jahre nach seiner Geburt war es mit der russischen Selbstständigkeit vorbei. Die Mongolen der Goldenen Horde, die sich vom Staat des Dschingis Khan unter ihrem eigenen Groß-Khan Batu abgespalten hatten und ein eigenes Reich zu errichten suchten, stießen aus den innerasiatischen Steppen gegen Westen vor und brachten die russischen Teilfürstentümer mit Ausnahme von Nowgorod unter ihre Kontrolle. Nominell blieben die russischen Fürstentümer unabhängig, mussten aber den Groß-Khan als oberste Instanz und mongolische Steuerbeamte dulden.

      Die Goldene Horde wurde 1236 von Batu Khan, einem Enkel Dschingis Khans, gegründet. Ihre Hauptstadt war bis 1342 Alt-Sarai im Wolgadelta, danach das weiter nördlich an der Wolga gelegene Neu- oder Berke-Sarai, das heutige Saratow.

      Die Mongolen waren nicht die alleinige Bedrohung für die russischen Fürstentümer. Von Norden über Finnland und die Ostsee drängten die Schweden nach Russland und über die Baltischen Staaten die deutschen Schwertritter, der Ritterorden der Brüder der Ritterschaft Christi in Livland.

      Als Alexander 16 Jahre alt war, wurde sein Vater Jaroslaw II. von den Mongolen als Herrscher über Kiew bestätigt und überließ seinem Sohn das Fürstentum Nowgorod. Nur vier Jahre später kam Alexanders erste Bewährungsprobe. Die Schweden hatten die Mündung der Newa besetzt und drohten die russischen Fürstentümer von der Ostsee und damit vom lukrativen Handel mit den Hansestädten Nordeuropas abzuschneiden. Dabei wurden sie von Papst Gregor IX. unterstützt, der den Russisch-Orthodoxen skeptisch und feindlich gegenüberstand. Alexander sammelte sein Heer aus den Bojaren – den freien Bauern – und schlug am 15. Juli 1240 die Schweden an der Newa, etwa an jener Stelle, an der später St. Petersburg entstehen sollte. Aus dieser Schlacht