Bernhard Hubmann

Die großen Geologen


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die sich Metalle unter dem Einfluss konzentrierter Strahlung der Planeten auf das Zentrum der Erde entstanden vorstellten. Der Name Alchemie leitet sich vom arabischen »al-kimiya« her und ist vermutlich als »schwarze Erde« im Sinne der schwarzen fruchtbaren Erde des Nildeltas zu interpretieren. Die Alchemisten waren nur teilweise auf der Suche nach der künstlichen Herstellung von Gold, dem sagenumwobenen »Stein der Weisen« oder dem Universallösungsmittel »Alkahest«. Sie waren, beeinflusst von den Schriften Aristoteles’ und Avicennas, von der Transmutation der chemischen Elemente, das heißt ihrer gegenseitigen Umwandelbarkeit, überzeugt. Alchemisten waren auch auf der Suche nach einem Allheilmittel. Für ihre Experimente nutzten sie vielerlei metallische Rohstoffe, aus denen sie, wie beispielsweise Paracelsus (mit dem bürgerlichen Namen Philippus Theophrastus Aureolus Bombastus von Hohenheim; 1493–1541), Arzneistoffe synthetisierten.

      Albertus Magnus (um 1200–1280; 1931 heilig gesprochen) schrieb während seiner Tätigkeit in Köln im Jahr 1269 ein Buch »De rebus mineralibus et rebus metallicis libri V« [»Fünf Kapitel über Minerale und Bergwerke«], worin er ein Mineralsystem aufstellte. Er untergliederte Steine, brennbare Stoffe, Salze und Erze. Unter Letzteren erwähnte er erstmals das Silber von Freiberg. Die Genese von Erzadern verglich Albertus Magnus mit einem Destillationsvorgang. Die Erzadern stellen dabei die abkühlenden »Ausdünstungen« des heißen Erdinneren dar.

      Eine der wenigen Entdeckungen während dieser Periode wurde ebenfalls im Jahr 1269 von Petrus Peregrinus de Maharncuria (ca. 1220–?) in der Abhandlung »Epistola de Magnete« vorgelegt. Peregrinus beschrieb als Erster die Polarität der Magnete und hatte entdeckt, dass Magneteisenstein Eisennadeln entlang von »Längengraden« zwischen den »Polen« anordnet. Auch hatte er erkannt, dass gleiche magnetische Pole sich abstoßen und dass durch Zerbrechen zwei kleinere Magnete entstehen.

      Peregrinus’ Schüler Roger Bacon (1214–1292/94), ein englischer Franziskaner-Mönch, gilt als einer der ersten Verfechter der empirischen Methoden, d. h. jener Arbeitsweisen, die auf nachvollziehbaren Erfahrungen beruhen, die beschreib- und messbar sind. Seine Forderung, sich von den Autoritäten abzuwenden und die realen Gegebenheiten zu ergründen, nimmt bereits das diesseitsbezogene Denken der Renaissance vorweg.

      Um 1300 kamen unter dem Einfluss der aristotelischen Philosophie erste Zweifel am kurzen, von der Bibel vorgegebenen Alter der Erde auf. Jean Buridan (um 1300 – nach 1358), ein scholastischer Philosoph, Physiker und Logiker, entwickelte zu dieser Zeit die Vorstellung einer ewigen Welt, die Zyklen von »vielleicht hunderttausend Millionen Jahren« unterworfen ist.

      Einen wesentlichen Impuls erfuhren die naturwissenschaftlichen Fächer nach dem Untergang des Oströmischen Reiches durch die Eroberung von Konstantinopel im Jahr 1453, als es zur Auswanderung der von der griechischen Tradition beeinflussten Gelehrten nach Italien und den restlichen europäischen Ländern kam. Auch im Zuge der aufkommenden großen Entdeckungsfahrten gedachte man der alten Quellen, die man nun, im Vergleich zu den eigenen und selbstständigen Beobachtungen, kritisch interpretierte. Die Besinnung auf den »Urtext« machte letztlich auch vor der christlichen Kirchenlehre nicht halt, wie dies in Martin Luthers (1483–1546) Reformbestrebungen sichtbar wird.

      Der Kampf zwischen mittelalterlicher Scholastik, die nach »aristotelischem Muster« wissenschaftliche Fragen mittels theoretischer Erwägungen zu klären versuchte, und aufkommendem Empirismus der Renaissance verlief nicht undramatisch.

      In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts kamen zaghaft selbstständige naturwissenschaftliche Vorlesungen an den Universitäten auf. In Deutschland wurde 1517 Johannes Rhagius (auch Johannes Aesticampianus, 1457–1520) der erste Professor für »Plinianische Naturgeschichte« an der Universität Wittenberg.

      Erdwissenschaftliche Überlegungen stellte auch der »uomo universale« (= allgemeingebildeter Universalmensch) Leonardo da Vinci (1452–1519) in seinen Notizbüchern an, die er aber nicht veröffentlichte. Leonardo deutete Versteinerungen erstmals wieder als Überreste von Organismen und verneinte ihren ursächlichen Zusammenhang mit der Sintflut. Aus den Beobachtungen der Sedimentationsgeschwindigkeiten von Sandkörnern in strömenden Gewässern verwarf er das zu junge, aus den Bibeldaten abgeleitete Alter der Erde. Nach Leonardos Vorstellungen war die gesamte Erde einmal von Wasser bedeckt und danach mit fortschreitendem Alter aus den Tiefen des Meeres herausgewachsen. Er erkannte auch, dass bestimmte Schichten aufgrund ihrer Lithologie und ihrer Fossilien über weitere Distanzen verfolgt werden können, und dass die unterschiedlichen Schichten auch zu verschiedenen Zeiten gebildet wurden. Mit dieser Beobachtung hätte Leonardo da Vinci die stratigraphischen Prinzipien vorweggenommen, wie sie später William Smith (1769–1839) in den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts formulieren sollte (siehe S. 73).

      Die neuzeitliche Geologie wurde auch durch die zunehmende Erfahrung im Bergbau beeinflusst, der wiederum den aufkommenden gesteigerten Bedarf an Eisenerzen und Buntmetallen zu befriedigen hatte. In die Zeit der vermehrten Prospektion nach Erzen fällt die Tätigkeit des Ulrich Rülein von Calw (1465–1523), der ab 1485 an der Universität Leipzig studierte. Als man am Schreckenberg im mittleren Erzgebirge 1491 reiche Silbererzgänge entdeckte, erhielt Ulrich Rülein vom sächsischen Kurfürsten den Auftrag, eine »Neustadt am Schreckenberg« zu planen, die heutige Stadt Annaberg. 1497 wurde er durch die Stadt Freiberg zum Stadtphysikus (= vom Rat der Stadt angestellter Arzt) berufen. Hier wirkte er unter anderem auch als Bergbausachverständiger. Aus dieser Tätigkeit heraus entstand sein 1505 in Augsburg erschienenes Buch »Eyn wohlgeordnet und nützlich büchlein, wie man bergwerk suchen und finden soll«, das die erste wissenschaftliche Abhandlung über den Bergbau in Deutschland darstellt.

      Als schillernde Persönlichkeit der Bergbaukunde betrat Georgius Agricola (1494–1555) im Jahr 1530 mit seinem Werk »Bermannus sive de re metallica« [»Bermannus oder ein Gespräch vom Bergbau«] die Bühne der bedeutenden Erdwissenschaftler (siehe S. 43). Agricola war ein typischer Vertreter des Universalgelehrten der Renaissance, der den weiten Bogen zwischen Politik, Geschichte, Medizin und den Naturwissenschaften am aktuellen Stand der damaligen Zeit voll erfassen konnte. Seine geowissenschaftlichen Bücher, von denen das posthum erschienene Werk »De re metallica« [»Bergbau und Hüttenwesen«] sein Opus summum darstellt, wurden bis 1657 – also noch über 100 Jahre nach seinem Tod! – in mehreren Auflagen gedruckt.

      Ein Zeitgenosse Agricolas war der Schweizer Conrad Gesner (1516–1565), der als einer der berühmtesten Naturforscher und Gelehrten seines Landes gilt. Nach dem Medizinstudium übte Gesner zunächst den Beruf eines Lehrers aus, war später Professor der griechischen Sprache in Lausanne und ab 1541 Professor der Physik. 1554 wurde er als Oberstadtarzt in Zürich verpflichtet. Aufgrund seiner vierbändigen Abhandlung »Historia animalium«, welche postum um einen fünften Band ergänzt wurde, gilt Gesner als einer der Begründer der modernen Zoologie. In seinem Todesjahr 1565 erschien von ihm eine Sammlung gesteinskundlicher Traktate unter dem Titel »De omni rerum fossilium genere«, die eine Menge an Angaben über Fossilien, Mineralien und Edelsteine enthält. Im Traktat »De rerum fossilium, lapidum et gemmarum maxime, figuris & similitudinibus« der genannten Sammelschrift befindet sich die erste Darstellung eines Bleistifts mit Graphitmine.

      Ein weiterer Zeitgenosse Agricolas verdient Erwähnung, nämlich der Humanist Sebastian Münster (1488–1552). Nach einer kirchlichen Laufbahn (mit 17 Jahren Eintritt in den Franziskanerorden, mit 24 Priesterweihe, mit etwa 40 zum Protestantismus konvertiert) und zahlreichen Studien in Löwen, Freiburg i. Br., Roffach, Basel und Pforzheim, beschrieb er in seiner 1544 gedruckten »Cosmographia« unter anderem auch den Bergbau. Zudem berichtete Münster über Erze, Erdbeben, Vulkane, Vergletscherungen und Thermalquellen. Auch dieses Werk wurde in insgesamt 57 Auflagen bis 1657, also noch über Hundert Jahre nach dem Tod des Autors gedruckt. Die »Cosmographia« enthält als erste Publikation eine Abbildung einer Versteinerung aus dem Kupferschiefer von Mansfeld in Form eines Holzschnitts.

      Das »Zeitalter der Aufklärung« ist eine Epoche, die einen Emanzipationsprozess von »traditionellen«, aber überholten Vorstellungen, Vorurteilen und Weltanschauungen zu neu