Bernhard Hubmann

Die großen Geologen


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eines Gebirges ermittelt, könne man das Alter der Berge festlegen.

      Élie de Beaumont glaubte an die weltweite Gleichzeitigkeit der gebirgsbildenden Phasen, die man zur Untergliederung der Erdgeschichte heranziehen könne. Seine Deutung der Winkeldiskordanzen (= winkelige Lage von Schichten zueinander) für eine zeitliche Aussage war neu und wurde zu einem Eckpfeiler der Gebirgsbildungstheorien bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts.

      Einen weiteren wesentlichen Einfluss auf das Verständnis von Orogenen (= räumlich geschlossene, abgegrenzte Gebirgseinheiten) hatten die Vorstellungen des Amerikaners James Dwight Dana (1813–1895). Er nahm ebenfalls die Schrumpfung der Erde durch die Abkühlung nach ihrer glutflüssigen Entstehungsphase an und rechnete demgemäß mit Senkungen der Erdkruste. Daraus leitete er horizontale Spannungen ab, die durch Seitenschub zu Faltengebirgen führen sollten. Für die Senken, die die räumliche Ausdehnung des späteren Gebirges hatten und die für längere Zeiträume als Sedimentationsbecken fungierten, führte Dana den Begriff »Geosynklinale« ein. Der Wiener Geologe Eduard Sueß (1831–1914) hat diese Vorstellungen auf die alpinen Verhältnisse zur Anwendung gebracht (siehe S. 134).

      Im Sinne der Kontraktionstheorie errechnete der Schweizer Albert Heim (1849–1937) im Jahr 1878 das Einengungsausmaß für den alpinen Gebirgskörper und umriss die Theorie der Erdkontraktion mit dem bildlichen Vergleich der »Haut eines eintrocknenden Apfels, die allmählich für denselben zu groß wird und feine Falten bildend auf den schwindenden Kern nachsinkt« (siehe S. 140).

      Auf der Basis der Geosynklinaltheorie entwickelte Hans Stille (1876–1966), Professor der Geologie in Göttingen, Berlin und Hannover, um 1920 eine Theorie, die die Ähnlichkeiten im Aufbau der verschieden alten europäischen Gebirge zur Grundlage nahm. Der magmatisch-tektonische »Stille-Zyklus« beeinflusste bis in die 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts die großtektonischen Vorstellungen, gilt aber mittlerweile durch die allgemeine Akzeptanz der Theorie der Plattentektonik als überholt.

      Der »Stille-Zyklus« beschreibt Stadien der Gebirgsbildung, die mit dem Einsinken eines Grabensystems innerhalb der kontinentalen Kruste (vergleichbar dem heutigen ostafrikanischen Grabenbruch) beginnt und sich durch weitere Dehnungsbewegungen, die die kontinentale Kruste zerreißen, fortsetzt. Dadurch entsteht zunächst ein noch schmales Ozeanbecken, das sich zur »Geosynklinale« entwickelt, die von basischem Vulkanismus begleitet wird. Das weiträumige Becken nimmt durch die Absenkung ungeheure Mengen an Sedimenten auf, die sich als mächtige Ablagerungsserien dokumentieren. Schließlich kehrt die Extensionsbewegung um und die beiden Kontinentränder beginnen wieder, sich aufeinander zuzubewegen und die dazwischen angehäuften Sedimente aufgrund der räumlichen Verkürzung zu falten. Danach beginnt ein Stadium der Bruchtektonik, gefolgt von tektonischer Ruhe, die sich als Abschnitt der Einebnung des Reliefs äußert.

      Um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert führten die wissenschaftlichen Fortschritte in der Physik und Geophysik dazu, dass zwei Grundfragen der Geologie mit neuen Vorstellungen und Methoden in Angriff genommen werden konnten: die Frage nach den absoluten Altersdaten der Gesteine sowie die Kenntnis über den Aufbau des Erdinneren und die Beziehungen zur Erdkruste.

      Die Arbeitsweise nach dem Leitfossilprinzip blieb der Historischen Geologie erhalten, sie konnte nun aber auch »fossilfreie« Gesteine in einen größeren genetischen und paläogeographischen Zusammenhang eingliedern.

      Durch das inzwischen angehäufte Wissen, erweitert durch die genannten neuen methodischen Ansätze, verstrickten sich die Vorstellungen der weitgehenden Unveränderlichkeit der Kontinentalmassen in Raum und Zeit in unlösbare Widersprüche. Eng verwandte, durch Ozeane getrennte Tier- und Pflanzenarten auf verschiedenen Kontinenten ließen sich durch die Postulierung hebender und senkender Landbrücken nur wenig zufriedenstellend erklären. Diese und auch weitere Probleme führten zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem neuen, »mobilistischen Weltbild«.

      Bereits vor Alfred Wegener (1880–1930; siehe S. 153) war Forschern die Ähnlichkeit zwischen den Küstenlinien Afrikas und Südamerikas aufgefallen. So schreibt Alexander von Humboldt (1769–1859, siehe S. 85) »Man kann diese [amerikanischen] Gebirgsketten jenseits des Ozeans im alten Kontinent nach Osten hin verfolgen, und man erkennt, daß unter der gleichen Breite die alten Gebirge in den Gebieten von Pernambuco, von Minas, Bahia und Rio de Janeiro denen am Kongo entsprechen. Dieser Gedanke scheint weniger gewagt, wenn man die alte und die neue Welt als gewaltsam durch das Wasser getrennt ansieht.«

      Wegeners Überlegungen, die er erstmals am 6. Januar 1912 auf einer Sitzung der Deutschen Geologischen Gesellschaft in Frankfurt am Main publik machte, basierten vor allem auf folgenden Beobachtungen:

      Die Kontinente zeigen zwei unterschiedliche Küstentypen. Während der pazifische Typ küstenparallele Randgebirge aufweist, zeichnen die Ränder des atlantischen Typs sich durch Abbrüche von Tafelländern aus.

      Die Höhenverteilung auf der Erdoberfläche weist zwei Maxima auf, eines bei rund 100 Metern über dem Meeresspiegel, das andere rund 5000 Meter darunter. Wegener folgerte daraus, dass es einen grundsätzlichen Unterschied in der Zusammensetzung der kontinentalen und der ozeanischen Scholle gibt.

      Die Spuren der permokarbonischen Vereisung würden bei einer fixistischen Betrachtung der Kontinente vom Südpol bis in Gebiete nördlich des Äquators reichen.

      Auf den heutigen Südkontinenten ist eine vergleichsweise einheitliche Fauna und Flora (»Glossopteris-Flora«) bis in das Mesozoikum nachweisbar. Das bedeutet, dass bis zu jenem Zeitpunkt Verbindungen bestanden haben, die später aufgebrochen wurden.

      Diese Indizien veranlassten Wegener zur Vorstellung eines einstigen Großkontinents Pangäa (»alles Land«) in dem alle heutigen Kontinente einmal vereint waren. Dieser zerbrach in Teile, die durch die »Kontinentaldrift« auseinanderwanderten und das heutige Bild der Erde ergeben.

      Im ersten Drittel der 20. Jahrhunderts vertraten viele Geophysiker die Lehrmeinung, dass der Erdmantel als starr zu betrachten sei. Demgegenüber nahmen einige Wissenschaftler, wie beispielsweise der Geologe und Geophysiker Robert Schwinner (1878–1953), langsame Konvektionsströme im Erdinneren als treibende Motoren der mobilen Kontinente an. In seinem einflussreichen Lehrbuch »Principles of Physical Geology« aus dem Jahr 1944 formulierte schließlich der englische Geologe Arthur Holmes (1890–1965) die Vorstellungen aufsteigender Strömungen unter den kontinentalen Zerrstrukturen und ozeanischen Rücken sowie absteigender Strömungen unter Einengungsstrukturen.

      Den letzten Todesstoß für fixistische Modelle gaben die Amerikaner Harry H. Hess (1906–1969) und Robert S. Dietz (1914–1995) mit ihrer Idee des sich ausbreitenden Ozeanbodens, des »sea floor spreading«. Dieser Idee zufolge dringt unter den ozeanischen Rücken und den kontinentalen Dehnungsstrukturen Material an die Oberfläche und dehnt die Kruste aus. Gleichzeitig wird in Gebieten mit küstenparallelen Gebirgen altes Krustenmaterial wieder in den Mantel zurückgeführt.

      Mit diesen Erkenntnissen wurde in den 60er-Jahren eine global anwendbare geodynamische Theorie entwickelt, die auf ihren Vorgängertheorien basierte, aber deren Schwächen vermied. Die Fakten, die zum modernen plattentektonischen Modell führten, leiten sich aus dem heutigen Erscheinungsbild der Erde her. Die Plattentektonik ist also ein aktualistisches Modell, welches in anschaulicher Weise die heute direkt zu beobachtenden Vorgänge mit den geologischen Strukturen verbindet. Der erste Proponent und wesentliche Gestalter der Plattentektonik war der kanadische Geologe John Tuzo Wilson (1908–1993; siehe S. 173).

      In den folgenden Jahrzehnten wurden die Vorstellungen dieser »Global tectonics« die Grundlage für die geodynamische Erforschung der Orogene.

      Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden durch modernere, subtilere Methoden »neue Dimensionen« für die erdwissenschaftliche Forschung erschlossen. So hat zum Beispiel die Rasterelektronenmikroskopie die Nano-Dimension erschlossen, indem sie die Auflösung bis zu vier Zehnerpotenzen gegenüber dem Lichtmikroskop gesteigert hat. Die Mikrosonde wäre das Gegenstück für die petrographischen Arbeitsrichtungen, die feinste chemische Unterschiede unmittelbar am erdwissenschaftlichen Objekt analysiert. Aber auch die Dimension