Naturgott des Weines und der orgiastischen Ausgelassenheit, Bacchus, erscheint. Als Vorbild stand hinter der Komposition Claude Lorrains berühmtes Gemälde der Landschaft mit ländlichem Tanz (im Louvre) aus dem 17. Jahrhundert. Die Tanzszene spiegelt zugleich Corots Liebe zu Theater, Oper, Ballett und Musik wieder.
Eine unendlich subtil spürbare Musikalität durchdringt auch das Spiel von Licht und Schatten, den silbrig-grünen Farbton, der sich über alles legt. Die in bildparallelen Zonen aufgebaute Landschaft wird zum Ort eines zeittypischen synästhetischen Empfindens, wobei die mythischen Gestalten als Verkörperungen solcher in die Natur gelegten Sehnsüchte und Träumereien fungieren. Der Schriftsteller und Kunstkritiker Émile Zola merkte jedoch anlässlich seiner Besprechung des Pariser »Salons« von 1866 gerade zu solchen mythologischen Staffagen respektlos an, Corot solle doch endlich bereit sein, ein für alle Mal die Nymphen »umzubringen«, mit denen er seine Wälder bevölkert, und sie durch Bäuerinnen zu ersetzen. Dann würde er den Künstler maßlos, wie er sagt, lieben. Freilich, er wisse, dass zu diesem zarten Laub, zu dieser Ton in Ton gemalten, Feuchtigkeit atmenden Morgenröte ätherische Geschöpfe, in Dunst gehüllte Träume passen. Deshalb sei er manchmal versucht, sich vom Meister eine menschlichere, eine rauere Natur zu erhoffen, die nicht länger jene überlebten mythologischen Reminiszenzen zulasse.19
Trotz dieser Kritik aus »säkularisierter« Sicht an einer vom Künstler für notwendig erachteten mythologischen Staffage zeigt sich in dem Bild jenseits aller ikonografisch-symbolischen Implikate eine bewundernswerte malerische Qualität, deren Ausführung nun zunehmend lockerer und transparenter gerät. Der helle Himmel mit seinen duftigen Wolkenstreifen geht über in die sich im Licht auflösenden Äste und Blätter der Bäume. Die Raumillusion beschränkt sich mehr und mehr auf eine Vordergrundbühne. Das Kolorit durchsetzt sich auf feinste Weise mit silbrigen Tönen, deutlich bekundet sich eine Abkehr von der realistischen Landschaftsauffassung etwa eines Gustave Courbet und eine Rückbesinnung eben auf Claude Lorrain, aber auch auf Werke eines Antoine Watteau aus dem frühen 18. Jahrhundert. Unter den zahlreichen Impulsen, die auf Corot einwirkten, dürfen auch die niederländische Landschaftskunst der Barockzeit und die koloristischen Prinzipien des Engländers John Constable nicht vergessen werden.
Was indes Corots Leistung, was sein Œuvre von über zweitausend, meist auf höchstem Niveau angesiedelten Gemälden zu einer derart bahnbrechenden machte, war nicht allein die geniale Zusammenfassung bisheriger Traditionen in der Gattung Landschaftsmalerei, sondern mehr noch seine ahnungsvolle Hinwendung zum »Plein air«, also zur Freilichtmalerei und ihrer luminaristischen Erfassung des Atmosphärisch-Flüchtigen: Freilich, vollendet wurden die Bilder meist immer noch im Atelier. Nur wenige farbige Haupttöne, vor allem Erdgrün, silbriges Grau und Ocker mit ihren Ausmischungen wurden dabei dem Hell des Himmels kontrastiert.
Auf diesem Wege entstanden traumhafte, von einer geheimen Klassik durchtränkte Gegenbilder zur ökonomisch und touristisch vergewaltigten Natur, Bindeglieder zwischen der idealisch gesehenen Natur eines Claude Lorrain und den in Licht und Farbe vibrierenden Darstellungen der bald auf den Plan tretenden Impressionisten.
18 Stefani, Chiara (Hrsg.): Corot, un artiste de son temps. Louvre: Conférences et colloques. (Kongressbericht Paris-Rom 1996); neuere deutsche Monografien über Corot sind ein Desiderat.
19 Émile Zola: Schriften zur Kunst. Die Salons von 1866–1896. Aus dem Französischen von Uli Aumüller. Frankfurt a. M. 1988, S. 41
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