Susanne Lücke-David

Die Baustile


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in Frankreich

       Klassizismus in Deutschland

       Gothic Revival und Neugotik

       Um 1750 bis um 1820

       Historismus und Eklektizismus

       Um 1860-1895

       Jugendstil

       Um 1890-1910

       Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg

       Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg

       Postmoderne

       Dekonstruktivismus

       Quellennachweis der Abbildungen

      Vorwort

      Der vorgegebene relativ knappe Umfang dieses Buches macht es erforderlich, die Baukunst – also die Summe der Bauwerke – aus sehr großem Abstand wahrzunehmen und zu schildern. Dieser Abstand wiederum hat zur Folge, dass nur die markantesten Züge sichtbar bleiben und Details in der extremen Verkleinerung unsichtbar werden. Markant könnte man ein Bauwerk nennen, wenn es entweder per se als Kunstwerk hervorragend ist, etwa die Basilica von Gaudì in Barcelona, oder wenn es entwicklungsgeschichtliche Bedeutung hat, wie zum Beispiel der Bau des Gesù in Rom.

      Das Anliegen einer Stilfibel bedeutet auch insofern eine drastische Abstraktion, als es das ursprüngliche Erscheinungsbild eines Bauwerks in der Regel vernachlässigt. Der griechische Tempel war in Teilen farbig (in der Regel rot, blau und weiß), Kathedralen hatten ein farbiges Gewand: Die Wände waren mit Fresken oder Wirkteppichen „verhüllt“, Kapitelle und Basen farbig gefasst, im Barock wurde der Säulenschaft oft mit kostbaren Stoffen ummantelt. Das Anliegen einer Baustilfibel ist also ein ganz anderes, wenn man so will akademischeres.

      Dass diese Stilfibel zugleich zu einem Abriss der europäischen Stilgeschichte geworden ist, verdankt sie zunächst schlicht der chronologischen Präsentation des Materials, dann aber, wie schon angedeutet, vor allem der notwendigen Konzentration auf Bauwerke, Baumeister und bestimmte geografische Bereiche, die für die weitere Entwicklung einzelner Strömungen von wesentlicher Bedeutung sind.

      Wer sich mit „Stil“ befasst, sieht sich im Prinzip zwei Elementen gegenüber: einem konstanten einerseits und einer Vielzahl an variablen andererseits. Das konstante Element ist jeweils der Typus: So ist etwa eine Basilika zu allen Zeiten ein und dieselbe (ein erhöhtes Mittelschiff mit eigenem Lichtgaden und meist zwei, aber auch mehr Seitenschiffe). Das gilt für alle Zeiten, für die frühchristliche wie für die gotische oder die des Barock. Das Ornament dagegen ist die Variable und eigentlich das, an dem sich das, was wir „Stil“ nennen, am zuverlässigsten ablesen lässt. Relevante Aufschlüsse für eine Datierung gibt es allerdings nicht. Wir müssen immer mit Verzögerungen bei konservativen Baumeistern und Bauherrn rechnen, und auch in die Provinz gelangen manche Strömungen verspätet oder überhaupt nicht.

      So wie das Ornament selbst Wandlungen unterliegt, so ist auch sein Verhältnis zur Bausubstanz variabel. Wir beobachten einerseits, zum Beispiel in der Renaissance, eine klare Abgrenzung beider zueinander, sodass sich das Ornament von seinem Träger (der Bausubstanz) trennen ließe, ohne dass der letztere Schaden nehmen würde, ein Ineinandergreifen bis hin zum Verschmelzen beider andererseits wie im Rokoko, als das Ornament zur Bausubstanz werden konnte.

       1 Giebel verschiedener Epochen am Hauptplatz in Landsberg am Lech

      Der Begriff des Ornaments hat verschiedene Aspekte. Der Architekt und Architekturtheoretiker der Frührenaissance Leon Battista Alberti bezeichnet die Säule als das „vornehmste Ornament“ und verzichtet dabei weitgehend auf übrigen Schmuck des Bauwerks, das für ihn erst dann vollkommen ist, wenn man nichts mehr weglassen kann. Damit unterscheiden sich seine Bauten augenfällig von denen des Barock, die viele Betrachter als „überladen“ empfinden.

      In der Vergangenheit fanden in den organisch gewachsenen Städten Bauten verschiedenster Stile zueinander, und so kann der Spaziergang durch eine historische Altstadt zu einer anschaulichen Lehrstunde in Stilkunde werden. Die vorliegende Darstellung berücksichtigt jedoch nicht, dass bestimmte Bauwerke den Betrachter bzw. Begeher bewusst einbeziehen und sich diesem erst nach und nach durch den veränderten Blickwinkel ganz erschließen, wenn er sich bewegt und den Raum abschreitet, wie es im Barock der Fall ist. Sie enthält sich auch jeglicher Interpretation, wie etwa der der gotischen Kathedrale durch die Kunsthistoriker Hans Sedlmayr, der von einem „Baldachin-Prinzip“ spricht, oder Hans Jantzen, für den das „diaphane Prinzip“ das Wesentliche erfasst – Stilmerkmale also, die sich nicht auf charakteristische Einzelformen beschränken, sondern diese in ihrem baulichen Kontext erfassen und interpretieren.

      Die Beschäftigung mit dem Stil lässt auch Komponenten, die Architektur zum emotionalen Ereignis machen können, wie etwa die Farbe gotischer Glasfenster und das einfallende Licht, das im Barock eine so wesentliche Rolle spielt, außer Acht. Wer in einer abgelegenen Kirche in den Pyrenäen den dunklen Raum auf sich wirken lässt, dessen kleine Glasfenster wie von selbst in Rubinrot und Saphirblau erglühen, wird unter diesem Eindruck kaum als Erstes nach möglichen Wandgliederungen suchen, und wer den Innenraum der Kathedrale von Chartres im Blick gegen Westen von bläulichem diffusen Licht erfüllt erlebt, achtet nicht auf die Detailzeichnungen der Kapitelle.

       2 Kölner Dom, Innenansicht. Stich von N. A. Leisnier, 1825

      Nach diesem Bekenntnis dazu, was eine Stilfibel nicht will und kann, wenden wir uns also dem zu, was sie als ihr (dennoch) legitimes Vorhaben betrachtet.

      Die Antike

      Ohne die zum größten Teil nur in Ruinen erhaltenen Bauten der Griechen und Römer hätte es keine europäische Architektur in der Form gegeben, wie sie in den vergangenen Jahrhunderten bis heute Gestalt angenommen hat.

      Der griechische Tempel

      Griechische Architektur ist für uns gleichbedeutend mit griechischem Tempelbau.

      Der griechische Tempel war das Haus eines Gottes, der in Gestalt seines Kultbildes in der Cella anwesend war. Sterbliche hatten keinen Zutritt. Ihre Opfer brachten sie an einem vor dem Tempel stehenden Altar dar.

      Er zeigt sich als ausgewogenes System von tragenden und getragenen Bauteilen. Die tragenden sind die Säulen, die sich in einzelnen Ordnungen zu erkennen geben: der dorischen, ionischen und korinthischen. Die getragenen Teile bestehen im Gebälk und dem abschließenden Dreiecksgiebel, wobei das Gebälk wiederum zu einem tragenden Teil wird.

      Für fast zwei Jahrtausende war er, und zwar ausschließlich sein Außenbau, gleichsam der ideelle Steinbruch für jegliche europäische Baukunst. Seine Säulen, Kapitelle, Friese, Gesimse und