Prof. Dr. Guido Möllering

Vielfalt in Unternehmenskulturen


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bedroht sind? Wie muss ein Unternehmen aufgestellt sein, um in der Zukunft zu bestehen? Was für eine Unternehmenskultur und welche Werte sind dafür entscheidend? Wie geht man mit Menschen um, die durch Tragweite und Tempo der Veränderungen überfordert und von Unsicherheit und Ängsten getrieben sind?

      Viele Unternehmen suchen die Lösung nicht zuletzt in der Einführung moderner Managementkonzepte mit oft schön klingenden Begrifflichkeiten, um schneller, kundenorientierter oder kreativer zu werden – am besten ganzheitlich für das gesamte Unternehmen. Nicht wenige Mitarbeitende und Führungskräfte reagieren mittlerweile schon abgestumpft, wenn wieder einmal das aktuellste Trend-Tool oder ein neues Managementkonzept eingeführt werden, die für viel Unruhe, aber aus ihrer Sicht für wenig Verbesserung oder Entlastung sorgen. Was ist also die Lösung?

      Wie die vorliegende Studie aufzeigt, greift jede Einführung von neuen Managementkonzepten tief in die Unternehmenskultur ein. Ein solcher Schritt will also gut überlegt sein. Aber welche Auswirkungen hat so ein Eingriff auf die Unternehmenskultur und gibt es überhaupt die Unternehmenskultur? Ist es nicht vielmehr so, dass sich, je größer ein Unternehmen wird, umso mehr Subkulturen bilden? Und ist dies etwas Gutes oder Schlechtes? Welche Verantwortung haben Führungskräfte in der Ausgestaltung von Kooperationen zwischen Subkulturen?

      Die Studie zeigt praxisnah, welchen Mehrwert die (An-)Erkennung und aktive Nutzung der unternehmenskulturellen Vielfalt in Unternehmen bieten: ein Repertoire an Methoden und Konzepten, die je nach Bedarf und Anforderungen flexibel eingesetzt werden können. Führungskräfte, die die Klaviatur der Möglichkeiten beherrschen, können die jeweils richtige Vorgehensweise für die (unvorhergesehenen) Herausforderungen wählen und auf diese Weise eine wichtige Vermittlerrolle zwischen unterschiedlich arbeitenden Teams einnehmen.

      Ich danke allen Beteiligten an der Vorbereitung und Durchführung der Studie.

       Liz Mohn

       Stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes der Bertelsmann Stiftung, Gütersloh

       Einleitung: Gemeinsame Ziele, vielfältige Wege und Werkzeuge

      Wenn Sie den Begriff „Kulturwandel in Unternehmen“ hören, klingt das für Sie dann auch danach, dass eine Kultur, die versagt hat, kurzfristig komplett ausgetauscht werden soll gegen eine andere, die offenbar besser funktionieren wird? Oder denken Sie an einen Prozess, in dem man die bestehende Kultur erst einmal versteht, anerkennt und dann eventuell zu ergänzen versucht mit einer langfristigen Perspektive? Denken Sie überhaupt an eine Kultur oder glauben Sie, dass eine Organisation viele Kulturen hat? Die Studie, die Sie in den Händen halten, greift die in vielen Unternehmen spürbaren Spannungen zwischen neuen und alten, zukünftigen und bisherigen Führungs- und Arbeitsformen auf und untersucht, wie man die heutige Vielfalt auch in (unternehmens-)kultureller Hinsicht besser verstehen und nutzen kann.

      Was ist das Ziel dieser Studie? Mit dieser Studie sollen die immer noch gängigen Denkmuster einer starken und einheitlichen Unternehmenskultur durchbrochen werden, um eine Offenheit gegenüber neuen Führungs- und Arbeitsformen zu ermöglichen – diese wiederum ist nicht zu verwechseln mit einem unreflektierten Glauben an jede neue Managementmode. Die Studie ist primär konzeptionell angelegt und zeigt unternehmenskulturelle Vielfalt als Realität und Chance. Sie sensibilisiert für Subkulturen und deren Potenziale. Anhand eines realen, empirisch fundierten Fallbeispiels macht sie das Zusammenspiel von neuen und etablierten Führungs- und Arbeitsformen nachvollziehbar und gibt vielfältige Anregungen für die Führungspraxis.

      An wen richtet sich diese Studie? Die Zielgruppe dieser Studie sind insbesondere aktive und zukünftige Führungskräfte, die bereits gespürt haben, dass es in Organisationen ab einer gewissen Größe keine (unternehmens-)kulturelle Einheitlichkeit geben kann, und die in diesem Umstand bereits Vor- wie auch Nachteile sehen. Hier sollen sie Impulse bekommen, wie man die Vielfalt besser beschreiben, verstehen und nutzen kann.

      Von der Studie können aber auch Beraterinnen und Berater profitieren und alle anderen, die Organisationen hinsichtlich neuer Führungs- und Arbeitsformen begleiten. Gerade an sie richtet sich der Appell, nicht das eine Allheilmittel zu verschreiben, sondern in kulturellen Werkzeugkästen zu denken (mehr zu dieser Metapher später).

      Wer sich bereits intensiv mit der Literatur zur Unternehmenskultur beschäftigt hat, wird vieles wiedererkennen, jedoch mit der klaren Akzentsetzung und dem Fallbeispiel einige frische Gedanken bekommen, wie man Kultur von Anfang an vielfältiger und dynamischer denken kann. Andere Studien bleiben noch viel zu lange in früheren, recht statischen Kulturkonzeptionen verhaftet, die der Realität nicht mehr gerecht werden.

      Wie ist diese Studie aufgebaut? Die Studie beginnt mit einer Betrachtung des agilen Managements als eines neuen Konzepts, das Bewegung in die Unternehmenskultur(en) bringt, dabei aber Gefahr läuft, als neuer Königsweg absurd zu werden. Die befreiende Wirkung, die das Agilitätskonzept haben kann, kippt in Beklemmung, wenn eine radikale Umsetzung gefordert wird. In diesem Sinne problematisiert der folgende Abschnitt den Mythos der starken Unternehmenskultur und die Tendenz zu kultureller Standardisierung. Sodann erörtern wir systematisch die Realität der unternehmenskulturellen Vielfalt und der Subkulturen mit ihren Vorzügen und Problemen, bevor wir uns mit dem Fallbeispiel CAR (Pseudonym für ein reales Großunternehmen, das vom Reinhard-Mohn-Institut für Unternehmensführung beforscht wurde) auf die Reise des Agilitätskonzepts in einer etablierten, bürokratischen Unternehmenskultur begeben. Aus den Erfahrungen bei CAR lassen sich dann im Schlussteil weitere Anregungen für die Führungsarbeit ableiten.

      Die Hauptbotschaft vorab: Organisationskulturen sind Mittel und zugleich Ergebnis von Problemlösungsprozessen und die gute Zusammenarbeit trotz unterschiedlicher (Wert-)Vorstellungen ist möglich, wenn die gemeinsamen Ziele pragmatisch in den Vordergrund gestellt werden. Das bedeutet, nicht so sehr darauf zu schauen, was uns persönlich in unseren Vorstellungen und Gewohnheiten trennt, sondern was wir gemeinsam erreichen wollen: Das Ergebnis zählt!

       Food for Thought: Bevor es losgeht …

      Auf den folgenden Seiten werden Sie möglicherweise mit Argumenten konfrontiert, die Ihrem bisherigen Verständnis von Unternehmenskultur nicht ganz entsprechen. Doch was ist Ihre bisherige Sichtweise auf dieses Thema?

      •Wie stark hängen neue Führungs- und Arbeitsformen mit kulturellen Veränderungen zusammen?

      •Wie wichtig ist es Ihrer Meinung nach, dass es in einer Organisation eine klare kulturelle Orientierung gibt?

      •Inwieweit machen Sie Führungskräfte dafür verantwortlich, welche (Wert-)Vorstellungen in Organisationen wie gelebt werden?

      Das sind schwierige Fragen. Auch weil sie sehr grundlegend sind. Was fällt Ihnen spontan dazu ein? Was sind Ihre intuitiven Grundannahmen?

       Neue Konzepte, neue Kultur? Wenn Agilität absolut absurd wird

       Endlich frei: Die belebende Kraft neuer Formen

      „Wie arbeiten wir hier eigentlich zusammen?“ – allein schon diese Frage zu stellen, kann für Führungskräfte auf allen Ebenen und die Menschen um sie herum Ausdruck eines Unbehagens und zugleich der Beginn einer positiven Veränderung sein. Wie könnte man es anders und besser machen? Welche neue Führungs- und Arbeitsweise könnte funktionieren? Besonders wenn die eigene Frustration und der Druck von außen steigen, können neue Managementkonzepte äußerst reizvoll, belebend, ja geradezu befreiend wirken. Nicht erst in der heutigen Zeit, sondern im Grunde seitdem die Menschen in großen Gruppen kooperieren, suchen sie nach Wegen, ihre gemeinsamen Ziele besser zu erreichen. Jeder neue Weg weckt Hoffnungen, birgt aber Risiken. Man will den bestmöglichen Weg finden, könnte sich dabei aber auch verschlechtern.

      Ein neuer Weg, der aktuell viel diskutiert wird, ist das Konzept des agilen Managements (siehe Textkasten). Hört man den Begriff zum ersten Mal, wirkt er in seiner Metaphorik von Beweglichkeit und Wendigkeit gleich frisch und