Gloria Rosen

Fürstenkinder 5 – Adelsroman


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Fürstenkinder – 5 –

      Grußlos und ohne vorher anzuklopfen, stürmte Hella Gerke in Arne Brunslys Zimmer. Sie baute sich kriegerisch vor ihm auf und blitzte ihn zornig an. »Ich bekomme ein Kind. Das hat mir gerade noch gefehlt.«

      Arne lag auf dem Sofa, um sich noch ein bißchen auszuruhen. Er war Kellner und für die heutige Spätschicht eingeteilt.

      Er blinzelte zunächst verständnislos zu der rothaarigen Hella Gerke auf. Dann fragte er gedehnt: »Du bekommst was?«

      »Ein Kind. Tu nur nicht so, als könntest du das nicht begreifen. Du hast mich doch in diese schreckliche Situation gebracht«, brauste sie auf. »Hoffentlich hast du wenigstens etwas gespart, damit wir das wieder wegmachen können.«

      Mit einem Satz sprang Arne Brunsly in die Höhe. Er packte Hella bei den Schultern und schüttelte sie.

      Jäh huschte ein herzliches Lächeln über sein Gesicht. Ein verklärter Glanz trat in seine Augen. »Wir bekommen ein Kind! Das habe ich mir schon immer gewünscht. Natürlich werden wir so schnell wie möglich heiraten. Wir werden eine richtige Familie sein. Nun liebe ich dich noch mehr als bisher, Liebling.«

      Er trat vor sie hin und wollte nach ihren Händen greifen, doch sie schlug nach ihm. Ein böses Funkeln lag in ihren Augen. »Ich will dich aber nicht heiraten. Und noch weniger will ich das Kind.«

      »Hör auf«, fuhr er sie erregt an. »Du bist ja von Sinnen und weißt nicht mehr, was du sagst.«

      »Weil du ein Brett vor dem Kopf hast«, fauchte sie. Dann lachte sie schrill auf. »Mich und heiraten! Was hast du mir denn schon zu bieten? Das armselige Leben einer Kellnersfrau. Du hast nichts, bist nichts und wirst meistens bis weit nach Mitternacht arbeiten müssen. Glaubst du im Ernst, ich würde Hausmütterchen – und Kindermädchen spielen und darauf warten, bis du heimkommst? Dann verlangst du womöglich noch, daß ich dir die Pantoffeln bringe und dich wie eine Sklavin bediene. Dazu habe ich noch einen Schreibalg am Hals. Und was erwartet mich als Lohn?«

      Ihre Stimme triefte vor Hohn. »Ein kümmerliches Haushaltsgeld, das vorn und hinten nicht ausreicht. Jede Mark muß ich dreimal umdrehen, bevor ich sie ausgebe. Und am Sonntag wird das Fleisch auf dem Tisch fehlen, weil ich das Geld für den Friseur brauche, um nicht wie eine Vogelscheuche herumzulaufen.«

      Sie war nicht abzubremsen im Aufzählen aller Nachteile, die sie als Arnes Frau erwartete.

      Betroffen betrachtete Arne sie. Dann versuchte er jedoch, ihre Stimmung aufzuhellen. Er sprach davon, daß er nicht immer Kellner blieb. Eines Tages würde er Oberkellner sein. Er besaß Kraft, Mut und Zähigkeit, um sich emporzuarbeiten.

      »Das sind doch alles nur Hirngespinste«, zischte sie. »Du bist doch nur ein mittelmäßiger Kellner und wirst es kaum bis zum Ober schaffen. Darauf verlasse ich mich nicht. Da suche ich mir lieber gleich einen reichen Mann, der mir ein Leben in Luxus bieten kann. Allerdings muß ich dazu erst mal das unliebsame Anhängsel loswerden. Und dazu wirst du mir verhelfen, denn du hast mir diese Suppe eingebrockt.«

      Arne Brunslys Gesicht wurde tieftraurig. Er öffnete den Mund, wollte etwas sagen, aber er schloß ihn wieder.

      Unbarmherzig erkundigte sich Hella nach seinen Ersparnissen. Vermutlich mußte sie ins Ausland, um die Schwangerschaft unterbrechen zu lassen. »Du wirst für alle Kosten aufkommen.«

      Arnes Schultern strafften sich. »Du wirst unser Kind bekommen. Ich bestehe darauf. Und solltest du einen Trick anwenden, es loszuwerden, zeige ich dich an. Damit wir uns gleich richtig verstehen. Es ist auch mein Kind. Ich werde deine Eltern aufsuchen, um ihnen in deiner Gegenwart zu erklären, daß ich dich sofort heirate.«

      Hella stampfte wütend mit dem Fuß auf. »Aber ich heirate dich nicht. Ich will keinen armen Schlucker zum Mann.«

      »Wer sagt denn, daß ich nicht eines Tages reich sein werde?« Er griff blitzschnell nach ihren Händen und hielt sie mit hartem Druck umklammert. »Hella, komm doch zur Vernunft. Wir lieben uns doch. Sonst könntest du ja nicht unser Kind erwarten.«

      Sie riß sich heftig von ihm los. Ihre Mundwinkel bogen sich verächtlich nach unten. »Irrtum, ich liebe dich nicht, habe mich nur mit dir amüsiert. Du bist ein leidenschaftlicher Liebhaber und hast mich ungemein gereizt. Aber so was wie dich heiratet man nicht. Bei meinem Zukünftigen muß in erster Linie das Bankkonto stimmen. Du solltest es auch so halten und dir eine reiche Frau suchen. Zwischen uns beiden läuft jedenfalls ab sofort nichts mehr.«

      Sie drehte sich auf dem Absatz herum. An der Tür wandte sie sich ihm noch einmal zu. Du wirst mich nicht daran hindern, das zu tun, was ich für richtig halte. Schließlich bin ich es, die unter einer Schwangerschaft zu leiden hat und nicht du. Adieu.«

      Krachend fiel die Tür hinter ihr ins Schloß.

      *

      Der fünfundzwanzigjährige Arne Brunsly stand noch eine ganze Weile wie zur Salzsäule erstarrt. Er konnte es einfach nicht fassen, daß es seine geliebte Hella gewesen war, die sich soeben völlig verdreht aufgeführt hatte. War sie wirklich so herzlos? Oder hatte die Neuigkeit über den Nachwuchs sie dermaßen durcheinandergebracht?

      Am liebsten wäre er ihr nachgestürzt, doch er wollte nichts übereilen, sondern in Ruhe über alles nachdenken. Außerdem mußte er erst einmal Herr seiner widersprüchlichen Gedanken und Gefühle werden. Wie gern hätte er sich vorbehaltlos darüber gefreut, Vaterfreuden entgegenzusehen. Aber daran hinderte ihn die maßlose Enttäuschung über Hella. Mit ihren zweiundzwanzig Jahren war sie doch kein Kind mehr. Warum freute sie sich nicht auf ihre Mutterrolle?

      Der unbändige Wunsch stieg in ihm auf, sich mit seiner Mutter über alles zu unterhalten. Schade, daß seine heutigen Freistunden begrenzt waren, sonst wäre er sofort zu ihr gefahren. So mußte er sich mit einem Telefonanruf begnügen.

      Man merkte Frau Brunsly die Betroffenheit an, als sie sich dazu äußerte: »Das ist eine schwerwiegende Sache, die gut überlegt sein will. Wir müßten uns mal in aller Ruhe darüber unterhalten. Diese Hella verhält sich in der Tat sehr eigenartig. Jede Frau freut sich, wenn sie erfährt, daß sie ein Kind bekommt. Fast jede«, verbesserte sie sich. »Denn wenn eine junge Frau nicht vom Kindesvater geheiratet wird, ist das allerdings fatal für sie. Ein guter Ruf ist rasch ruiniert. Da kann man schon verstehen, wenn sie verzweifelt nach einem Ausweg sucht. Aber das trifft doch auf Hella nicht zu, denn du willst sie ja heiraten. Am besten, wir arrangieren die Hochzeit so bald wie möglich.«

      »Das geht nicht«, sagte Arne hastig. »Abgesehen davon, daß sie mich nicht heiraten will, soll sie vorerst auch nicht erfahren, daß ich vermögende Eltern habe. Ich möchte um meiner selbst willen geliebt werden. Sie hält mich bislang nämlich für einen mittellosen Kellner.«

      »Bravo, mein Sohn. Damit sprichst du mir ganz aus dem Herzen. Wenn es ihr so wichtig erscheint, was du bist und was du hast, ist sie deiner vermutlich nicht wert.«

      Sie gab ihm dann den eindringlichen Rat: »Führe eine Aussprache mit Hella herbei und mach ihr klar, um wieviel kostbarer Liebe und Verständnis sind als Geld und Gut und Luxus. Wir sprechen noch darüber, wenn du an deinem nächsten freien Tag zu uns kommst. Ich wünsche dir, daß es dir bis dahin gelungen ist, Hella ihr Jawort abzuringen. Vater und ich würden sie gern bald kennenlernen. Aber bitte überstürze nichts.«

      »Ich werde besonnen bleiben, obwohl mein Inneres reichlich aufgewühlt ist.«

      Frau Brunsly redete noch eine Weile beruhigend auf ihn ein und beendete dann das Gespräch.

      Arne lehnte sich auf dem Stuhl zurück und spielte gedankenverloren mit dem Telefonkabel. Er wußte, daß es die einfachste Sache von der Welt gewesen wäre, vor Hella hinzutreten und ihr zu gestehen, daß sein Vater ein renommiertes Hotel führte. Er würde später der Erbe sein.

      Zu dieser Erklärung konnte er sich jedoch nicht durchringen, denn ihre Worte hatten sich wie Stacheln in seinem Herzen festgesetzt, daß sie ihn nicht liebte, weil er nur ein kleiner Kellner war. Sie traute ihm ja nicht einmal zu, daß er es zum Ober schaffen würde. Wäre sie ehrlich gewesen, hätte sie anerkennen müssen, wie tüchtig er in seinem Beruf war. Aber sie legte es förmlich darauf an, ihn zu verletzen. Demnach war sie furchtbar wütend auf ihn. In Rage sagte man oft unüberlegte Worte.

      Womöglich