Gloria Rosen

Fürstenkinder 5 – Adelsroman


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Frau Gerke ihre Tochter umzustimmen. Sie blieb bei ihrem Vorsatz und zog sich in ihr Zimmer zurück. Dort grübelte sie darüber nach, welche Adresse sie im Ausland anschreiben konnte. Leider wußte sie keine. Woher sollte sie die richtige nur erfahren?

      Am Abend mußte sie sich dann von ihrem unerbittlichen Vater belehren lassen, daß die Eltern darauf bestanden, daß sie ihr Kind zur Welt brachte. Ebenso wie Arne drohte ihr auch der Vater recht unmißverständlich, notfalls Schritte gegen sie einzuleiten, falls sie das werdende Leben in sich zu zerstören trachtete.

      Hella, gewohnt, daß die Eltern stets nachsichtig waren und ihr möglichst jeden Wunsch erfüllten, war wie vor den Kopf geschlagen. Sie zog alle Register, um letztlich ihren Willen durchzusetzen, doch sie biß bei dem Vater auf Granit. Das brachte sie zur Weißglut. Sie verschwand schnell in ihrem Zimmer, um nicht noch ausfallend zu werden. Dadurch würde sie erst recht nichts erreichen. Noch hoffte sie, die Eltern umstimmen zu können, damit sie sie bei ihrem Vorhaben unterstützten.

      Als sie am nächsten Morgen einen schmeichelhaften Versuch bei ihrer Mutter unternahm, mußte sie indessen bitter erfahren, da sie in dieser Sache keinen Pardon kannte. Sie war einer Meinung mit ihrem Mann und bedrängte Hella, lieber einen baldigen Hochzeitstermin mit Arne auszumachen. Ihr Vater wollte sich heute noch darum kümmern, daß die Handwerker die Wohnung oben im Haus renovierten.

      Hella kochte innerlich vor Wut, bezwang sich aber. Irgendwo mußte sich jedoch alles Aufgestaute in ihr entladen. So fuhr sie auf der Stelle zu Arne und klopfte an seine Tür. Als er ihr öffnete, stürzte sie sich wie eine Wildkatze auf ihn. Gewiß hätte sie ihm das Gesicht zerkratzt, wenn er sie nicht geistesgegenwärtig geschickt abgewehrt hätte.

      Mit eisernem Griff schob er sie recht unsanft auf einen Stuhl und fragte betroffen: »Was soll das bedeuten?«

      Sie schrie ihn aufgebracht an: »Du hättest dich gar nicht hinter meine Mutter stecken sollen, um deinen Willen durchzudrücken. Damit hast du nichts erreicht, sondern dir im Gegenteil auch noch meine restlichen Sympathien verscherzt. Ich wiederhole mich nicht gern, aber ich schwöre dir, daß ich weder deine Frau werde, noch dieses unerwünschte Kind zur Welt bringe. Und solltest du mich weiterhin in unverschämter Weise durch schulmeisterliche Reden belästigen, werde ich mich auf meine Art zu wehren wissen, die dir freilich nur schlimmen Schaden einbringen wird. Wir sind geschiedene Leute. Dein Verhalten vergesse ich dir nie. Es sei denn…«

      Sie machte eine Pause, sprang auf und schmiegte sich an ihn. Von einer Sekunde zur anderen veränderte sich ihr Gesicht, wurde weich, wobei ihn ihre Augen so verführerisch wie in alten Zeiten anstrahlten. »Es kann alles wieder so werden, wie es vorher zwischen uns war. Du mußt mir nur die richtige Adresse und das nötige Geld für eine Abtreibung im Ausland besorgen. Dann will ich alles vergessen.«

      Seine Haltung straffte sich, er trat einen großen Schritt zurück. »Niemals werde ich deine Bitte erfüllen. Ich will nicht mitschuldig am Mord unseres Kindes werden.«

      Und als ihn ihre Augen erschrocken anstarrten, wiederholte er den Satz und fügte mit Nachdruck hinzu: »So und nicht anders sehe ich das an, was du planst. Du bist gesund, wirst geheiratet und hast dein Auskommen. An meiner Seite werden du und das Kind nicht verhungern. Es gibt also keinen Grund für dich, in Panik zu geraten.«

      Da funkelte sie ihn feindselig an und verließ überstürzt das Zimmer. Nun gut, wenn er ihr nicht helfen wollte, mußte sie eben allein alle Möglichkeiten ausschöpfen, um ihren Willen durchzusetzen.

      Hella legte es nunmehr bewußt darauf an, all das zu tun, was für ihren Zustand schädlich war. Sie rauchte plötzlich, trank Alkohol und schleppte schwere Lasten. Die Eltern erwischten sie jedoch dabei und machten ihr bittere Vorwürfe. Mehr noch als ihre Worte trafen Hella ihre traurigen Blicke. Sie hing trotz allem an ihren Eltern und mochte sie nicht betrüben, obwohl sie recht eigenwillig war. So sah sie zu Hause davon ab, etwas zu tun, was zu einer Fehlgeburt führte.

      Dafür trieb sie es während der Arbeit um so ärger. Aber auch dort wurde ihr Einhalt geboten. Arne entdeckte, was sie plante. Er paßte auf sie auf und scheute sich auch nicht, einen Kollegen, mit dem er umschichtig arbeitete, einzuweihen, natürlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Jedenfalls würde er ein Auge auf Hella haben, sobald Arne frei hatte und schlafen mußte.

      Hella schäumte innerlich vor Wut. Ihr Haß auf Arne wuchs ins Grenzenlose, zumal ihr der Barbesitzer eine abschlägige Antwort erteilte, als sie sich um die frei gewordene Stelle einer Bardame bewarb. Er begründete seine Entscheidung damit, daß sie in ihrem augenblicklichen Zustand dafür nicht in Frage komme. Allerdings war er nicht bereit, ihr zu sagen, wie er hinter ihr Geheimnis gekommen war.

      Als sie in ihrer maßlosen Wut Arne die Schuld zuschob und ihn noch dazu schmähte, maß ihr Chef sie mit ernstem Blick. »Arne war es nicht, der es mir verraten hat. Demnach dürfte er ja wohl der Vater Ihres Kindes sein, nicht wahr? Dann sollten Sie ihn schleunigst heiraten.«

      Hella erklärte ungehalten, warum das nicht in Betracht kam. Eigentlich hätte sie stutzig werden müssen, als er ihr eindringlich riet, ihr Leben Arne anzuvertrauen, denn bei ihm sei sie so gut aufgehoben wie bei keinem anderen Mann. Dabei lächelte er geheimnisvoll.

      Hella hörte jedoch die versteckte Anspielung aus seinen Worten nicht heraus. Sie vernahm mit starrem Gesicht, daß der Chef ihr ab sofort Mutterschaftsurlaub gewährte und großzügig bereit war, ihren Monatslohn weiterhin uneingeschränkt zu zahlen. Er gab vor, ihr die Peinlichkeit ersparen zu wollen, daß man sie schon bald neugierig mustern würde, wenn sich nichts mehr verheimlichen ließ.

      In Wirklichkeit wußte er Hella nur im Elternhaus in bester Obhut bis zur Niederkunft.

      Hella fügte sich widerstrebend, obwohl ihr Chef es ihr sogar schriftlich gab, daß er sie später wieder einstellen würde.

      Ihrer Mutter gegenüber ließ sie dann in ihrem maßlosen Zorn die Zügel schießen und erging sich in üblen Beschimpfungen auf Arne.

      Bis es Frau Gerke zu bunt wurde. Sie unterbrach Hella und hielt ihr eine geharnischte Standpauke. Und als auch der Vater die Tochter am Abend in recht eindeutigen Worten ermahnte, sich zu beherrschen und lieber ihrer Verantwortung gegenüber ihrem Kind nachzukommen, da wußte Hella, daß sie sich einstweilen fügen mußte.

      Leicht fiel ihr das allerdings nicht. Und es war ihr nur ein schwacher Trost, daß die Mutter sich liebevoll um sie kümmerte und nicht mal zuließ, daß sie ihr viel im Haushalt half.

      Hella hielt sich vorwiegend in ihrem Zimmer auf. Sie strickte sich Pullover oder las Bücher. Hin und wieder machte sie auch Einkäufe.

      Sobald sie allerdings merkte, daß Arne im Anmarsch war, verschloß sie rasch die Tür. Sie wollte ihn nicht sehen. In dieser Beziehung waren selbst ihre Eltern machtlos, die ein gutes Wort für den jungen Mann einlegten. Sie hatten ihn längst wie einen Sohn ins Herz geschlossen. Doch das kümmerte Hella nicht. Sie verabscheute Arne zutiefst, weil er sie in diese Situation gebracht hatte. Und sie malte sich aus, wie es gewesen wäre, wenn sie jetzt als begehrte Bardame in der »Blauen Grotte« ihre Arbeit versehen könnte. Zu Hause kam sie um vor Langeweile. Ihr fehlten nämlich die vergnüglichen Stunden und die Menschen, mit denen sie reden und lachen konnte.

      So blieb ihr zunächst nichts anderes übrig, als sich vorzunehmen, das Versäumte später in reichlichem Maße nachzuholen. Da wollte sie kein Vergnügen auslassen. Daß sie nach der Geburt ihres Kindes sehr ernste und mit Abstand auch die schönsten, heiligsten Pflichten einer Mutter zu erfüllen hatte, kam ihr nicht in den Sinn. Für sie zählte einzig und allein die Tatsache, recht bald wieder ihr freier Herr zu sein und sich ihr Leben nach eigenem Gutdünken einzurichten.

      *

      Obwohl Arne Brunsly viel Boshaftigkeit von seiten Hellas einstecken mußte, ließ er nicht nach in seinem Bemühen, ihre Zuneigung zurückzugewinnen. Allerdings liebte er nunmehr in ihr auschließlich die Mutter seines Kindes. Als Frau hatte sie sich denn doch wegen ihres Verhaltens seine Sympathien erheblich verscherzt.

      Trotzdem war Arne bereit, um seines Kindes willen jedes nur erdenkliche Opfer zu bringen, damit es in einem intakten Elternhaus aufwuchs.

      Denn