Gloria Rosen

Fürstenkinder 5 – Adelsroman


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sie damals schon nicht auf euch gehört hat, wird sie es jetzt erst recht nicht tun. Ich sehe keine glückliche Zukunft vor mir.«

      Gerke sah ihn milde an. »Ihr jungen Leute seid immer so ungeduldig. Warte doch erst mal ab, bis Hella aus dem Krankenhaus entlassen ist. Da ergibt sich so manches wie von selbst, was sich jetzt noch nicht voraussehen läßt.«

      Arne seufzte auf. Wenn er diesen Worten doch nur glauben könnte! Plötzlich durchzuckte ihn ein Gedanke, und er fragte: »Darf ich meinen Sohn öfter mal besuchen? Am liebsten würde ich ihn ganz zu mir nehmen. Es ist jedoch völlig ausgeschlossen, denn meine Eltern…« Er brach abrupt ab.

      »Sie sind wohl schlecht auf Hella zu sprechen nach allem, was sie sich geleistet hat«, meinte Frau Gerke bekümmert. »Ich kann ihnen das nachfühlen, denn mir würde es nicht anders ergehen.«

      »Nein, nein, so war es nicht gemeint«, wandte Arne hastig ein. »Meine Eltern sind nur beide berufstätig.« Mehr wollte er dazu nicht sagen, denn es widerstrebte ihm nach wie vor, den Gerkes die Wahrheit einzugestehen. Er fürchtete sich schlichtweg davor, sie würden sich gegenüber Hella versprechen. Noch sollte sie seine wahre Herkunft nicht wissen, weil er sich mit einer geheuchelten Zuneigung niemals zufriedengeben würde. Entweder Hella liebte ihn von ganzem Herzen oder gar nicht. Beim Gedanken an die letzte Möglichkeit stöhnte er qualvoll auf.

      Frau Gerke deutete sich sein Stöhnen freilich anders, zumal sie seine Gedanken nicht erraten konnte. Mitleidig versprach sie ihm: »Du kannst den Kleinen jederzeit besuchen. Das Recht wird dir Hella nicht nehmen können. Mein Mann und ich sorgen jedenfalls dafür, daß du Alexander uneingeschränkt Vater sein darfst. Darauf geben wir dir unser Wort.«

      Drei Paar Hände ruhten ineinander, während in den Augen der drei Menschen ein heiliger Schwur zu lesen war. Jeder von ihnen würde sich an sein Wort gebunden fühlen. Arne war irgendwie feierlich und zugleich erleichtert zumute.

      *

      Hellas Einstellung zu Arne änderte sich nicht. Auch die Eltern vermochten nichts auszurichten. Dazu war ihre Abneigung schon viel zu tief verwurzelt in ihr. Schließlich hatte er ihr das angetan, Mutter zu werden und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten durchstehen zu müssen. Niemals würde sie Arne das verzeihen.

      Dieser Haß übertrug sich auch auf das Kind. Sie betrachtete es widerwillig, wenn es an ihrer Brust lag und gestillt wurde. Wenn diese Plage doch nur schon vorüber wäre!

      Indessen waren sich sämtliche Schwestern und Ärzte einig, daß ihnen nie zuvor eine derart lieblose Mutter begegnet war wie Hella Gerke. Die Stationsschwester sprach es im Kreis der anderen unverblümt aus, daß sie hoffte, der Kindesvater würde den Kleinen zu sich nehmen und ihm in seiner Warmherzigkeit all die Liebe geben, die er brauchte. Sicherlich würde er die passende Lebensgefährtin finden, die genau das Gegenteil von Hella darstellte. Darin stimmten ihr die anderen zu.

      Sie hatten Arne Brunsly gesehen, wenn er ins Krankenhaus gekommen war, um seinen Sohn mit Rührung und Freude zu betrachten. Ihm merkte man an, wie sehr er den Kleinen bereits ins Herz geschlossen hatte. Aber auch die Großeltern Gerke liebten Alexander sehr. Ihnen blieb es unbegreiflich, warum ihre Tochter dieses süße Wesen nicht lieben mochte.

      Hella wußte nicht, wieviel Kopfzerbrechen man sich ihretwegen machte. Sie merkte nur die prüfenden Blicke der Ärzte und Schwestern, die ihr so gar nicht behagten. Sie sagte sich jedoch, daß sie bald entlassen werde und dann davon verschont sein würde.

      Ihre Gedanken befaßten sich vielmehr mit ihren Eltern, deren Ratschläge und Belehrungen ihr lästig wurden. Besonders die traurigen Blicke, die ihr die Mutter zuwarf, gefielen Hella ganz und gar nicht. Und bei der Vorstellung, es könne zu Hause so weitergehen und die Eltern gar noch von ihr verlangen, daß sie sich ausschließlich dem Baby widmete, wurde ihr heiß und kalt. Sie suchte krampfhaft nach einer Lösung, um sich ihren Mutterpflichten zu entziehen. Dabei kam ihr der Gedanke, recht bald schon ihre Arbeit wieder aufzunehmen.

      Diesen Vorsatz führte sie auch einen Tag nach ihrer Heimkehr aus. Sie überließ der Mutter den Kleinen und log ihr unbekümmert vor, sie müsse zum Friseur gehen. Zum Glück hatte Frau Gerke dafür Verständnis. Sie riet Hella sogar, sich ein hübsches Kleid zu kaufen und einige hübsche Dinge für den kleinen Alexander.

      Hella fuhr jedoch schnurstracks zur »Blauen Grotte« und ging unmittelbar ins Büro ihres Chefs.

      Er kam mit ausgestreckten Armen auf sie zu und beglückwünschte sie zu ihrem kleinen Erdenbürger. Gleichzeitig räumte er ihr ein, so lange zu Hause zu bleiben, wie sie es nur wünschte. Sicherlich wollte sie sich erst einmal ausgiebig ihrem Kind widmen.

      Hellas Laune sank nun auf den Nullpunkt. Unmißverständlich gab sie ihm zu verstehen, daß sie möglichst am nächsten Tag wieder arbeiten wollte.

      Das verschlug dem Mann denn doch die Sprache.

      Sein Blick flößte ihr Unbehagen ein. Und sie sprach aus, was sie gerade dachte: »Ich hoffe, Sie haben meine Stelle inzwischen nicht besetzt. Ich habe es ja gottlob schriftlich, daß Sie mich wieder einstellen werden, sobald alles hinter mir liegt. Meine Mutter kümmert sich um das Kind. Ich muß schließlich für unseren Unterhalt aufkommen und brauche den Verdienst.«

      Der Chef maß sie sehr ernst. »Sie hätten Arne Brunsly heiraten sollen. Als Ober verdient er weitaus mehr als sonst. Damit…«

      »Als Ober?« rief Hella entgeistert dazwischen. »Arne ist Ober geworden? Aber so tüchtig ist er doch gar nicht.«

      »Dieser Ausspruch beweist mir, wie wenig Sie ihn kennen. Er ist ein sehr fähiger Mensch und hat sich in den letzten Wochen erstaunlich gut in seiner neuen Tätigkeit bewiesen. Darum habe ich ihm sogar den größten Teil der Personalfragen übertragen. Er besitzt nunmehr Mitspracherecht über die Einteilungen für die übrigen Kellner und Serviererinnen. Ich müßte mich erst mit ihm beraten, wie wir Sie einsetzen wollen.«

      »Ich will nicht von diesem Menschen abhängig sein«, rief Hella. »Am besten, Sie bringen mich in der Bar unter.«

      »Ich habe genügend Bardamen. Sie sind außerdem gut ausgebildet, was ich von Ihnen nicht behaupten kann.« Er sah sie nahezu väterlich an. »Ihnen steht doch noch der gesetzliche Mutterschaftsurlaub zu. Warum nehmen Sie das nicht in Anspruch? Sie würden dadurch Zeit und Gelegenheit finden, um ungestört über Ihre Zukunft nachdenken zu können. Außerdem braucht Sie Ihr Kind jetzt noch. Ihre Mutter kann Sie nicht ersetzen, so viel Mühe sie sich auch gibt. Überstürzen Sie darum nichts.«

      Hella maß den Mann mit verächtlichem Blick. »Ich sehe schon, Sie sind von Arne genau instruiert worden, wie Sie sich mir gegenüber verhalten sollen. Er möchte mich als Hausmütterchen am Herd sehen. Bestellen Sie ihm, es nützt ihm gar nichts, sich immer wieder neue Tricks auszudenken. Er kriegt mich nicht klein. Ich verzichte darauf, jemals wieder hier zu arbeiten, denn mich widert schon allein der Gedanke an, unter Arnes Kommando zu stehen. Adieu.«

      Sie verließ hastig das Büro. Als sie wieder draußen stand, fragte sie sich, was sie nun beginnen sollte. Unschlüssig schaute sie sich um. Da bog plötzlich Arne um die Ecke. Wie gehetzt lief Hella in entgegengesetzter Richtung davon.

      Unverhofft stand sie vor der Bar »Kolibri«. Nanu, dachte sie verwundert, die gab es doch vorher noch gar nicht. Die mußte kürzlich erst eröffnet worden sein.

      Kurz entschlossen ging Hella zur Tür. Doch sie war verschlossen. Kein Wunder, denn das Lokal wurde ja erst abends eröffnet. So suchte sie den Nebeneingang und prallte um ein Haar mit einem jungen Mann zusammen.

      Er musterte sie und erkundigte sich hastig: »Wollten Sie etwa zu mir? Ich bin Bernhard Burk, der Besitzer der Bar ›Kolibri‹. Welche Beschwerde möchten Sie loswerden?«

      »Wieso Beschwerde?« fragte Hella betroffen. »Ich suche Arbeit.«

      Wieder glitt sein suchender Blick über sie hinweg. Dann pfiff er anerkennend durch die Zähne. »Sie sind eine Schönheit, junge Frau. Ich wäre gar nicht abgeneigt, Sie einzustellen. Kommen Sie mit in mein Büro. Dort können wir uns ausgiebig unterhalten.«

      Hella folgte ihm hoffnungsfroh. Sie sollte auch nicht