weitere Person, die Zugang zu dieser Nummer hatte.
Er blickte auf das Display. Es war eine Nummer, die er nicht kannte, mit 202er-Vorwahl. Washington, DC.
Sein Herz stockte.
Es war nicht Becca.
„Ist es Mom?“, fragte Gunner.
„Nein.“
„Ist es die Präsidentin?“
Luke nickte. „Ich denke schon.“
„Solltest du dann nicht besser rangehen?“, fragte Gunner.
„Ich arbeite nicht mehr für sie“, sagte Luke. „Weißt du noch?“
Heute Morgen, bevor sie zu dieser Wanderung aufgebrochen waren, hatten sie im Fernsehen Nachrichten über den Dammbruch in North Carolina gesehen. Mehr als hundert bestätigte Tote, hunderte weitere wurden vermisst. Ein ganzes Bergresort wurde vom Wasser weggespült. Die Städte flussabwärts wurden so schnell wie möglich evakuiert und mit Sandsäcken geschützt, aber es gab wahrscheinlich noch mehr Tote.
Das Unglaubliche daran war, dass ein im Jahre 1943 erbauter Damm nach mehr als siebzig Jahren nahezu perfekter Arbeit plötzlich eine Fehlfunktion erleiden würde. Für Luke roch das nach Sabotage. Aber er konnte sich nicht vorstellen, wer es in einer so abgelegenen Gegend auf einen Damm abgesehen haben könnte. Wer würde überhaupt wissen, dass dort ein Damm existierte? Wenn es Sabotage war, dann war es wahrscheinlich ein örtliches Problem, eine Gruppe von militanten Umweltschützern, oder vielleicht sogar ein verärgerter ehemaliger Angestellter, der eine Nummer abgezogen hatte, die schrecklich schief gegangen war und tragische Konsequenzen nach sich trug. Die Staatspolizei oder die FBI-Abteilung für North Carolina würden die Täter wahrscheinlich bereits am Ende des Tages geschnappt haben.
Aber nun klingelte sein Telefon. Also steckte vielleicht doch mehr dahinter.
„Dad, es ist okay. Ich will nicht, dass du deinen Job kündigst, auch wenn Mom anderer Meinung ist.“
„Ist das so? Und wenn ich aufhören will? Darf ich da nicht mitreden?“
Gunner schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht. Ich meine, eine Menge Leute sind bei diesem Unfall gestorben, oder? Was, wenn ich dabei gewesen wäre? Was, wenn Mom und ich unter den Opfern gewesen wären? Würdest du nicht wollen, dass jemand herausfindet, was passiert ist?“
Das Telefon klingelte immer weiter. Als die Mailbox sich einschaltete, hörte das Telefon für einige Sekunden auf zu klingeln, ging aber sofort wieder los. Wer auch immer es war, wollte mit Luke sprechen und keine Nachricht hinterlassen.
Luke dachte an Gunners Worte und drückte den grünen Knopf am Telefon. „Stone.“
„Die Präsidentin der Vereinigten Staaten“, sagte eine Männerstimme.
Es gab einen Moment der Stille, dann erklang ihre Stimme in der Leitung. Sie klang härter als zuvor, etwas älter. Die Ereignisse der letzten Monate würden jeden altern lassen.
„Luke?“
„Hi, Susan.“
"Luke, du musst sofort herkommen.“
„Geht es um den Damm?“
„Ja.“
„Susan, ich bin im Ruhestand, erinnerst du dich?“
Ihre Stimme wurde leiser.
„Luke, der Damm wurde gehackt. Hunderte von Menschen sind tot, und alle Zeichen deuten auf die Chinesen hin. Wir stehen am Rande des Dritten Weltkriegs.“
Luke wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte.
„Wann wirst du hier sein?“, fragte sie.
Er wusste, dass sie ein ‚Nein‘ nicht akzeptieren würde.
KAPITEL VIER
18:15 Uhr
Marine-Observatorium – Washington, DC
Luke saß auf dem Rücksitz eines schwarzen SUV, als dieser vor der weiß-gegiebelten Residenz aus den 1850er Jahren zum Stillstand kam. Diese Villa war jahrelang die offizielle Unterkunft des Vizepräsidenten gewesen. Da das Weiße Haus zwei Monate zuvor zerstört worden war, diente dieser Ort nun als das Neue Weiße Haus, was passend war, da die Präsidentin fünf Jahre lang hier gelebt hatte, bevor sie ihre neue Rolle übernommen hatte.
In den zwei Monaten, die Luke weg gewesen war, hatte er fast nie über diesen Ort oder die Menschen, die sich hier befanden, nachgedacht. Das Satellitentelefon hatte er auf Wunsch der Präsidentin bei sich, aber die ersten Wochen hatte er ständig in Angst gelebt, tatsächlich einen Anruf zu erhalten. Nach und nach hatte er jedoch fast vergessen, dass er das Telefon überhaupt hatte.
Eine junge Frau kam ihm auf dem Gehweg vor dem Haus entgegen. Sie war brünett, groß und äußerst hübsch. Sie trug einen schlichten schwarzen Rock und eine schwarze Jacke. Ihre Haare waren nach hinten gebunden. In ihrer linken Hand trug sie einen Tablet-Computer. Die andere Hand streckte sie Luke entgegen. Ihr Händedruck war fest und gänzlich geschäftlich.
„Agent Stone? Ich bin Kathryn Lopez, Susans Stabschefin.“
Luke war etwas verblüfft. „Werden Stabschefs heutzutage direkt von der Highscool rekrutiert?“
„Sehr nett von Ihnen“, sagte sie beiläufig. Er wusste, dass sie das ständig zu hören bekommen musste, und die meisten meinten es wahrscheinlich nicht freundlich, so wie er. „Ich bin siebenunddreißig Jahre alt. Ich bin seit dreizehn Jahren in Washington, seit ich meinen Masterabschluss habe. Ich habe für einen Abgeordneten, zwei Senatoren und den ehemaligen Direktor für Gesundheit und Soziales gearbeitet. Ich kenne mich also ein wenig hier aus.“
„Okay“, sagte Luke. „Dann bin ich ja in guten Händen.“
Sie traten durch die Vordertür. Im Inneren standen sie einem Kontrollpunkt mit drei bewaffneten Wachen und einem Metalldetektor gegenüber. Luke nahm seine Glock aus seinem Schulterholster und legte sie auf das Förderband. Er griff nach unten und schnallte die kleine Taschenpistole und das Jagdmesser, das an seine Waden geklebt war, ab und legte diese ebenfalls auf. Zum Schluss nahm er seine Schlüssel aus der Tasche und ließ sie zusammen mit den Waffen auf das Band fallen.
„Entschuldigung“, sagte er. „Ich kann mich nicht erinnern, dass es hier eine Sicherheitskontrolle gab.“
„Gab es auch nicht“, sagte Kat Lopez. „Sie ist erst seit ein paar Wochen hier. Es kommen immer mehr Leute her und wir mussten die Sicherheitsvorkehrungen formalisieren.“
Luke erinnerte sich an die Vorfälle. Als die Angriffe anfingen und Thomas Hayes starb, musste Susan plötzlich das Präsidentsamt übernehmen. Das Weiße Haus war größtenteils zerstört worden und alles – alle Vorkehrungen, die gesamte Logistik – war in dieser Zeit mehr schlecht als recht hastig neu errichtet worden. Es war eine verrückte Zeit gewesen. Er war froh, dass er seitdem frei gehabt hatte. Er bewunderte Susan ein wenig dafür, dass sie die ganze Zeit über selbst vor Ort gewesen war.
Nachdem die Wachen Luke abgetastet und mit einem Metalldetektor überprüft hatten, gingen er und die Stabschefin weiter.
Es war viel los hier. Das Foyer war überfüllt mit Menschen in Anzügen, Militäruniformen, hochgekrempelten Ärmeln, Menschen, die schnell durch die Gänge eilten und hinter denen sich eine Schar an Helfern herzog. Eines fiel sofort auf – es waren viel mehr Frauen hier als vorher.
„Was ist mit Ihrem Vorgänger passiert?“, fragte Luke. „Der vorherige Stabschef. Richard…“
Kat Lopez nickte. „Richard Monk. Nun, nach dem Ebola-Vorfall waren er und Susan sich einig, dass es ein guter Zeitpunkt für ihn war, weiterzuziehen. Aber obwohl er hier raus ist, ist er auf seinen Füßen gelandet. Er arbeitet als Stabschef für den neuen US-Repräsentanten aus Delaware, Paul Chipman.“
Luke wusste, dass es neue Repräsentanten und Senatoren aus neununddreißig Staaten gab, um diejenigen zu ersetzen, die beim Angriff am Mount Weather gestorben waren. Unzählige Leute waren aus den unteren Ligen plötzlich aufgestiegen oder sind aus dem