Heinz von Wilk

Leberkäs-Porno


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Platz, Herr Auer. Und danke, dass Sie gekommen sind. Wie ist Ihr Wissensstand?«

      Der Max öffnete den Mund, sagte aber nichts, weil eine freundliche Rotbraune an den Tisch getreten war: »Auch ein Bier?«

      Auer nickte, und die Bedienung ging zur Theke.

      »Ich weiß, dass Ihre Frau ab und zu für ein oder zwei Tage verschwindet. Sich mit Freundinnen in München oder Salzburg trifft und einen draufmacht. Wenn’s Ihnen zu lange gedauert hat, dann haben Sie den Glasl Sepp geschickt, um sie heimzuholen. Jetzt ist sie aber schon etwas länger weg, und der Sepp weiß auch nicht, wo sie sein könnte. Er hat seine Kontakte abtelefoniert, aber keiner hat Ihre Frau gesehen oder was von ihr gehört. Stimmt das so weit?«

      Die Bedienung kam mit dem Bier, stellte es vor den Auer und lächelte ihn an: »Wollen Sie was essen? Dann bringe ich die Karte.«

      Der Auer brachte sein bestes Lächeln zum Einsatz: »Mit Ihnen immer. Wann haben Sie denn Zeit?«

      Sie lachte, kniff ein Auge zu und ging.

      Der alte Brunner fuhr sich mit der Hand über den Kopf: »Haben Sie Bilder von meiner Frau gesehen?«

      Auer, der gerade den Schaum abtrank, nickte. Und was für welche, dachte er sich dabei.

      Brunner nickte ebenfalls: »Dann fragen Sie sich, was so eine junge und schöne Frau an einem alten Kerl wie mir findet, oder?« Er hob die Hand: »Nein, sagen Sie nichts. Ich liebe sie mit jeder Faser meines Körpers. Vom ersten Moment an, als ich sie gesehen habe. Sie hat sich über mich lustig gemacht, aber ich ging immer wieder hin, in dieses Lokal, wo sie ab und zu gearbeitet hat. Irgendwie sind wir dann ins Gespräch gekommen. Ich kann gut zuhören. Wir haben nächtelang geredet. Nein, sie hat geredet. Von kaputten Beziehungen. Von Kerlen, die sie ausgenutzt und geschlagen haben. Davon, dass sie eigentlich nur in Ruhe leben möchte. Dass sie vollkommen fertig und am Ende ist. Sie hat wohl in erster Linie so eine Art Vaterfigur in mir gesehen, schon klar.«

      Brunner nahm einen kleinen Schluck und schaute mit blicklosen Augen zum Fenster raus. Seine Stimme wurde rau und brüchig. Er räusperte sich: »In einer dieser Nächte hab ich mir ein Herz gefasst und ihr ein Angebot gemacht. Sissi, hab ich gesagt, komm zu mir. Ich bin seit dem Tod meiner Frau alleine. Ich hab ein großes Haus, ein Boot, Ferienwohnungen, ich hab alles, was du dir nur wünschen kannst. Und ich gebe es dir. Ich lege dir alles zu Füßen, wenn du zu mir kommst. Ich will dich auch gerne heiraten, wenn du das willst. Natürlich erst, wenn wir uns ein bissel besser kennen, sagte ich zu ihr. Dann bist du versorgt, wenn mir was passiert. Und wenn’s dir bei mir langweilig wird, dann kannst du, wann immer du willst, für ein paar Tage in die besten Hotels gehen oder auch mal richtig verreisen. Südsee, Italien, Amerika, was weiß ich. In Kitzbühel hab ich auch noch ein kleines Haus und ein Penthaus am Gardasee.«

      Er schaute den Auer aus seinen rotunterlaufenen Augen an: »Sie ist oft ausgebrochen, aber auch immer wieder zurückgekommen. Es muss irgendwas mit ihr passiert sein, sonst hätte ich von ihr gehört. Helfen Sie mir, Max Auer, sie ist alles, was ich habe.«

      »In welcher Beziehung steht jemand wie Sie zum Glasl und was hatten Sie mit meinem Onkel zu tun?«

      Der Brunner rührte nachdenklich mit einem Finger in einer kleinen, runden Bierlache auf der Tischplatte: »Die Sissi kannte den Glasl. Sie hat ab und zu bei ihm gearbeitet, hat sie mir erzählt. Hinter der Theke. Der Ottfried hat ihr das vermittelt. So hab ich sie kennengelernt. Und dass der Glasl in der hiesigen Unterwelt bestens vernetzt ist, das weiß ein jeder. Mir war das nicht recht, dass sie ihm ab und zu ausgeholfen hat, aber er war, so wie viele ihrer Freunde, »aus einem früheren Leben«, wie sie mal zu mir gesagt hat. Und die Sissi ist keine Frau, der man was verbietet oder abschlägt. Und der Otti? Meine Bank hat einige seiner Unternehmungen finanziert. Wir waren alte Freunde, und er hat mir das Kitzbühelhaus und die Wohnung am Gardasee beschafft. Das wird Ihnen die Friedl sowieso erzählen, also können Sie es auch von mir hören. Eine Hand wäscht die andere. So ist das nun mal.«

      Er trank, hob sein leeres Glas und wackelte damit: »Den Otti hab ich anfangs beneidet. Um sein abenteuerliches Leben, seine Kontakte zu Leuten wie dem Glasl und anderen Halbweltlern, mit denen sich einer wie ich in so einem Lokal wie dem hier nicht sehen lassen dürfte. Aber diese Leute haben immer fröhliche Tage und bunte Nächte. Schöne Frauen, immer Spaß. Immer Action, die leben ihr Leben und nehmen sich, was sie wollen. Aber meine verstorbene Frau hat mal zu mir gesagt: ›Wenn du jemanden um sein Leben beneidest, dann denk an die Bilder von den Pizzas auf den bunten Prospekten von diesen Lieferservices. Die sehen, im richtigen Licht fotografiert, immer besser aus, als sie dann sind, wenn du sie auf dem Teller hast.‹« Er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch: »Wo ist denn nun mein Bier, zum Teufel?«

      »Ihr Bier? Kommt gleich, Herr Direktor!«, rief die Kellnerin und der Brunner schaute wieder auf seine Hände: »Sie waren bei der Kripo in München, ein guter Ermittler. Aber man hat Sie kaltgestellt. Reingelegt, könnte man sagen. So viel hab ich von einem Freund aus München erfahren. Sie sind wohl dem verkehrten Mann zur verkehrten Zeit auf die Füße gestiegen, was?«

      Er versuchte zu lächeln, das gelang ihm aber nicht. »Und jetzt, was wollen Sie hier in Rosenheim beruflich so machen? Sie sind ja noch jung, da muss noch was kommen, oder?«

      Auer zuckte mit den Achseln und nahm sich eine Breze aus dem Korb: »Mal schauen. Ich hab ja auch noch eine abgeschlossene Ausbildung als Rauchmelder. Ich kann laut schreien, wenn’s brennt. Ist eine seltene Begabung, und Spezialisten werden immer gesucht. Warum fragen Sie?«

      Brunner grinste gequält und sagte: »Wenn du eine Frage stellst, und es gibt darauf keine vernünftige Antwort, dann kann das schon die Antwort sein, Herr Auer. Überlegen Sie, wie viel Sie von mir für Ihre Dienste haben wollen. Rufen Sie mich später im Büro an. Hier ist meine Karte. Und das hier«, er fasste mit der linken Hand in die Tasche seiner Lodenjacke und legte ein weißes iPhone 8 auf den Tisch, »das ist ihr Handy. Das hat sie wohl vergessen. Normalerweise nimmt sie das immer mit, wenn sie, wie soll ich sagen … verreist. Diesmal hat sie es wohl vergessen. Schauen Sie sich die gespeicherten Nummern an, vielleicht finden Sie einen Hinweis, wo sie hingefahren ist. Wenn Sie den Job machen und sie finden, dann seien Sie nett zu ihr. Sagen Sie ihr, ich mache mir Sorgen. Wenn sie noch wegbleiben will, kein Problem. Ich will nur sicher sein, dass es ihr gutgeht, okay?«

      Auer steckte das Handy und Brunners Karte ein: »Geben Sie mir Zeit zum Überlegen. Bis heute Abend. Zu Ihrem Angebot: Wenn ich Ihre Frau suche, und ich finde sie schnell, dann kostet Sie das nichts. Wenn Spesen anfallen, erstatten Sie mir die. Wird aber wohl nicht vorkommen. Es kann ja auch gut sein, Sie hören heute noch von ihr, dass alles okay ist. Wenn sich Ihre Frau bei Ihnen meldet, rufen Sie bitte bei meiner Tante an. Da wohne ich. Sie kennen sich doch, oder?«

      Jetzt lächelte der Brunner und nickte: »Die Friedl war meine große Jugendliebe. Das hat sie aber nie mitbekommen, weil ich zu schüchtern war. Dann ist der Otti aufgetaucht und hat sie sich geschnappt. Was für eine Frau. Ja, die Nummer habe ich. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich muss zurück. Was immer Sie hier wann auch immer konsumieren, das geht auf unseren Zettel, die wissen schon Bescheid.«

      Brunner gab dem Auer noch einen schlaffen und feuchten Händedruck, dann trippelte er wie ein trauriger alter Vogel mit eingezogenem Kopf aus dem Lokal.

      Ehrlich währt am längsten – aber wer nicht bescheißt,

      der kommt zu nix

      »Ja, so isses halt im Leben, Bub. Da musst flexibel sein.« Mit einer schwungvollen Bewegung stellte die Friedl dem Auer einen Teller mit einem selbstgebackenen gedeckten Apfelkuchen hin. Auf dem Kuchenstück wackelte ein Sahneberg in Form des Matterhorns.

      Auer schüttelte den Kopf: »Ich hab jetzt echt keinen Hunger, Tante.« Die Friedl stemmte die Hände in die Hüften: »Und wenn du noch einmal Tante zu mir sagst, dann landet der Kuchen auf deiner Rübe, du undankbarer Junge. Und essen musst du, du hast ja nix auf den Rippen.«

      Auer setzte sich gerade hin und klopfte sich wortlos auf den Bauch, aber Friedl schüttelte den Kopf: »Ach was, das ist doch alles Luft. Blähungen. Und außerdem: Ein Mann ohne Bauch ist ein Krüppel. Der Otti, der hat immer gesagt,