Danny Seel

Shinobi - Dem Untergang geweiht


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humorvollen Versuche des Chūnin, sie zum Gehorchen zu bringen, überzeugten sie schließlich, und sie standen mit leicht gespielten, unterwürfigen Gesten auf.

      Bevor sie das Zimmer verließen, blieb Izuya stehen und wandte sich an Ryuzaki sowie dessen Freundeskreis: „Wir machen jetzt einen kurzen Spaziergang. Wollt ihr mitkommen?“

      „Nein, danke“, antwortete sein Sohn. „Ich bleibe lieber hier.“

      Sobald dies geklärt war, schlenderten die sechs Männer aus dem Zimmer und überquerten die offene Fläche unter dem Dach des Gasthauses, wo zwei oder drei Bauern auf Bänken saßen und eine leichte Mahlzeit genossen. Yujiro und seine Kameraden gingen an ihnen vorbei und begaben sich in eine unbestimmte Richtung.

      „Schade, dass Genpuku nur einmal im Leben jedes Mannes stattfindet. Andere Anlässe, solche Speisen aufgetischt zu bekommen, hat man nicht oft“, äußerte sich Suzaku zufrieden.

      „Ja.“ Daisuke war einer Meinung mit ihm. „Das einzige Problem ist, dass man sich selbst im Zaum halten muss, um nicht am nächsten Tag aufzuwachen und bemerken, dass man zugenommen hat.“

      „Ich kann mir vorstellen, wie schwierig das mit dem Alter wird“, gab der Chūnin spaßig einen Kommentar ab.

      „Hey! Ich bin doch nicht alt!“ Die anderen lachten bloß über seine Reaktion. „Na gut“, gab er schließlich zu. „Ich bin alt genug, um mich noch an den Tag zu erinnern, an dem du und dein Bruder vor über zwanzig Jahren fast mein Haus abgefackelt hattet!“

      „Aber das war doch nicht mit Absicht!“, protestierte Izuya. „Wir wollten bloß ein Lagerfeuer machen.“

      „Mitten im Dorf?!“ Daisuke setzte so ein gespieltes ernst dreinblickendes Gesicht auf, dass die anderen erneut lächeln mussten.

      „Wann war das denn?“, wollte Suzaku interessiert wissen.

      „Damals warst du noch nicht einmal auf der Welt“, schüttelte Yujiro schmunzelnd den Kopf. „Aber das waren lustige Zeiten …“

      Am Ortsrand angekommen, blieben sie wie auf ein Kommando stehen. Alle sechs verstummten in Ehrfurcht, als sie die ungezähmte Landschaft ihrer Heimat sahen.

      Die Sonne stand noch hoch am Himmel und erleuchtete den weitläufigen Wald, der sich vor ihnen auf dem Gebirge erstreckte. Ein kleiner Fluss zog sich dort kurvenförmig in die Länge, dessen Wasser kristallklar war und die Strahlen der Sonne widerspiegelte, wobei es sich einem leuchtenden Krystal ähnelte. Der Kontrast zwischen den vielen, intensiven Farben war von solch einer natürlichen Schönheit, dass eine volle Minute verging, bevor einer der Männer überhaupt ein Wort aussprechen konnte.

      „Die Sicht ist einfach atemberaubend“, flüsterte Izuya und schloss die Augen. Mit einer fast ehrfürchtigen Langsamkeit zog er die frische Luft ein.

      „Iga ist ein wunderschönes Juwel inmitten unseres kriegführenden Landes. Es ist eine der wenigen Provinzen, in der Frieden und Harmonie ihre Herrschaft hat“, lobte Rintaro seine Heimat.

      „Es waren diese Landschaft, diese Berge, die unsere Vorväter jahrhundertelang als Wächter gedient und machtgierige Daimyō von uns ferngehalten haben“, setzte Daisuke fort. Er schien in nostalgische Erinnerungen zu verfallen.

      „Dann glaube ich, dass wir uns alle über eines einig sind …“ Yujiro setzte eine Pause ein, „… wir werden Iga mit unseren Leben verteidigen, wenn es zu einem Krieg kommt.“

      Alle außer Izuya stimmten sofort zu. Der Letztere zog etwas argwöhnisch die Augenbrauen zusammen.

      „Weißt du etwa noch mehr darüber?“

      Sein Bruder sah ihn mit einem ernsten Ausdruck an und nickte. „Die Zeit des Friedens nähert sich ihrem Ende …“

      „Was meinst du damit?“, fragte Suzaku erschrocken. „Wir haben doch erst vor eineinhalb Jahren einem starken Angriff widerstanden.“

      Yujiro starrte vor sich hin, als er sich nachdenklich auf die Lippen biss. Als Assistent des Jōnin gab es nicht wenige Informationen, über die er Bescheid wusste, seine Waffenbrüder jedoch darüber im Ungewissen ließ. Nach einigem Grübeln blickte er zu seinen Begleitern auf. Seine Miene schien Entschlossenheit auszudrücken.

      „Ich kann euch keine genaueren Informationen preisgeben, da wir selbst diese Vermutung noch nicht mit völliger Sicherheit bekräftigen können. Aber ich habe schon einen Genin im Auftrag von Momochisama ausgesandt, um uns eine klare Antwort über diese Angelegenheit zu verschaffen.“

      „Der Nagel, der herausragt, wird flachgehämmert“, flüsterte Rintaro düster.

      „Das heißt doch nicht, dass wir uns auf einen weiteren Krieg vorbereiten müssen?“, fragte Suzaku das für ihn Undenkbare.

      „Vielleicht. Haltet euch einfach bereit. Wir wissen nicht, was auf uns zukommt. Sollten jedoch unsere Vermutungen stimmen, dann werden nicht einmal die Götter in der Lage sein uns von dieser Macht zu erretten.“

      Mit diesen Worten entfernte sich Yujiro von seinen Freunden. In Zeiten wie diesen wurde er von vielen Verantwortungen geplagt und das Verlangen nach dem Alleinsein nahm immer mehr zu.

      Ein paar Minuten lang wanderte er weiter, bis er außer Sicht seiner Waffenbrüder war. Schließlich blieb er stehen und blickte auf die hohen Berge. Er meinte spüren zu können, dass sein Leben bald auf den Kopf gestellt werden würde. Und dieses Gefühl wurde von Tag zu Tag stärker …

      „Yujiro? Ist alles in Ordnung?“

      Kiyonori drehte sich um. Teruo kam einige Schritte näher, bevor er beunruhigt anhielt.

      „Ja, ich glaube schon“, erwiderte der Chūnin. „… wenigstens hoffe ich es.“

      Er verstummte und sein Blick wanderte wieder zu der Landschaft. Teruo ging weiter, bis er direkt neben ihm stand, und betrachtete ebenfalls das prachtvolle Naturbild vor ihnen. Einige Zeit lang sagte niemand etwas.

      „Yujiro“, begann Teruo zögerlich. „Gab es je einen Zeitpunkt in deinem Leben, wo du genau wusstest, was du tun sollst … aber als der Moment kam, du es nicht tun konntest?“

      „Natürlich, wieso fragst du? Kann ich dir irgendwie helfen?“

      Teruo schüttelte den Kopf. „Das ist genau das Problem. Es gibt etwas, das ich alleine tun muss. Etwas, das ich nicht tun möchte, doch ich weiß, dass es unausweichlich ist.“

      „Wovon redest du?“ Der Chūnin fing an sich Sorgen zu machen.

      „Es ist schwierig zu erklären. Ich denke … ich meine …“ Er machte eine Pause. „Ach bitte, vergiss es einfach.“

      Kiyonori sah ihn fragend an, gehorchte jedoch der Etikette, obwohl er vom Benehmen seines Freundes sehr verwirrt war. Teruo seufzte niedergeschlagen und ging mit langsamen Schritten davon.

      Fragen durchströmten Yujiro, doch er schob sie alle beiseite. Sobald Teruo bereit war, mit ihm seine Gedanken zu teilen, dann würde er es auch tun.

      Nach einigen Sekunden des Nachdenkens wurden ihm Erinnerungen wieder ins Gedächtnis gerufen. Es war – wie immer – das dunkelste Ereignis seiner Kindheit.

      Der Chūnin stand dort noch eine Zeit lang. Er wusste nicht, ob es eine Stunde oder bloß einige Minuten waren. Ihm war es auch nicht wichtig. Er hatte das Gefühl nicht mehr auf dieser Welt zu sein. Er fühlte sich in seiner Vergangenheit gefangen.

      „Kiyonorisan!“

      Unvermittelt erstarrte er, als er diesen Ruf vernahm und die Stimme identifizierte. Diese Stimme hörte sich zugleich erfreut und zornig an. Diese Stimme hatte einen bedrohlichen Klang. Und vor allem … diese Stimme gehörte seinem Rivalen Katō Noriaki.

      7. Noriaki

      Langsam drehte sich Yujiro um und stand Noriaki von Angesicht zu Angesicht. Er wusste nur allzu gut, weshalb dieser so grinste. Vorsichtig suchte er sein Gegenüber mit dem Blick nach versteckten Waffen oder sonstigem ab, wobei er eine Menge von