Блейк Пирс

Die Perfekte Nachbarin


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den Adrenalinrausch, den harten Schlag und nun auch den Würgegriffs schrie Prissy innerlich wie am Spieß, auch wenn sie keinen Ton herausbrachte. Mit den Ellbogen versuchte sie ihren Angreifer in die Rippen zu stoßen, so dass er seinen Griff lockerte. Allerdings spürte sie, wie sie langsam das Bewusstsein verlor, und sie wusste, dass ihre Stöße kaum eine Wirkung erzielten.

      So darf es nicht enden!

      Als ihr dieser Gedanke kam, sah sie bereits weiße Punkte vor den Augen. Und das machte ihr solche Angst, dass sie sich in einem letzten, verzweifelten Versuch aufbäumte. Aber da war es schon viel zu spät.

      KAPITEL ZWEI

      Jessie Hunt stand vom Küchentisch auf und ließ sich die Schmerzen nicht anmerken.

      Sie sammelte alle Teller ein und ging hinüber zum Spülbecken, um Wasser über das Geschirr laufen zu lassen. Da sie mit Abstand die schlechteste Köchin von allen Anwesenden war, hatte sie sich davor drücken können, das Abendessen zuzubereiten. Das bedeutete allerdings, dass sie den Job der Spülerin hatte übernehmen müssen. Normalerweise war das ein fairer Deal. Aber da sie noch unter den Verletzungen litt, die sie sich kürzlich zugezogen hatte, bereitete es ihr große Mühe, sich nach unten zu beugen. Das Geschirr in die Spülmaschine einzuräumen war häufig der Auslöser für stumme Tränen.

      Sie spürte immer noch den stechenden Schmerz am Rücken, wo ihre Haut vor drei Wochen verbrannt worden war. Aber sie schaffte es, es sich nicht anmerken zu lassen. Weder ihr Freund Ryan noch ihre Halbschwester Hannah schienen zu merken, dass sie immer noch große Schmerzen erlitt.

      Die Verbrennungen hatte sie sich zugezogen, als sie eine Frau vor einem gestörten Mann gerettet hatte, der diese entführt und nach ein paar Tagen absichtlich freigelassen hatte, um dann in ihr Haus einzudringen und zu versuchen sie umzubringen. Jessie und der Frau war es nur knapp gelungen, aus dem brennenden Haus zu fliehen. Seitdem war Jessie vom LAPD beurlaubt worden. Man hatte sie zunächst ins Krankenhaus verfrachtet und nun saß sie in ihrer eigenen Wohnung fest.

      Sie wusste, dass sie nicht hätte leiden müssen, da sie genügend Schmerzmittel hatte. Die Ärztin hatte ihr gesagt, sie solle die Dosierung während eines Monats beibehalten. Aber vor einer Woche hatte Jessie begonnen, das Mittel langsam abzusetzen, teilweise aus Angst vor einer Abhängigkeit. Allerdings gab es da einen weiteren Grund. Sie musste wachsam bleiben.

      An dem Tag, nachdem Jessie sich verbrannt hatte, während sie im Krankenhaus lag, war ihr Ex-Mann, Kyle Voss, aus dem Gefängnis entlassen worden. Dabei handelte es sich um den gleichen Ex-Mann, der wegen Mordes an seiner Geliebten in den Knast gewandert war, was er Jessie damals hatte anhängen wollen. Als sie dahintergekommen war, hatte er versucht sie umzubringen.

      Jedoch hatte der Staatsanwalt bezüglich Kyles Fall irgendwie herausgerückt, dass man mit dem Beweismaterial unsachgemäß umgegangen war. Natürlich war Jessie klar, was es mit dem „irgendwie“ auf sich hatte. Kyle hatte sich mit einer Gefängnis-Gang angefreundet, die Teil des berühmt-berüchtigten Monzon-Drogenkartells war. Als Folge davon hatten Kartellmitglieder die Familie des Staatsanwalts bedroht. Dessen war Jessie sich sicher.

      Während Jessie sich also im Krankenhaus von ihren Verbrennungen erholte, entließ ein Richter Kyle Voss wieder in die Gesellschaft. Dabei entschuldigte er sich sogar im Gerichtssaal bei ihm. Kyle war wie immer der Charmeur in Person. Während einer Pressekonferenz gab er zu, dass er „weit davon entfernt war, unfehlbar zu sein“, und dass er ein neues Kapitel in seinem Leben aufschlagen wolle, indem er unter anderem eine Stiftung ins Leben rufen würde, die Organisationen für fälschlicherweise verurteilte Insassen unterstützt.

      Was Kyle jedoch nicht zugab – und was Jessie wusste, jedoch nicht beweisen konnte – war, dass er, während er im Gefängnis gewesen war, einen Rachefeldzug gegen Jessie gestartet hatte, mit dem er ihr Leben und ihren Ruf zerstören wollte. Er hatte mit kleinen Dingen begonnen, indem etwa ein Kartellmitglied ihre Autoreifen aufgeschlitzt hatte. Dann hatte es sich dahingehend gesteigert, dass man antipsychotische Drogen versteckt und anonym das Jugendamt informiert hatte, mit der Behauptung, sie würde Hannah, für die sie das Sorgerecht hatte, Gewalt antun. Weiter ging es damit, dass man ihre Social-Media-Konten gehackt und in ihrem Namen rassistische und anti-semitische Kommentare gepostet hatte. Letzteres hatte, obwohl man dahintergekommen war, immer noch negative Auswirkungen auf Jessies berufliche Kontakte, außerdem auf die öffentliche Wahrnehmung ihrer Person.

      Die Krönung bildete ein Blumenstrauß, der anonym in ihr Krankenzimmer gesendet worden war, und zwar mit der Notiz, dass der Absender sie bald sehen würde. Wenn man bedachte, dass Kyle bereits versucht hatte, sie umzubringen, und einem Informanten im Gefängnis gegenüber erwähnt hatte, dass er sie „wie ein Schwein abschlachten und in ihrem warmen Blut baden wolle“, kam es Jessie nur allzu angebracht vor, das Schmerzmittel zu reduzieren. Die körperlichen Beschwerden waren da nur ein geringer Preis dafür, dass ihr Geist rege bleiben konnte.

      Es schadete auch nicht, dass ihr Freund, der kürzlich bei ihr und Hannah eingezogen war, ein verdienter LAPD-Kriminalbeamter war, der aussah, als könnte er es locker mit einem Stier aufnehmen. Ryan Hernandez, der Top-Kriminalbeamte in der Spezialeinheit für Mord, war 1,90 Meter groß und bestand aus 100 Kilogramm reiner Muskelmasse. Jessie hatte manchmal den Eindruck, sie sei mit ihrem eigenen Bodyguard zusammen. Momentan kam ihr das jedoch nicht so vor.

      „Hast du’s bequem?“, fragte sie, ging rüber zur Couch und legte sich darauf, während seine nackten Füße auf der Lehne lagen.

      „Sehr“, erwiderte er, dann zog er sie auf: „Hast du das Geschirr auch ordentlich eingeseift?“

      „Du wirst gleich merken, wie gut eingeseift es ist, wenn du deine Stinkefüße nicht sofort von meiner Armlehne nimmst.“

      Ohne ein Wort zu sagen, nahm er sie runter, streckte ihr aber die Zunge heraus. Sie unterdrückte ein Grinsen.

      Zusätzlich zu der Tatsache, diesen gestandenen Mann im Fresskoma bei sich zu haben, beruhigte es sie außerdem, dass ihre Wohnung praktisch ein Tresorraum war. Sie hatte sie absichtlich so konstruieren lassen, als ihr leiblicher Vater, ein Serienkiller namens Xander Thurman, sie verfolgt hatte. Er war der Meinung gewesen, dass sie sich dem Familienunternehmen anschließen müsse oder andernfalls zu dessen Opfer werden würde.

      Also hatte sie sich eine Wohnung zugelegt, die von pensionierten Cops bewacht wurde, über einen Parkplatz verfügte, der rund um die Uhr überwacht wurde, und in der jeder Flur und jeder umliegende Platz über Kameras verfügte. Aber das war noch nicht alles.

      Sie war eine von wenigen Bewohnern – alle mit profilierten Jobs – die auf der geheimen 13. Etage lebten, die den meisten anderen Leuten im Haus unbekannt war. Man konnte sie nur über eine Treppe vom 12. oder 14. Stock aus erreichen, die hinter Flurschränken verborgen war.

      Zusätzlich hatte Jessie für die Wohnung ihr eigenes, ausgeklügeltes Sicherheitssystem installieren lassen, inklusive diverser Schlösser und Alarme. Der einzige Vorteil aus ihrer Ehe mit einem zwar mordsüchtigen, jedoch auch extrem wohlhabenden und erfolgreichen Finanzberater hatte darin bestanden, dass sie nach ihrer Scheidung selbst wohlhabend geworden war.

      Trotz all dieser Vorkehrungen wusste sie, dass Kyle, ein Soziopath, der sie ein Jahrzehnt lang hinters Licht geführt hatte, gerissen und skrupellos war. Er war beinahe mit Mord davongekommen. Er hatte sich einer langen Gefängnisstrafe entziehen können. Sie wusste, dass er durchaus in der Lage war, ihre sicherheitstechnischen Vorrichtungen zu umgehen.

      „Lust auf Dessert?“, fragte Hannah sie vom Esstisch aus und brachte Jessie damit wieder in die Gegenwart, als sie die restlichen Teller abspülte. „Ich habe Birnentörtchen gemacht.“

      Jessie war schon voll, wollte die zerbrechliche, positive Stimmung des Abends jedoch nicht zunichtemachen.

      „Ich platze gleich, aber ein kleines Stück probiere ich gern“, erwiderte sie, was ihr ein zufriedenes Lächeln ihrer Halbschwester einbrachte.

      Jedes Lächeln, das sie heutzutage ergattern konnte, war etwas Positives. Auch wenn, oberflächlich betrachtet, alles, was in der Wohnung vor sich ging, angenehm zu sein schien, so brodelte es darunter doch gewaltig. Ryan hatte Hannah zunächst um Erlaubnis gefragt, bevor er das Thema Zusammenziehen angesprochen