STERBENDER SOLDAT
schreiend
Hauptmann, hol her das Standgericht!
Ich sterb’ für keinen Kaiser nicht!
Hauptmann, du bist des Kaisers Wicht!
Bin tot ich, salutier’ ich nicht!
Wenn ich bei meinem Herren wohn’,
ist unter mir des Kaisers Thron,
und hab’ für sein Geheiß nur Hohn!
Wo ist mein Dorf? Dort spielt mein Sohn.
Wenn ich in meinem Herrn entschlief, kommt an mein letzter
Feldpostbrief.
Es rief, es rief, es rief, es rief!
Oh, wie ist meine Liebe tief!
Hauptmann, du bist nicht bei Verstand,
daß du mich hast hieher gesandt.
Im Feuer ist mein Herz verbrannt.
Ich sterbe für kein Vaterland!
Ihr zwingt mich nicht, ihr zwingt mich nicht! Seht, wie der Tod
die Fessel bricht!
So stellt den Tod vors Standgericht!
Ich sterb’, doch für den Kaiser nicht!
WEIBLICHE GASMASKE
nähert sich
Soviel ich seh’, fiel hier ein Mann mit Gottes Willen.
Auch unsereins hat seine Pflicht hier zu erfüllen.
In dieser ernsten Zeit gibts keinen Zeitvertreib.
Das Kleid ist nicht der Mann, doch ist’s auch nicht das Weib.
In Not und Tod und Kot gibt es die gleichen Rechte.
Wo kein Geschlecht, gereicht’s zur Ehre dem Geschlechte.
Zwei Soldaten und ein Maulesel mit Gasmasken, 1917
Der erste Einsatz von chemischen Kampfstoffen im Ersten Weltkrieg fand im August 1914 durch französische Truppen statt, die Xylylbromid, ein Tränengas, gegen deutsche Truppen anwandten. Das anschließende weitere Ausprobieren anderer chemischer Stoffe führte zu einer Verschärfung des Gaskrieges. Der erste schwerwiegende Einsatz fand am 22. April 1915 bei Ypern statt, als deutsche Truppen 150 Tonnen Chlorgas gegen die französischen Schützengräben einsetzten: Das Ergebnis waren ca. 5.000 Tote und 10.000 Verletzte. Die grausamen Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg – ca. 90.000 Menschen starben, bis zu eine Million wurde verletzt – führten dazu, dass im Zweiten Weltkrieg in Europa keine chemischen Kampfstoffe eingesetzt wurden.
MÄNNLICHE GASMASKE
stellt sich gegenüber
Nur daß dein Gesicht
sich an meines gewöhne!
Ich kenne dich nicht,
du Maske, du schöne!
Erfüllt von dem Grauen,
erfüllend die Pflicht,
sollen wir uns nicht schauen,
wir kennen uns nicht.
Uns gilt nur die Sache,
hier gilt es zu kämpfen,
es droht uns die Rache
mit giftigen Dämpfen.
Der Himmel spuckt Flammen,
verzischend im Blute.
So gehn wir zusammen
auf diese Redoute.
Fernes Trommelfeuer
WEIBLICHE GASMASKE
Gesicht und Geschlecht
verbietet die Pflicht.
Wir haben kein Recht
auf Geschlecht und Gesicht.
Das Leben verbracht
zwischen Leichen und Larven –
mir tönt diese Nacht
wie Hörner und Harfen!
BEIDE
Arm in Arm
Wir haben kein Recht auf Geschlecht und Gesicht.
Gesicht und Geschlecht verbietet die Pflicht.
Sie verschwinden.
Zwei Generale auf der Flucht, in einem Automobil
GENERAL
(Sprechgesang)
Da kann man nicht weiter,
die Erde hat Risse,
da gibts spanische Reiter
und sonst Hindernisse.
Die Schlacht hat nunmehr
eine Wendung genommen,
wir sind bis hieher
nach vorne gekommen.
In unsere Jahr’
da is nicht zu spaßen,
wir sind in Gefahr,
das Leben zu lassen.
Nicht wanken und weichen
die Mannschaften ziert.
Fahren S’ über die Leichen,
sonst sind wir petschiert!
Was hat denn der eine,
der hat keinen Kopf,
dem fehlen die Beine,
und am Rock fehlt a Knopf!
Das is ein Skandal,
da werd’ ich leicht schiech,
Sie toter Korpral,
adjustieren Sie sich!
Das is doch zuwider,
da krieg’ ich ein’ Pik,
ah, da legst di nieder –
hörn S’, jetzt is doch Krieg!
Der hört nicht. Herstellt!
Sie, was machen S’ denn dort
mir san doch im Feld!
Sie gehn zum Rapport!
Das is doch verboten,
die Wirtschaft hier vorn!
Fahren S’ über die Toten,
sonst sind wir verlorn!
Sie fahren ab. Es tagt.
Zwei Kriegsberichterstatter im Automobil, sie steigen aus. Breeches, Feldstecher, Kodak
ERSTER KRIEGSBERICHTERSTATTER
Ich finde es gut,
hier stehen zu bleiben.
Ich habe den Mut,
diese Schlacht zu beschreiben.
ZWEITER KRIEGSBERICHTERSTATTER
Ja, hier wie mir scheint
kann noch etwas geschehn.
Der Punkt ist vom Feind
sehr gut eingesehn.