Jutta von Kampen

Mami Bestseller Staffel 4 – Familienroman


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und munter. Das heißt, die Kleine hat die Masern und liegt im Bett, daher meine Verspätung. Ich habe mich heute nacht um Heike kümmern müssen.«

      Cornelia Krümel nahm vor dem Schreibtisch der Leiterin Platz und begann mit ihrem Bericht.

      Frau Steiger zeigte sich erfreut und fast ein wenig bewegt.

      »Kindchen, bin ich wirklich erleichtert«, sagte sie, nachdem die junge Fürsorgerin geendet hatte. »Soso! Die Kinder haben also jenen Ort aufgesucht, an dem sie so viele glückliche Ferientage mit der verstorbenen Mutter verlebt haben. Eigentlich zu verstehen, nicht wahr? Wir hätten gleich darauf kommen müssen. Kai hat ja während des kurzen Aufenthalts im Waisenhaus ständig von dem Olsenhaus erzählt.«

      Nachdenklich betrachtete Frau Steiger das glückliche Gesicht ihrer jungen Beamtin, die sie während der vergangenen drei Tage oft tief verzweifelt erlebt hatte.

      »Ihnen ist gewiß ein Stein vom Herzen gefallen, nicht wahr, Cornelia?«

      Stumm nickte Fräulein Krümel. Sie senkte den Blick auf ihre im Schoß ruhenden Hände und fragte endlich zögernd:

      »Wird man Herrn Olsen bestrafen? Ich meine, weil er die Kinder doch zwei Tage in seinem Haus versteckte, während die Polizei nach Kai und Heike suchte. Es waren nur zwei Tage, Frau Steiger. Als ich das erste Mal im Haus war, da wußte er ja noch gar nichts von der Anwesenheit der Kinder. Ich habe Kai gefragt. Es stimmt! Und wenn ich mir die Behauptung erlauben darf, die Kinder sind gern dort. Sie haben dort sogar wieder ein wenig Vertrauen gewonnen. Ihr Schmerz, die tiefe Verzweiflung sind ein wenig abgeklungen. Herr Olsen versteht es wunderbar, mit Kai und Heike umzugehen. Davon konnte ich mich selber überzeugen.«

      Nachdenklich hatte Frau Steiger zugehört. Nun spielte ein weises Lächeln um ihre Lippen, spiegelte sich in den warmherzigen Augen und gab ihren Zügen einen gütigen Ausdruck, den Cornelia Krümel schon kannte.

      »Wie geht es eigentlich Ihrem Vater?« fragte sie ablenkend.

      Cornelias Vater war vor vielen Jahren ihr Vorgesetzter. Er wurde ihr im Laufe der Zeit ein treuer Freund, mit dem Frau Steiger ab und zu eine Partie Schach spielte. Herr Krümel war ja nun schon lange pensioniert.

      »Vater geht es gut«, entgegnete Fräulein Krümel leicht verwundert und ein wenig nervös. Warum lenkte Frau Steiger plötzlich auf ein anderes Thema über?

      Aber da meinte die Leiterin auch schon in einem völlig veränderten, kühlen Ton: »Da hat Herr Olsen sich ja schön in die Nesseln gesetzt. Wir müssen die Kinder dort natürlich schnellstens fortholen.«

      Unruhig spielte Cornelia mit ihrem Drehbleistift.

      »Aber Heike wird das Bett in den nächsten Tagen nicht verlassen dürfen. Und überhaupt! Könnte man die Kinder nicht die Ferien über bei dem Mann lassen? Herr Olsen äußerte die Absicht, Kai und Heike zu adoptieren. Er sagt, er habe Frau Brünnig einmal geliebt. Ja, genauso drückte er sich aus.«

      Nun senkte Cornelia erneut den Blick vor den erstaunten Augen ihrer Vorgesetzten.

      »Das wird ja immer besser!« stieß die Leiterin ärgerlich hervor. »Der Mann ist doch Junggeselle und steht in keinem besonders guten Ruf. Wir können unsere Zustimmung zu einer Adoption nur dann geben, wenn Henry Olsen eine Frau vorzuweisen hätte, die unseren Vorstellungen in etwa entspräche.«

      Rasch hob Cornelia den Blick zu Frau Steiger.

      »Er will schnellstens heiraten. Bedenken wir doch, daß sich die Verwandten der Kinder in keinem sehr günstigen Licht gezeigt haben. Sie sind sehr bald heimgereist, und ihre Anrufe und Fragen nach den verschollenen Kindern sind mehr als dürftig. Nun ja, es sind ja keine großen Geldmittel vorhanden.«

      Das letzte kam bitter, während sich Fräulein Krümels feingezeichnete schmale Lippen verächtlich bogen.

      Doch sie fing sich schnell und fügte hinzu:

      »Herr Olsen ist ein vermögender Mann. Es wäre für Kai und Heike gesorgt.«

      Aber Frau Steiger winkte ab.

      »Liebes Kind, Sie wissen recht gut, daß es andere, wichtigere Dinge gibt, die bei einer solchen Entscheidung zu beachten sind. Dinge, die auch für die betroffenen Kinder viel bedeutsamer sind als Reichtum. Allerdings dürfen wir im Interesse der Kinder nicht voreilig unser Urteil über Olsen fällen.«

      Das war immerhin schon etwas. Fräulein Krümel atmete heimlich auf und musterte ihre Vorgesetzte mit wachsender Spannung.

      Immer wenn Frau Steiger so intensiv ihre Topfblume betrachtete, wälzte sie hinter ihrer Stirn schwere Gedanken.

      Nun wandte Frau Steiger den Blick voll Cornelia zu.

      »Wer ist denn im Moment bei den Kindern? Herr Olsen wird ja nicht gut allein mit den beiden zurechtkommen.«

      Zögernd bekannte die junge Fürsorgerin, daß sich gegenwärtig tat­sächlich sonst niemand in dem großen Haus befände.

      »Hm!« Wieder schweifte Frau Steigers Blick zur Fensterbank, auf der einsam ein Alpenveilchen vor sich hin welkte. Dann kehrte ihr Blick jäh zurück, und völlig unmotiviert fragte sie: »Hatten Sie in diesem Jahre eigentlich schon Urlaub, Cornelia?«

      »Nein. Warum? Ach, Sie… Sie denken, ich soll…?«

      Frau Steiger nickte, während ein Schmunzeln über ihr Gesicht glitt.

      »Ganz recht! Sie werden in Lippoldsberg Ferien machen, um Kai und Heike noch besser verstehen zu können und um gewissenhaft zu prüfen, ob es sich bei Herrn Olsen nicht nur um eine Laune handelt mit seiner Absicht, die beiden Waisen an Kindes Statt anzunehmen. Sehen Sie, hier! Wissen Sie, was das ist?« Frau Steiger schwenkte einen kleinen Zettel vor Cornelias Augen und fügte hinzu: »Das ist eine sehr hohe Geldzuwendung von einem Anwalt des Herrn Olsen. Für das neue Waisenerholungsheim an der Ostsee. Tja, so schlau ist Olsen schon. Wir müssen uns mit seinen Wünschen näher vertraut machen.«

      Seufzend legte Frau Steiger den Bankauszug zurück in ihren Schreibtisch, wobei sie die junge Beamtin nicht aus den Augen ließ.

      »Cornelia! Ich weiß, daß Ihnen das Schicksal der Kinder sehr am Herzen liegt. Bitte, gehen Sie zu Henry Olsen! Prüfen Sie ihn, und dann geben Sie mir einen genauen Bericht über diesen Menschen. Sehen Sie sich auch seine zukünftige Frau an. Ich vertraue auf Ihr Urteil.«

      Damit war Fräulein Krümel entlassen. Sie erhob sich und gab fest zurück: »Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen, Frau Steiger. Ich fahre noch heute nach Lippoldsberg. Meine Pläne bezüglich Langeoog stelle ich halt zurück.«

      Das kam lächelnd und sehr glücklich, und Fräulein Krümel war es auch, eigentlich zum erstenmal wieder seit fünf Jahren. Genauer gesagt, seit jenem Tag, da ihr Glück an den Worten eines alten Mannes zerbrach, der für seinen großen Erbhof einen Nachkommen wünschte.

      Er hatte einen Sohn, gewiß, soweit war der Hof in guten Händen. Daß sein Sohn jedoch ein Mädchen ehelichen wollte, das keine Kinder mehr bekommen konnte, stellte alles in Frage. Da mußte was geschehen. So kam es zu jenem Gespräch zwischen Edward Martinsen und der gerade von einem schweren Sturz genesenen Cornelia Krümel.

      Ein Sturz vom Pferd, und das Glück liegt in Scherben, dachte die junge Fürsorgerin nun, während sie sich mit einem warmen Händedruck von der Leiterin verabschiedete. Ihrem glücklichen Gesicht waren die schmerzlichen Erinnerungen nicht anzusehen, die jäh in Cornelia aufgestiegen waren.

      Sie war schon an der Tür, als Frau Steiger ihr leises nachrief: »Ach, Cornelia! Wissen Sie schon, daß gestern jemand nach Ihnen gefragt hat?«

      »Nein! Wer war es denn?« Ahnungslos drehte sich Cornelia um. Warum klang die Stimme von Frau Steiger plötzlich so… so mitleidvoll?

      »Nun, es war Horst Martinsen!«

      Frau Steiger senkte rasch den Blick auf die Akten, weil ihr der wehe Ausdruck in Cornelias zuvor so glücklichem Antlitz Unbehagen verursachte.

      Meine Güte, dachte sie voller Mitgefühl, das Mädchen ist ja nach all den