Gisela Reutling

Mami Staffel 1 – Familienroman


Скачать книгу

ist total verdreht«, wandte sich Agnes empört zu ihrem Mann. »Wir hätten ihn niemals wochenlang fortlassen dürfen. Florian will auf einmal nicht mehr bei uns bleiben, sondern bei seiner Mutter leben.«

      »Na, na, das ist ja was ganz Neues.« Der stattliche grauhaarige Seniorchef des Hauses Rodenbach konnte es nicht ernstnehmen. »Wer hat dir denn den Floh ins Ohr gesetzt, mein Junge?«

      »Kein Floh!« gab Florian hitzig zurück. »Wir machen das jetzt nur umgekehrt: Ich komm’ euch immer besuchen, und sonst bin ich bei Mami!«

      »So«, machte sein Großvater in trockener Belustigung und nickte dabei. »Es gefällt dir wohl nicht mehr bei uns?«

      »Ooch, so isses ja nicht… Aber meine Mama soll endlich nicht mehr immer so traurig sein, wenn ich wieder weggeh!«

      »Dann soll das lieber dein Vater sein, ja, der alles für dich tut«, hielt Agnes ihm mit bebender Stimme vor.

      »Der hat ja die Jennifer«, trumpfte Florian auf. »Und zu der sag ich nie Stiefmutter, nie!« Damit rannte er aus dem Zimmer.

      »Du bleibst hier!« rief seine Oma aufgeregt, aber ihr Mann sagte begütigend: »Laß ihn laufen. Das ist doch nur so eine Idee von ihm. Morgen hat er das wieder vergessen.«

      Aber so leicht konnte Agnes das nicht abtun. »Seine Mutter muß ihn beeinflußt haben. Ich war ja gleich dagegen, daß sie ihn mit nach Spanien nahm. Aber auf mich hört ja niemand.«

      »Seine Mutter kennt genau den Gerichtsbeschluß. Sie weiß, daß sie dagegen nicht anrennen kann«, beschied sie ihr Mann kurz.

      Die nächste Aufregung kam am nächsten Tag mit der schriftlichen Kündigung von Annick aus Frankreich, ihrer zweiten Heimat.

      »Auch das noch!« ächzte Agnes Rodenbach. »Dieses undankbare Geschöpf, läßt uns Knall auf Fall im Stich.« Sie ließ sich in einen Sessel sinken und preßte die Hände gegen die Brust. »Ich fühle mich dem allen nicht mehr gewachsen, Harald«, klagte sie. »Ein aufmüpfiger Enkelsohn, die Hochzeitsvorbereitungen, die getroffen werden müssen – und das bleibt ja doch alles an mir hängen –, und nun keine Aufsicht mehr für den Jungen.«

      »Alexander wird sich eben schnellstmöglich nach einem neuen Kindermädchen umsehen müssen«, sagte ihr Mann, der es eilig hatte, wieder in sein Büro zu kommen. Es wurde höchste Zeit, daß der Junior wiederkam.

      *

      Es war Anettes Freund, der da am Nachmittag vor Julias Tür stand. »Ich wollte Ihnen nur den Wohnungsschlüssel zurückbringen, Frau Rodenbach«, sagte der junge Mann.

      »Das ist nett von Ihnen.« Mit einem freundlichen Lächeln gab Julia ihm die Hand. »Danke, daß Sie sich die Mühe gemacht haben, während meiner Abwesenheit nach der Wohnung zu sehen. Kommen Sie doch herein, Curt.«

      Er folgte ihrer Aufforderung. »Das war weiter keine Mühe«, wehrte er bescheiden ab, »daß bißchen Gießen und den Briefkasten leeren war schnell getan. »Er lächelte jungenhaft. »Mir war dabei, als schaute mir Anette über die Schulter.«

      »Sie vermissen Sie sicher sehr«, bemerkte Julia veständnisvoll.

      »Ja, schon«, gab der Freund zu. »Wir faxen zweimal in der Woche lange Briefe von Uni zu Uni, so wissen wir immer, was der andere genau tut. Das hilft schon etwas über die Zeit hinweg. Außerdem sind wir beide vollauf beschäftigt, ich sitze doch über meiner Diplomarbeit.«

      »Ich weiß. Ich drücke Ihnen den Daumen, daß Sie in Ihren Fächern mit Glanz bestehen.«

      »Mit Glanz, da bin ich nicht so sicher«, er lachte, »ich bin schon mit gut zufrieden.«

      Sie plauderten noch eine Viertelstunde über dieses und jenes, bevor Curt sich verabschiedete. Zum Schluß strich er noch dem hübschen Spaniel über das Köpfchen, der nun wieder in seiner gewohnten Umgebung war.

      Kaum war der junge Mann zur Tür hinaus, da läutete das Telefon. Es war Alexander! Julia straffte sich. Begann es nun schon?

      »Du hast mir ja meine Großzügigkeit schlecht gedankt«, herrschte er sie an. »Was hast du mit Florian gemacht?«

      »Was soll ich mit ihm gemacht haben«, erwiderte Julia kühl. »Er ist doch gesund und munter zurückgekommen.«

      »Du hast ihn gegen mich aufgehetzt, hast ihn auf deine Seite gezogen«, warf Alexander ihr wütend vor.

      »Das stimmt nicht«, gab Julia wie vorher zurück. »Florian läßt sich nicht aufhetzen. Er ist schon eine kleine Persönlichkeit für sich und hat seine eigene Meinung.«

      »Das sind Wortklaubereien«, schnaubte ihr Ex-Mann. »Ich muß mit dir reden, heute noch. Und komme mir bitte nicht mit Ausreden.«

      »Ich denke gar nicht daran. Mir ist ebenso wie dir an einer Aussprache gelegen. Wir könnten uns in der Halle vom Dorint-Hotel treffen. Jetzt ist es«, sie warf einen Blick auf die Uhr, »halb fünf. Sagen wir um halb sechs. Wir werden es kurz machen.«

      »Das werden wir«, sagte Alexander grimmig und hängte ein.

      Der jungen Frau, die da im eleganten hellen Sommerkostüm die Halle betrat, sah man ihre innere Erregung nicht an. Alexander war schon da, er hatte sich eben niedergelassen, jetzt stand er wieder auf, als er sie kommen sah. Flüchtig gaben sie sich die Hand, seine Miene war finster.

      »Was ist dir da nur eingefallen, dem Jungen den Kopf zu verdrehen«, überfiel er sie, kaum daß sie sich gesetzt hatten. »Er ist nicht zur Räson zu bringen, weder mit Güte noch mit Strenge. Daran bist nur du schuld, mit deinen Phantastereien.«

      »Könntest du dich wohl im Ton etwas mäßigen«, sagte Julia. »Wenn es Florian zu seiner Mutter hinzieht, ist das die natürlichste Sache der Welt. Er wird größer, er will sich nicht mehr damit zufriedengeben, sie nur dreimal im Monat zu sehen.«

      »Unsinn«, sagte Alexander Rodenbach barsch. »Florian war bisher durchaus zufrieden mit der Regelung. Du hast die Zeit, die ich dir widerstrebend zugebilligt habe, dazu genutzt, ihn aus dem inneren Gleichgewicht zu bringen. Damit hast du ihm und uns allen einen schlechten Dienst erwiesen, denn du weißt doch ganz genau, daß nicht die geringste Chance besteht, ihn für dich zu gewinnen. Das Urteil hast du schriftlich. Es ist klar genug.«

      »Ich habe die Absicht, es anzufechten, Alexander«, sagte Julia. Sie sah ihm dabei gerade in die Augen. »Der Schriftsatz meines Anwaltes wird dir demnächst zugehen.«

      Ungläubig starrte Alexander sie an. »Ich höre wohl nicht recht«, kam es langsam über seine Lippen. »Du willst um Florian prozessieren? Soll das ganze Theater von vorn anfangen? Du wirst verlieren, Julia.«

      »Das hoffe ich nicht. Ich bin auch nicht scharf auf einen erneuten Prozeß. Aber freiwillig wirst du mir Florian ja nicht zurückbringen.«

      »Niemals. – Was ist das für ein Anwalt, der dir diesbezüglich Illusionen gemacht hat?«

      »Er heißt Dr. Mathias Walden und ist mein zukünftiger Mann«, antwortete Julia gelassen.

      »Du willst wieder heiraten?« fragte Alexander verblüfft. »Das ging ja schnell. Seit wann kennst du ihn denn schon?«

      Julia verzog den Mund ein wenig. Er schien tatsächlich in seiner männlichen Eitelkeit gekränkt zu sein, der große Alexander Rodenbach! Hatte er gegeglaubt, daß es nach ihm keinen Mann mehr für sie geben könnte?

      »Was spielt das für eine Rolle? Florian hatte jedenfalls genügend Gelegenheit, ihn kennenzulernen, und die beiden vertragen sich prächtig.«

      »Sagtest du Mathias? Von einem Mathias war doch bei meinem Sohn schon die Rede. War er mit euch in Spanien?« Mit einem scharfen Blick sah er sie an.

      Julia nickte.

      »Ja, wir bewohnten das Haus eines Freundes von ihm. Ein kleiner Neffe, nur wenig älter als Florian, war dort sein Spielgefährte. Florian braucht den Umgang mit Kindern, den er bei euch nicht findet.

      Ihr habt ihn immer zu sehr abgeschottet, ihn