Maike Siebold

Rille aus dem Luftschacht


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      Originalcopyright © 2020 Südpol Verlag, Grevenbroich

      Autorin: Maike Siebold

      Illustrationen: Kai Schüttler

      E-Book Umsetzung: Leon H. Böckmann, Bergheim

      ISBN: 978-3-96594-067-3

      Alle Rechte vorbehalten.

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      Inhalt

       Unheimliche Geräusche im Fahrstuhl

       Die Lösegeldforderung

       Nächtlicher Besuch

       Klatsche und die Päckersbande

       Der geheime Plan

       Die Gefangennahme

       Der Kammerjäger

       Henriette von Papagei

       Notarzt Dr. Roderich

       Der Geburtstagskalender

       Das Ei

       Klatsche auf Spurensuche

       Neugier lohnt sich

       Der Feind hilft

       Ein unerwarteter Bruder

       Waschmaschinski muss helfen

       Der Tag danach

       Die Aussprache

       Sie ist weg

       Eine neue Untermieterin

       Aurorin und Illustrator

      Unheimliche Geräusche im Fahrstuhl

      Als Roderich aus dem Fahrstuhl tritt, kann er die aufgeregte Stimme seiner Mutter schon durch die geschlossene Wohnungstür hören.

      „Ich versteh das nicht. Kein Wort hat er gesagt“, ist das Erste, was er aufschnappt, als er vorsichtig aufschließt und auf Zehenspitzen in den Flur tritt. „Oder hat er bei dir schon mal eine Andeutung über seine schlechten Noten gemacht?“

      „Reg dich doch nicht so auf. Ich habe früher auch Blaue Briefe gekriegt. Und aus mir ist auch was geworden.“ Das klingt ganz nach seinem Vater.

      Oh, oh, denkt Roderich. Sie haben bestimmt Post von der Schule bekommen.

      Geräuschlos versucht er sich aus seiner Jacke zu schälen und den Rucksack abzusetzen. Doch seine Mutter hat Ohren wie ein Luchs. Die Jacke hängt noch nicht auf dem Haken, da tönt es aus der Küche: „Roderich, komm bitte einmal zu uns.“ Es klingt nicht wirklich wie eine Bitte, eher wie ein Befehl. Mit gespielter Ruhe betritt Roderich die Küche. Er sieht aus den Augenwinkeln, wie seine Mama seinem Papa einen auffordernden Blick zuwirft.

      Der räuspert sich und beginnt zögerlich: „Also, deine Mutter möchte, dass du dich in den nächsten Wochen intensiver um deine schulischen Verpflichtungen kümmerst.“

      „Wie lange?“, will Roderich nur wissen.

      Bei der Antwort traut er seinen Ohren nicht. „Vier Wochen Hausarrest nur wegen eines blöden Briefes?“ Seine Stimme franst leicht aus.

      „Ich finde, ein Monat Hausarrest ist eine angemessene und logische Folge für einen Blauen Brief, mein lieber Sohn“, antwortet seine Mutter mit drohendem Un­­ter­­ton.

      Das, was Roderich jetzt nur noch interessiert, ist sein Fußballtraining, aber selbst die besten Argumente, mit schmeichelnder Stimme vorgebracht, sind erfolglos. Seine Eltern bleiben hart. Vier Wochen darf er nicht zum Fußballtraining.

      Der nächste Tag ist der erste des blöden Hausarrest-Monats. Alleine mit seinen Mathehausaufgaben langweilt Roderich sich fürchterlich. Wozu muss er 144 ge­teilt durch 12 rechnen können? Wütend kickt er seinen Fußball gegen das Bücherregal. Er will Fußballprofi werden und schon als E-Jugend-Spieler weiß man, dass später alles der Manager für den Spieler ausrechnet.

      Roderich juckt es in den Füßen. Er spürt, dass er jetzt unbedingt eine Trainingseinheit braucht. Angestrengt über­­legt er, was seine Eltern genau gesagt haben. In sol­chen Situationen kommt es auf die Feinheiten an. Sie hatten ihm verboten, das Haus zu verlassen, aber nicht die Wohnung. Der geräumige Kellereingang ist ein optimaler Trainingsort, vor allem am Nachmittag, wenn alle Erwachsenen noch bei der Arbeit sind.

      Roderich schnappt sich den Ball und geht zum Fahr­­stuhl. Im Fahrstuhl drückt er den Knopf für die Tiefgarage und der Fahrstuhl setzt sich in Bewegung. Doch der fährt nicht wie erwartet in den Keller, sondern nach oben. Roderich erschrickt und flucht leise vor sich hin. Oben ist nur noch eine Wohnung, die von Benjamin Brune, aber der ist nur am Wochenende da. Ein nervöses Kribbeln befällt ihn. Wenn er es nicht besser wüsste, würde er meinen, dass er nicht allein im Fahrstuhl ist und beobachtet wird. Sein Kopf sagt ihm, dass das nicht sein kann, aber das Gefühl in seinem Bauch ist überzeugender. Irgendetwas ist da, aber er kann nichts sehen. Seine Augen suchen die Kabine nach irgendetwas Ungewöhnlichem ab, aber rundherum sind nur Wände aus lackiertem grauem Stahlblech. Die trübe Neonröhre wirft ein unwirkliches Licht in den engen Fahrkorb.

      Roderich spürt, wie der Klumpen in seinem Bauch immer größer wird. Seine Hände fangen an zu schwitzen. Er drückt sich mit dem Rücken an die Fahrstuhlwand und lauscht. Da ist etwas! Jeder Muskel und jeder Nerv vom kleinen Nackenhaar bis in die Zehenspitzen ist an­­­ge­­­spannt.

      In diesem Moment hört er ein Geräusch. Es kommt aus dem hinteren Teil … aber da ist nichts zu sehen. Nur ein kleines Schlüsselloch. Roderich fällt dieses Loch zum ersten Mal auf. Es steckt in der Rückwand des Fahrstuhls und gehört zu einem schmalen Schlitz, der die Fahrstuhlwand in zwei Hälften teilt. Vorsichtig legt er ein Ohr an das kalte Metall. Da ist das Geräusch wieder. Diesmal lauter. Es hört sich an wie ein Schlürfen. Roderich zögert einen Moment, doch dann beugt er sich nach vorne, kneift ein Auge zusammen und schaut mit dem anderen vorsichtig durch den Schlitz in der Rück­wand. Wie von einem Stromschlag