Franz Taut

Die schweigenden Kameraden


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Titel

      Der Ablauf des militärischen Geschehens entspricht der geschichtlichen Wahrheit. Die Namen der handelnden Personen sind frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten sind daher rein zufällig.

      Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2015

      © 2015 Rosenheimer Verlagshaus GmbH & Co. KG, Rosenheim

       www.rosenheimer.com

      Titelfoto: © Bundesarchiv, Bild 101I-455-0013-15 / Fotograf: Zwirner

      Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »Mit Roß und Wagen«.

      Lektorat und Satz: Dr. Helmut Neuberger, Ostermünchen

      eISBN 978-3-475-54489-7 (epub)

      Worum geht es im Buch?

      Franz Taut

       Die schweigenden Kameraden

       Kampf auf dem Balkan

      Leutnant Staude ist 1943 mit seinem Beobachtungstrupp an der Adria-Küste auf dem Balkan stationiert. Die Ruhe in der paradiesischen Umgebung ist trügerisch, denn im Osten hat bereits die entscheidende Phase des Kriegs begonnen. Nach einem Partisanenüberfall auf Kolinje soll Leutnant Staudes Trupp mit General Kaltenecks Infanterie-Division im unwegsamen Gebirge nach dem Rechten sehen. Der erst harmlos wirkende Einsatz entwickelt sich zum Fiasko, als klar wird, dass es sich um einen Hinterhalt handelt.

      1

      Fritz Staude lag am Betonstrand vor dem Hotel »Excelsior« in der glühenden Julisonne. Schläfrig blinzelte er aufs Meer hinaus. Über dem Waldbuckel der vorgelagerten Insel flimmerte die Luft. Auch drüben, über dem Kastell und den ehrwürdigen Steinhäusern der Altstadt, lag dieses sinnverwirrende einschläfernde Flimmern.

      Dann, mit einem Schlag, wurde der Leutnant munter. Gespannt blickte er auf. Von Land, von den sonnenüberfluteten Felshöhen her, schwoll ein unverkennbares röhrendes Brummen an. Gleich darauf kamen, in nicht allzu großer Höhe und deutlich in allen Einzelheiten erkennbar, amerikanische B17-Bomber, sogenannte »Fliegende Festungen«, in Sicht. Es wurden immer mehr. Staude zählte: Zwölf – fünfzehn – siebzehn.

      Die oberhalb der Stadt stationierte Flak schwieg. Es war wie eine stillschweigende Vereinbarung. Wenn du nicht schießt, lassen wir die Bombenschächte zu. Es gab übrigens auch die Version, dass die Flak ihre Munition für die Stunde X der erwarteten Landung sparen musste, und dass die Alliierten Dubrovnik schonten, weil zahlreiche Villen in und außerhalb der Stadt britischer oder amerikanischer Besitz waren.

      Diesmal jedoch beobachtete Staude etwas Ungewöhnliches: Eine deutsche Me 109 tauchte in großer Höhe auf und stieß im Sturzflug auf den Bomberpulk herab. Wie leises, fernes Schnarren einer Kinderrassel ertönte das Geratter der Bordwaffen. Und dann, wie Stechfliegen, die sich an einem Sommerabend urplötzlich einfinden, erschien ein Schwarm alliierter Jäger. Englische Spitfires oder amerikanische Mustangs. Staude kannte den Unterschied noch nicht.

      Anstatt angesichts der Übermacht Leine zu ziehen, nahm die deutsche Me den ungleichen Kampf auf. Sekunden später, während die dumpf brummenden fliegenden Festungen unbeirrt ihrem Kurs nach Südwesten folgten, blitzte es an der deutschen Maschine auf. Getroffen. Mit schwacher Rauchfahne drehte sie landeinwärts ab.

      Dicht neben Staude schlug eine Patronenhülse auf den Boden. Er achtete nicht darauf. Mit eingekniffenen Daumen starrte er dem deutschen Jäger nach, freilich ohne zu ahnen, dass bald mit dessen Schicksal sein eigenes abenteuerlich und gnadenlos verknüpft werden würde.

      Staude stand auf und trat an die Kante des betonierten Strandes. Seine blaue Vorkriegsbadehose war mehrfach geflickt. Schwester Elfriede droben im Soldatenheim hatte darauf bestanden, dass Leutnant Staude nicht in durchlöcherter Badehose seiner Hauptbeschäftigung nachging. Seit drei Wochen spielte er in Dubrovnik den Badegast. In dieser Zeit war er braun geworden wie die Kroaten, die tagsüber drüben bei den Klippen nach Seeigeln tauchten. Nachts dagegen – Staude gab sich in dieser Hinsicht keiner Illusion hin – mochten diese Burschen, die wie die Fische schwammen und anscheinend vom Ausschlürfen der erbeuteten Seeigel lebten, sich in dunklen Schlupfwinkeln zusammenfinden, um zu beraten, welchen Schaden sie der deutschen Besatzung zufügen konnten.

      Staude war ein selbstständiger »Einheitsführer«, wie es in der militärischen Amtssprache hieß. Seine »Einheit« war ein B-Trupp, bestehend aus einem Wachtmeister, einem Unteroffizier, einem Gefreiten, zwei Kanonieren und dem Obergefreiten König, dem Fahrer des großen Kübelwagens, in dem sie alle samt Waffen und Gerät Platz hatten. Staudes Aufgabe war die eines »V. B.«, eines vorgeschobenen Beobachters einer Fernkampfbatterie, deren Feuerstellung droben in den nackten Felsbergen zwar vermessen war, die aber im Übrigen ebenso ein Luftgebilde war wie der ganze viel besungene Adria-Wall.

      Türkisblau dehnte sich das Meer in sanfter Dünung. Im Südwesten, drüben an der italienischen Küste, lag Bari, eine der waffenstarrenden Basen der Alliierten und vielleicht das Sprungbrett für die Landung, mit der man in nächster Zeit rechnen musste, wenn England und Amerika den Balkan nicht der Roten Armee zum Fraß vorwerfen wollten. Am Dnjestr, vor der Front der Heeresgruppe Südukraine, bereiteten die Russen eine neue Großoffensive vor.

      Staude wusste in dieser Hinsicht bestens Bescheid. Aus der Gegend von Tiraspol war er erst vor drei Wochen mit seinen Leuten ins friedliche, sonnige Dalmatien versetzt worden. Am Dnjestr sah es übel aus. Die Rumänen, die einen Teil der Front besetzt hielten, waren ebenso kriegsmüde wie die Italiener im Herbst 1943. Wenn Rumänien die Waffen streckte, war die Heeresgruppe Südukraine erledigt, und die Donauländer wie der Balkan waren dem Zugriff der Roten Armee preisgegeben.

      Auf einmal, wie im unbewussten Vorgefühl des Kommenden, verlor Staude den Geschmack am trägen Nichtstun. Er ging ins Hotel und betrat das Zimmer, das ihm als Umkleidekabine diente. Im angrenzenden Duschraum spülte er das Salzwasser ab und frottierte sich trocken, bevor er in die Uniform stieg.

      Das »Excelsior«, in Friedenszeiten Herberge wohlhabender Badegäste, war seit dem Abfall der Italiener und der Besetzung der dalmatinischen Küste durch die deutsche Wehrmacht Sitz der Propaganda-Außenstelle Ragusa, deren Aufgabe es war, mittels Radiosendungen in englischer Sprache den Alliierten drüben in Italien einzuhämmern, wie unüberwindlich der Adria-Wall sei.

      Vor dem Hoteleingang begegnete Leutnant Staude dem »Doktor«. Doktor Paul Höhnhauser war in Staudes Augen eine tragische Figur. Er war verheiratet mit einer erheblich jüngeren, ungewöhnlich hübschen Frau. Sie war gebürtige Dalmatinerin, hatte durch die Heirat die deutsche Staatsangehörigkeit erworben und diese dann wie ihr Mann verloren, als sie ihn im Februar 1933 in die Emigration begleitete. Bis Juni 1941 hatten die beiden in Tilda Höhnhausers Heimatstadt Split gelebt. Unter der italienischen Besatzung waren sie nach Dubrovnik übergesiedelt, und im Herbst 1943 waren sie über Nacht von den einrückenden deutschen Truppen überrollt worden.

      Höhnhauser war bis zu seiner Flucht aus Deutschland ein bekannter Kommentator des Deutschlandsenders gewesen. Seine kompromisslose Gegnerschaft zu Hitler und dem Nationalsozialismus hatte ihn nach der »Machtergreifung« in ernste Gefahr gebracht. Um nicht in einem KZ umzukommen oder zu verschmoren, war er mit seiner Frau heimlich über die Grenze gegangen. Vor drei Monaten, im April 1944, hatte Dr. Höhnhauser das Pech gehabt, auf dem Stradun, dem prunkvollen steinernen Korso von Dubrovnik, dem SD-Hauptsturmführer Rieder in den Weg zu laufen. Rieder hatte den ihm wohlbekannten Emigranten vor die Wahl gestellt, entweder die englischen Nachrichten am Propagandasender zu sprechen oder »den Weg allen faulen Fleisches« zu gehen, wie der Gefolgsmann Kaltenbrunners sich wörtlich ausdrückte. Tilda hatte ihren Mann überredet, sich zu fügen.

      Soviel war Leutnant Staude bekannt. Er bemitleidete den Doktor, der gegen seine Überzeugung einer Sache dienen musste, von der er sich, freilich gezwungenermaßen, bereits elf Jahre zuvor losgesagt hatte. Unverständlich war es Staude, dass die temperamentvolle schwarzhaarige Dalmatinerin ihren Mann dazu bewogen hatte, in den Dienst der deutschen Propaganda