– was dann?«
»Es gibt eine unangenehme Auseinandersetzung!«
»Ich habe keine Angst davor!« Die Frau sprach lauter, und wieder war es Rainhart Arundsen, als hörte er Kathinka sprechen.
»Wie soll alles weitergehen?« fragte der Mann gepreßt.
»Mach dir keine Gedanken«, erwiderte die Frau gedämpft. »Ich werde meine Wohnung behalten, und dort werden wir uns regelmäßig treffen.« Ihre Stimme wurde zu einem heiseren Flüstern. »Ich liebe dich, Peter, ich kann ohne dich nicht leben! Ich brauche dich – deine Zärtlichkeit, deine Umarmungen, deine Liebe…«
»Und trotzdem willst du den anderen heiraten?« fragte der Mann heiser.
»Ich muß!« antwortete sie hart. »Du weißt warum!«
Zum erstenmal in dieser Minute hatte Rainhart Arundsen die wahnsinnige Vorstellung, daß dort drüben in jenem Zimmer wirklich Kathinka sprach, und der Gedanke, so verrückt und absurd er auch sein mochte, verursachte ihm beklemmende Übelkeit.
»Ich wünschte, ich hätte Geld und könnte dich heiraten«, sagte der Mann.
Sie schwieg einen Moment. »Ist das vom Geld abhängig?« fragte sie lauernd.
»Ja«, entgegnete er trotzig. »Ich habe dir erklärt, daß ich dich nicht heiraten kann! Ich bin von meinem Bruder abhängig. Ich war es schon, als wir uns kennenlernten, und
ich habe nie ein Hehl daraus gemacht.«
»Du bist ein Feigling!« sagte die Frau verächtlich. »Warum hast du für meine Liebe nicht das Geld deiner Verwandten und die ganze verdammte Sicherheit aufgegeben?«
Der Mann keuchte. »Und warum hast du den anderen nicht aufgegeben? Warum bist du immer wieder zu ihm gegangen?«
»Weil ich wußte, daß du mich niemals heiraten würdest! Aber er macht mich zu seiner Frau!« Es klang triumphierend.
Katja – es ist Katja! dachte Rainhart Arundsen wie betäubt.
»Sag, liebst du ihn?«
»Nein, ich liebe ihn nicht«, antwortete sie. »Vielleicht habe ich ihn einmal geliebt, aber als du kamst, war alles vorüber.«
»Und trotzdem willst du seine Frau werden!« Die Worte waren wie ein verzweifelter Aufschrei.
»Ich kann nicht anders«, erwiderte die Frau ungerührt. »Ich werde seine Frau, aber dich liebe ich, und dir gehöre ich auch! Mehr kannst du nicht verlangen! Ja, wenn du alles opfern würdest, um mich zu heiraten, wenn du wirklich zu mir hieltest – vielleicht wäre dann alles anders!«
»Ich kann es nicht! Ich stehe vor dem Staatsexamen! Willst du, daß ich dir meine Laufbahn, meine Karriere opfere?«
»Du könntest arbeiten!«
»Ich kann nur eines machen – entweder studieren oder arbeiten! Ich bin keine von den robusten Naturen, die Bäume ausreißen können. Vielleicht wäre dein bäuerlicher Großgrundbesitzer dazu imstande, aber ich…«
»Hör auf!« rief die Frau aus. »Sprich nicht von ihm!«
»Aha – du liebst ihn! Ist es so?«
»Nein, ich liebe ihn nicht!« erwiderte sie ungeduldig. »Er ist wild und rauh und erschreckt mich oft. Bei ihm finde ich weder Ruhe noch Zärtlichkeit. Deshalb habe ich mich ja in dich verliebt!«
»Katja – meine einziggeliebte Katja!«
Rainhart Arundsen sprang auf. Hatte er selbst diese Worte gedacht, oder hatte jener Unbekannte sie tatsächlich ausgesprochen?
Hastig stürzte er den Inhalt des vollen Whiskyglases hinunter, doch das brennende Würgen im Hals blieb. Seine Knie zitterten, er mußte sich wieder hinsetzen.
Es gab keinen Zweifel mehr; die Frau, die in jenem Zimmer zu dem fremden Mann sprach, war Kathinka, seine zukünftige Frau!
Es kann nicht sein! hämmerten seine Gedanken. Es ist unmöglich!
Katja liebt mich doch! Sie wird in einer Woche meine Frau werden! Kann sie tatsächlich so kunstfertig lügen, daß ich es nie bemerkt habe?
Zorn und wilde Empörung stiegen in Rainhart auf. Maßlose Eifersucht durchzitterte ihn, und er fühlte sich enttäuscht und tief verletzt.
Seit Wochen und Monaten belügt und betrügt sie mich! dachte er, und der Schmerz lähmte ihn fast. Sie spielt ein doppeltes Spiel und ich habe es nicht durchschaut!
»Geh jetzt, Katja«, sagte der Mann drinnen im Zimmer, und Rainhart war es, als erhielte er einen neuen Schlag.
»Ich kann nicht – ich kann nicht mehr!« murmelte Arundsen und stützte den Kopf in beide Hände.
Er hatte vergessen, daß Frau Greve in wenigen Augenblicken wieder auf der Terrasse erscheinen oder daß Theodor Greve heimkommen könnte, der Bruder jenes Mannes dort im Zimmer.
Ihm war jetzt alles egal. Er dachte nur noch an Kathinka und an seine Liebe, die so grausam enttäuscht worden war.
»Gut, ich werde gehen«, hörte er jetzt wieder die Stimme, die er so gut kannte, »aber du mußt mir versprechen, daß du heute abend noch zu mir kommst. Ich bin krank vor Sehnsucht nach dir, Peter! Ich hoffe, du kommst jetzt jeden Tag, bis – bis es soweit ist!« murmelte Katja hastig.
»Bis zur Hochzeit!« vollendete er bitter. »Ich könnte ihn umbringen diesen anderen!«
Rainhart hatte Mühe, nicht aufzuspringen und laut auszurufen: Hier ist er – der andere! Er steht zu einem Zweikampf zur Verfügung! Komm doch her, wenn du kein Feigling bist!
Aber er beherrschte sich, denn Katjas nächste Worte lähmten ihn.
»Du hast keinen Grund, ihn umzubringen«, sagte sie mit kühlem Spott. »Du solltest lieber froh sein, daß er unserem ungeborenen Kind einen Namen gibt!«
Ein Kind! dachte Rainhart Arundsen in dumpfem Brüten, Katja bekommt ein Kind!
Diese Vorstellung erschien ihm so ungeheuerlich, daß er glaubte, diesen Augenblick tiefster Erniedrigung und grenzenloser Enttäuschung niemals überleben zu können.
In jener Sekunde war für ihn alles, was er geliebt und was für ihn Glück und Lebensfreude bedeutet hatte, sinnlos geworden.
Erst das Türenschlagen riß ihn aus seiner Betäubung. In diesem Moment setzte sein Denkapparat wieder ein. Sein Herz raste mit heftigen Schlägen, und eine auflodernde Flamme der Empörung und des Zornes trieb ihn fort.
Mit eiligen Schriften stürmte er durch das Wohnzimmer, durchquerte die Dielenhalle und riß die Haustür auf. Sie fiel polternd hinter ihm ins Schloß.
Wie gehetzt lief er den Kiesweg entlang und bog in die Seitenstraße ein, wo er sein Auto geparkt hatte.
Ich muß zu ihr! dachte er, blind vor Schmerz und Verzweiflung. Ich muß mit ihr sprechen – sofort!
*
Es dauerte nur eine Stunde, aber in dieser Zeit, die Rainhart Arundsen in dem kleinen Bierlokal verbrachte, das Katjas Wohnung gegenüberlag, durchlebte er noch einmal alle Qualen dieser furchtbaren Enttäuschung.
Und dann sah er Katja aus dem Bus steigen.
»Bitte zahlen!« rief er heiser, und es dauerte ihm viel zu lange, bis der Wirt seiner Aufforderung Folge leistete und zu ihm an den Tisch kam.
Mit zitternden Fingern zog Rainhart einen Zehneuroschein aus der Brieftasche. »Es stimmt so.«
Arundsen erhob sich.
Gegenüber auf der anderen Straßenseite ging Kathinka eben durch die Haustür. Rainhart stürzte zum Ausgang, überquerte die Straße, ohne auf den Autoverkehr zu achten.
Als er die Haustür öffnete, waren seine Hände feucht vor Erregung.
Atemlos erreichte er die zweite Etage des Mietshauses.