einer starken Schlaftablette überstanden.«
»Deshalb warst du am Telefon so seltsam!« Er küßte sie zärtlich.
Sie nickte.
»Du wirst nie wieder eifersüchtig sein?« fragte Hans-Günther.
»Bestimmt nicht!« sagte sie fest.
»Weißt du, Eifersucht würde uns das Leben zur Hölle machen. Denn ich muß ja mit den Weibern arbeiten!«
»Mußt du das wirklich?« fragte sie, schon wieder ein wenig verzagt.
»Es läßt sich nicht vermeiden. Die Leute wollen Bilder sehen!«
»Bist du denn nicht – Handelsvertreter?«
H.G.B. stutzte. »Wie kommst du denn darauf?«
»Dein Vater… Nein, warte, so direkt hat er es nicht gesagt. Er erzählte mir, daß du keinen richtigen Beruf hast, daß du den Leuten Zeg aufschwatzt, das sie eigentlich gar nicht brauchen.«
Hans-Günther lachte schallend. »Mein alter Herr! Typisch! Aber von wegen keinen richtigen Beruf! Ich bin studierter Psychologe. Meine Spezialgebiete sind Betriebs- und Werbepsychologie. Außerdem bin ich der Inhaber einer Werbeagentur.«
»Du…, du machst mit den verschiedenen Mädchen also Werbefotos?«
»So ist es!«
»H.G.B., ich schäme mich.«
»Aber an den Mißverständnissen sind doch nur die Redensarten meines Vaters schuld!« fuhr Hans-Günther auf. »Er hat meinen Beruf nie als solchen anerkannt. Er glaubt, ich hätte mit jedem der Mädchen ein Verhältnis! Ich habe es aufgegeben, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Aber dich möchte ich…«
Urte legte den Zeigefinger auf seinen Mund. »Kein Wort mehr! Ich glaube dir. Mein Gott, gestern war der schwärzeste Tag meines Lebens, und heute ist auf einmal alles so einfach.«
»Wie lange hast du Toska und mich eigentlich beobachtet?«
»Ich habe die Augen zugemacht, weil ich den Anblick nicht ertragen konnte.«
»Wenn du eine Sekunde länger hingesehen hättest, wäre es dir nicht entgangen, daß ich die Dame Toska sehr unwirsch zur Seite geschoben habe.«
»Ich kann es immer noch nicht fassen.« Urtes Augen wurden dunkel. »Und Ika findet auch ein Zuhause? Weißt du, irgendwie habe ich mich von Anfang an für das Kind verantwortlich gefühlt.«
»Ich habe mich schon an den Gedanken gewöhnt, daß Ika zu unserem gemeinsamen Leben gehört. Ich denke, wir sollten sie zu uns nehmen und adoptieren. Was meinst du dazu?«
Urte küßte ihn spontan und glücklich. »Du bist ein großartiger Mann!«
Er lachte.. »Ja, ich bin auch ganz stolz auf mich. Laß uns mal überlegen.« Sie streckten sich ins Gras und Urte kuschelte ihren Kopf an Hans-Günthers Schulter. »Hat Ika irgendwen, der Anspruch auf sie erheben könnte?«
»Ich glaube nicht. Aber die Kindergärtnerin äußerte Frau Eckstein gegenüber, Veronika sei geistig leicht zurückgeblieben und deshalb für eine Pflegestelle oder Adoption nicht geeignet.«
»Geistig leicht zurückgeblieben? Da kann ich ja nur lachen! Sie ist so intelligent, daß sie mir im Auto vorschlug, dich telefonisch zu benachrichtigen! Aber vielleicht war sie im Heim völlig verschüchtert? Wenn es keine anderen Hindernisse geben sollte, werden wir die Angelegenheit schnell bereinigen!«
Urte richtete sich auf und küßte den Mann auf den Mund. »Ich bin so glücklich, daß es beinahe schon weh tut. Es wäre schrecklich, wenn Ika wieder unglücklich würde. Ein bißchen ist sie doch mit schuld an meinem Glück.«
»Ich werde das schon machen. Hab’ nur Vertrauen.« Er zog Urte zu sich herab.
Lange lagen sie so, und jeder lauschte auf den Herzschlag des anderen. Eine Lerche jubilierte im Blau. Sie schraubte sich hoch, bis sie nur noch als winziges Pünktchen zu sehen war, dann ließ sie sich fallen, voller Vertrauen in die Kraft ihrer Schwingen, die sie im letzten Augenblick ausbreiten würde.
»Ein herrliches Gefühl, wenn man sich fallen lassen kann und weiß, daß man sanft aufgefangen wird!« sprach Urte ihre Gedanken aus. »Ich habe mich auch so fallen lassen, hier an dieser Stelle, in deine Hände.«
»Und jetzt halte ich dich fest und gebe dich nie wieder frei!« Er zog sie fest an sich.
»Laß mich leben!« seufzte Urte.
Erschrocken lockerte Hans-Günther seinen Griff. »Gehen wir jetzt, um der Welt unser Glück zu verkünden?« fragte Urte rasch.
H.G.B. seufzte. »Ich wünschte, ich wäre mit dir auf einer einsamen Insel.«
Engumschlungen schlenderten sie zum Gasthaus zurück. Urte hatte
das Gefühl, die ganze Welt sei ein blankgeputztes, schön geschmücktes Hochzeitshaus.
Ika stürmte ihnen entgegen. »Kommt Urte mit in deine Wohnung, H.G.B.?« Ihr ganzer Körper war ein Fragezechen.
»Wie kommt sie darauf?« fragte Urte erstaunt.
»Wir beide haben es gestern so beschlossen. Ika meinte, du würdest mitmachen«, erklärte H.G.B. sachlich.
»Was ist denn nun?« Ika sah ungeduldig von einem zum anderen. »Bleiben wir alle drei zusammen?«
»Jawohl!« Hans-Günther hob sie zu sich empor und stemmte sie hoch in die Luft. »Wir drei bleiben zusammen, das verspreche ich dir.«
Veronika jubelte, klammerte sich an seinem Hals fest und küßte ihn auf die Wange. Dann wandte sie sich an Urte:
»Ich habe dir ja gesagt, er ist prima! Bist du froh?«
Urte küßte das Kind auf die Nase. »Ja, sehr!«
Jetzt strampelte Ika sich frei. »Ich muß es Tante Eckstein erzählen!« Sie rannte ins Haus.
Kurze Zeit später erschien die Wirtin. »Ist es wahr, was die Kleine da erzählt?«
»Was hat sie denn erzählt?« grinste H.G.B..
»Ich habe herausgehört, daß Sie zusammenbleiben wollen, nach München ziehen und das Kind mitnehmen.«
»Ja, das stimmt«, bestätigte H.G.B. ohne Kommentar.
Die Wirtin wurde unsicher. »Ja, kann man da gratulieren?«
»Ich denke, ja.« Hans-Günther sah Urte zärtlich an.
»Zur Verlobung?« fragte die Wirtin, um ganz sicher zu gehen. Dann fügte sie schnell hinzu: »Ja, wenn man die strahlenden Gesichter sieht, ist die Frage überflüssig. Das ist aber eine Überraschung. Und ich habe gar nichts davon geahnt!«
»Gibt’s das auch?« fragte H.G.B. ironisch.
»Also meinen herzlichen Glückwunsch! Darauf müssen wir gleich anstoßen!« Eilfertig ging sie zur Theke und goß Zwetschgenwasser in drei Gläser. »Auf Ihr junges Glück! Nein, wie mich das freut! Und besonders für die kleine Ika! Sie ist ja ganz außer Rand und Band.«
»Ich habe Hunger«, erklärte H.G.B. um die ein wenig rührselige Stimmung zu verscheuchen. »Ich schlage vor, wir trinken jetzt Kaffee.«
»Großartige Idee! Hast du schon einmal Frau Ecksteins köstliche Schneebälle probiert?«
»Schneebälle?«
»Eine Gebäck-Spezialität, die Frau Eckstein ganz besonders delikat herstellt. Kunststück, sie hat ja das Originalrezept von ihrer Großmutter!«
»Also her mit einem Berg von den Dingern!« forderte H.G.B. gut gelaunt.
Als der Kaffee auf dem Tisch stand, erschien auch der grauhaarige, schweigsame Wirt und gratulierte. Es war eine fröhliche Runde, und die leckeren Schneebälle schmolzen wie echte an der Frühlingssonne.
»Gehen wir jetzt zu Opa?« fragte Ika schließlich.