James Fenimore Cooper

Der alte Trapper


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wendete er sich und ging, gefolgt von seiner Schar, die bei seinen letzten Worten ein unterdrücktes, beifälliges Lachen hatte hören lassen.

      Der Trapper zweifelte keinen Augenblick daran, daß der Häuptling einen Handstreich gegen das Lager der Emigranten beabsichtigte. Er lauschte angestrengt, vernahm jedoch keinen Laut. Wußte er doch nicht, daß der kühne Mahtoree seine Krieger zurückgelassen und ganz allein, geräuschlos wie eine Schlange und unbemerkt von den in Schlaf gesunkenen Wächtern, in Ismael Buschs Wagenburg geschlichen war. Sorgenvoll ließ er sein greises Haupt sinken, auch Ellen und Paul redeten kein Wort.

      Die Gefangenen befanden sich wieder unter der Aufsicht Weuchas und seiner Gefährten. Nachdem der erstere lange mit gespitztem Ohr in die Nacht hinaus gehorcht hatte, neigte er sich mit wildem Grinsen zu dem alten Trapper.

      „Wenn die Tetons ihren großen Häuptling durch die Hand der Langmesser verlieren,“ raunte er ihm zu, „dann muß der Weißkopf mitsamt den Jungen sterben.“

      „Das Leben ist ein Geschenk Wakondahs,“ war die ruhige Antwort. „Die Menschen verlieren es, wenn er dies beschließt, kein Dakotah kann daran etwas ändern.“

      „Schau her!“ knirschte der Wilde, sein Messer vor des Alten Gesicht haltend. „Weucha ist der Wakondah für solche Hunde, wie ihr seid!“

      Der Trapper zuckte die Achseln und blickte zur Seite. Plötzlich unterbrach ein lauter, gellender Triumphruf die nächtliche Stille, dann schien die ganze Prärie lebendig zu werden; denn von allen Seiten erhob sich als Antwort ein wildes Geheul, als seien sämtliche Dämonen der Hölle losgelassen. Auch Weucha und seine Kameraden stimmten ein, trotzdem sie Mühe hatten, die erschreckten Pferde zu bändigen.

      Inmitten dieses Geheuls aber wurde noch ein anderes Geräusch hörbar, ein Getöse von vielen stampfenden Hufen, und gleich darauf jagte Ismaels ganzer Viehbestand in wirrem Durcheinander vorüber. Mahtoree hatte die Tiere losgeschnitten und aus dem Lager gejagt, die nun von den beutegierigen Tetons verfolgt wurden. Die indianischen Pferde, durch den Anblick der dahinrasenden Gäule Ismaels auf das höchste erregt, stampften und rissen wütend an ihren Fesseln, so daß ihre Wächter sie kaum noch halten konnten.

      Diesen Augenblick benutzte der Trapper. Mit einer Gewandtheit und Kraft, die niemand ihm zugetraut hätte, entriß er Weucha das Messer und durchschnitt den langen Riemen, welcher die Pferde aneinander fesselte. Die Tiere schnaubten vor Freude und Schreck, dann aber stoben sie nach allen Richtungen davon.

      Im ersten Moment wendete Weucha sich wie ein Tiger gegen den Alten; er tastete nach der leeren Messerscheide, dann nach dem Griff des Tomahawks; im nächsten Augenblick aber siegte die Habgier über das Gefühl der Rache, und wie ein Blitz stürzte er mit seinen Gefährten den Tieren nach.

      Der Alte, der in dem kritischen Moment seinem Feinde fest ins Auge geblickt hatte, lachte jetzt unhörbar vor sich hin.

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       „Die rote Natur bleibt immer dieselbe, im Walde wie auf der Prärie,“ sagte er. „Ein christlicher Wächter hätte mir den Schädel eingeschlagen, dieser Teton aber rennt seinen Pferden nach, als wenn zwei Beine so schnell laufen könnten wie vier.“

      Der Bienenjäger schlug jetzt vor, schleunigst Ismaels Lager aufzusuchen. Ellen widersprach heftig. Inzwischen wurde es unten in der Wagenburg lebendig.

      „Entferne dich, Paul,“ bat das Mädchen, „du weißt, daß sie dich nicht sehen dürfen, und sie kommen gewiß hierher!“

      „Ich gehe nicht eher, bis ich dich sicher im Schutze des Lagers weiß,“ entgegnete der junge Mann, „denn die roten Teufel können jeden Augenblick zurückkommen, und was soll dann aus dir werden?“

      „Die Rothäute braucht Ihr vorläufig nicht zu fürchten,“ sagte der Trapper. „Ich gebe Euch die Versicherung, daß die Tetons mindestens noch sechs Stunden hinter ihren Tieren herjagen. Horcht doch; jetzt sind sie unten im Weidengrund. Aber still! Nieder ins Gras! Ich hörte ein Gewehrschloß knacken, so wahr ich ein Sünder bin!“

      Damit hatte er auch schon die beiden mit sich zu Boden gerissen. Es war kein Augenblick zu verlieren gewesen, denn kaum lagen sie im hohen Grase, als auch schon einige Schüsse krachten und die Kugeln über ihnen dahinpfiffen. Weitere Schüsse folgten, und zwar schon aus geringerer Entfernung. Die Situation wurde gefahrdrohend, um so mehr, als der trotzige Bienenjäger sich anschickte, das Feuer zu erwidern.

      „Das Ding muß ein Ende nehmen,“ sagte der Trapper endlich, sich mit ruhiger Entschlossenheit wieder vom Boden erhebend. „Es ist mir unbekannt, Kinder, weswegen ihr jene Leute fürchtet, denen ihr doch, wie mir scheint, in Liebe verbunden sein solltet; immerhin aber muß ich für eure Rettung sorgen. Ob ich, der ich so alt geworden bin, ein paar Stunden früher oder später sterbe, darauf kommt es nicht an; ich will daher vorgehen.“

      Ohne auf eine Antwort zu warten, schritt er gemessenen Ganges den leichten Abhang hinab und dem Lager zu. Hell beschien das Mondlicht jetzt seine lange, hagere Gestalt.

      Von unten her ließ sich eine drohende Stimme vernehmen.

      „Wer kommt da — Freund oder Feind?“

      „Freund,“ antwortete der Alte; „einer, der zu lange gelebt hat, um den Rest seiner Tage in Unfrieden zu beschließen.“

       „Aber nicht lange genug, um die Kniffe seiner jungen Jahre vergessen zu haben,“ entgegnete Ismael, seinen mächtigen Körper hinter einem Gebüsch aufrichtend. „Ihr habt uns die Rothäute auf den Hals geschickt, alter Mann, um morgen die Beute mit ihnen zu teilen.“

      „Was habt Ihr verloren?“ fragte der Trapper ruhig.

      „Acht Pferde und ein Füllen. Meine Frau hat nicht eine Kuh behalten, und auch die Schweine und die Schafe sind fort. Wieviel davon kommt auf Euren Anteil?“

      „Nach Pferden hat mich nie verlangt, habe auch niemals auf einem gesessen, obgleich nur wenige das Land Amerika so weit durchstreiften, wie ich getan, so alt und schwach ich heute auch aussehe. Wolle und Milch mag für die Weiber sein, ich frage nichts danach. Das Fell des Wildes kleidet mich, und sein Fleisch genügt mir zur Nahrung.“

      Der aufrichtige, ehrliche Ton dieser Rede verfehlte seine Wirkung auf den Squatter nicht. Nach weiterem Hin- und Herreden fragte derselbe endlich:

      „Aber Ihr habt doch die Indianer gesehen?“

      „Gewiß,“ lautete die Antwort, „sie hielten mich gefangen, während sie sich in Euer Lager schlichen.“

      „Hättet Ihr uns da kein Warnungszeichen geben können?“ entgegnete der andere finster und noch immer mißtrauisch. „Doch was geschehen ist, ist geschehen ... Kommt hervor, Jungen, aus Eurem Versteck! Hier ist nur ein alter Mann, der von meinem Brot gegessen hat und daher unser Freund sein müßte.“

      Auf des Vaters Ruf kamen einige seiner Söhne herbei, die in der Nähe im Hinterhalte gelegen und die drei Gestalten in der nächtlichen Prärie für einen Haufen Sioux gehalten hatten. Sie betrachteten den Alten mit finsterem Argwohn und feindseligen Blicken. Endlich nahm der älteste von ihnen, gerade derjenige, dessen nachlässige Wacht dem Häuptling Mahtoree das Beschleichen des Lagers ermöglicht hatte, das Wort.

      „Wenn das der einzige ist, der von der Gesellschaft, die wir dort oben sahen, übrigblieb, dann haben wir unsere Munition nicht umsonst verschossen,“ sagte er in roher Genugtuung zu seinem Vater.

      „Asa, du hast recht,“ erwiderte der Squatter, und sich schnell an den Trapper wendend fuhr er fort: „Wie ist das, Fremder? Ihr wart Euer drei, wenn der Mondschein nicht log; wo sind die anderen?“

      „Wenn Ihr die Tetons hinter Eurem Vieh hättet herjagen sehen wie lauter schwarze Teufel, so wäret Ihr bei dem wechselnden Licht und Schatten auch wohl der Meinung gewesen, es seien ihrer Tausend. Die nächtliche Prärie täuscht den Blick, Freund.“

      Statt aller Antwort rannten Ismaels Söhne nach