Carolina Schutti

Der Himmel ist ein kleiner Kreis


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      Carolina Schutti

      Der Himmel ist ein kleiner Kreis

      Roman

      Literaturverlag Droschl

      Monologue at 3 a.m.

      Better that every fiber crack

      and fury make head,

      blood drenching vivid

      couch, carpet, floor

      and the snake-figured almanac

      vouching you are

      a million green counties from here,

      than to sit mute, twitching so

      under prickling stars,

      with stare, with curse

      blackening the time

      goodbyes were said, trains let go,

      and I, great magnanimous fool, thus wrenched from

      my one kingdom.

      Sylvia Plath

      Schrauben und Bretter auf dem Boden, Lackdosen, Pinsel, alles, was ich greifen kann, Gebrüll, ich weiß nicht, von wem, das Aufheulen der Säge und die plötzliche Stille, als sie zu laufen aufhört, weil sie im Flug das Kabel aus der Steckdose reißt. Ich höre meinen Atem, zu tief, zu laut, in kleinen Stößen dringt er aus meinem Mund, mein Luftholen ein Zischen, und dann wieder die Stöße, einer, noch einer, noch einer, bis die Lunge leer ist, ein Stöhnen aus der Tiefe meines Leibes, das Stöhnen höre ich, aber ich merke nicht, dass ich spucke, dass mein Kinn nass ist von Speichel, dass der Speichel mit Blut vermengt ist, weil ich mir auf die Zunge gebissen habe. Ich fühle einen weichen Widerstand am Fuß, und eine heiße Welle überkommt mich, weil ich harten Widerstand will, weil meine Kraft nicht in der Weichheit versinken soll, sondern zu mir zurückkehren, und sei es als ein Geräusch, das an meine Ohren dringt, lauter als das Rauschen des Blutes, ein Krachen wie das Krachen alter Schuppenbretter, über die man mit dem Fahrrad fährt, bis sie unter dem Gewicht nachgeben, spröde außen und innen morsch. Ein Klopfen wie das Klopfen der Axt, die das Brennholz spaltet: Die Augen musste man zukneifen, weil man sich weigerte, eine Brille zu tragen, und doch Angst davor hatte, eines Tages so auszusehen wie der Vater, dem ein Splitter durch die Iris gefahren war und alles Dreidimensionale dieser Welt in sich zusammenfallen ließ. Wie sollte ich einäugig Boote bauen, wie die Fluchtlinien prüfen, wie die Deckbohlen zuschneiden nach Augenmaß. Wie würde ich aussehen mit der alten, orange getönten Schibrille des Vaters, wenn jemand vorbeikäme. Bescheuert. Ich höre es, noch bevor man es ausspricht, bescheuert, wie siehst du denn aus. Die Brille hing an der Schuppentür, die Axt fuhr durch das Holz, niemand kam vorbei, mit jedem Hieb rückte der Abend näher, der Samstag, der Sonntag, der Montag.

      Die Woche beginnt mit dampfendem Wiesengras. Mit brackigem Wasser aus dem Bewässerungskanal. Mit Seewasser. Entengrütze und Moos. Schwellenholz. Dann, plötzlich, als gäbe es eine unsichtbare Wand, Polyester, Lack, Metall:

      Die Fluchtlinien prüfen, die Glätte des Lacks, die Ebenmäßigkeit der Fugen. Schräubchen versenken an Stellen, die niemand sieht, Messing polieren, das nach wenigen Tagen ohnehin wieder matt ist von Sonnencreme und Schweiß.

      Ich will hobeln! Ich will lackieren!

      Ich sehe die grinsenden Gesellen wie durch ein Vergrößerungsglas, ich schreie, Wer ist bescheuert, wer?, ich trete, ein Tritt noch, noch einer, ein letzter. Ich weiche zurück, mein Rücken trifft auf eine Wand, ich breite die Arme aus, als wollte ich davonfliegen, doch etwas stimmt nicht an diesem Bild, es sind die Hände, die ich zu Fäusten geballt habe, es sind die harten Fingernägel, die sich in meine Handflächen fressen, ohne dass der Schmerz mein Bewusstsein erreicht.

      Ich soll ihnen erzählen:

      Wie sie sich anfühlt, die Faust, in der Holzsplitter stecken. Wie es sich anhört, das Geräusch von krachendem Holz. Wie sie aussieht, die Flugbahn der Handkreissäge, die nur knapp den Kopf des Gesellen verfehlt.

      Kurz vor Mittag, an den bodentiefen Fenstern des Speisesaals ist kaum noch ein Platz frei, alle sitzen oder stehen dicht gedrängt, ich stelle mich neben Mark, was ist los, was ist los?, und draußen auf der Terrasse ist der Hausmeister mit einem Gartenschlauch, schraubt an der Düse herum, was ist los?, sag schon! Schildläuse, sagt Mark, Samtmilben, sagt jemand anderer, Spinnen! Spinnen! Spinnen!, sie sind winzig, sagt Mark, sieh nur!, und ich presse mein Gesicht an die Scheibe, kann nichts erkennen, sie sind winzig klein, sagt Mark, aber es sind viele, siehst du? Wie ein roter Schleier im Wind. Ein rotes Tierchen krabbelt über das Glas, flink, in eckigen Bewegungen, als wollte es Haken schlagen, ich fixiere es, doch Mark deutet auf die Schieferplatten, und jetzt sehe ich sie, Tausende knallrote, winzige Insekten, ein einziger, sich bewegender Teppich, doch noch bevor ich etwas sagen kann, beginnt das Wasser aus dem Schlauch herauszuschießen, der Hausmeister zielt auf die Tierchen, das Wasser spritzt in alle Richtungen, zahllose Tropfen auf der Fensterscheibe lassen unsere Aussicht allmählich verschwimmen. Der Hausmeister geht langsam vor, ruhig bewegt er den Schlauch hin und her. Hoffentlich übersieht er nichts, sagt jemand, heute gibt es Fisch und Brokkoli, sagt jemand anderer, und auf einmal ist es nicht mehr so eng und gedrängt am Fenster, Stühle werden gerückt, man verteilt sich, vereinzelt hört man Besteckgeklapper, einige rücken ihre Teller und Gläser zurecht, aber ich bleibe stehen, beobachte den Hausmeister, der hinter der nassen Scheibe seine Konturen verliert.

      Du hast deine Hose nicht richtig zu, sagt Mark, und ich blicke nach unten, der Reißverschluss steht offen, danke, sage ich und bemerke, dass ich auch keine Hausschuhe anhabe, nur dünne, rosarote Socken, ich habe die Aufregung bis in mein Zimmer hinein gehört und vergessen, Punkt fünf zu befolgen, der Aufenthalt auf den Gängen und in den Gemeinschaftsräumen der Anstalt ist nur in Hausschuhen gestattet, und ich entdecke auch, dass der Sockenstoff über den Zehen beinahe durchsichtig ist, die Kanten der großen Nägel sind darunter klar auszumachen, eine Nagelschere bekomme ich nicht, nur Sandblattfeilen aus Karton.

      Du hast nur Socken an, sagt Mark.

      Ich habe die Schreie gehört, ich hatte keine Zeit, antworte ich, doch das bekommt Mark nicht mehr mit, Musik dröhnt aus seinen Kopfhörern, mischt sich mit den Geigenklängen, die nun aus den Deckenlautsprechern kommen, ein Projekt, sagen sie, deshalb sitzen hier jetzt auch immer drei oder vier Studentinnen mit Tablets und Collegeblöcken und sehen uns beim Essen zu, und manchmal besucht uns eine im Frauenstockwerk und fragt uns etwas, und Mark sagt, auch im Männerstockwerk sei manchmal eine, aber die sehe sich nur um und mache kleine Striche auf einer Liste.

      Der Hausmeister steht nun direkt vor uns, er spritzt die Fuge zwischen Terrasse und Fenster ab. Mark drückt seine Stirn ans Glas, ich presse meine Handflächen an die Scheibe, doch trotz unserer unmittelbaren Nähe nimmt der Hausmeister von uns keine Notiz, ich klopfe, nichts, er hält den Kopf gesenkt, vielleicht ist das Wasser einfach zu laut, vielleicht verschluckt Sicherheitsglas alle Geräusche, ich lasse das Klopfen auch gleich wieder bleiben, hier drinnen ist es gut zu hören, alle Ohren sind auf Glasgeräusche geschult. Noch beim größten Tumult wird das leiseste Splittern, das zarteste Klirren vernommen, und so schnell kann man gar nicht schauen, wie jemand neben einem steht, wie zufällig, und prüft, ob nur eine Flasche umgefallen oder ob ein Glas zu Bruch gegangen ist.

      Ich kenne das, sage ich, obwohl Mark nichts hört, ich kenne das, rote Tierchen an der Gartenmauer, das kenne ich, aber so viele, und gerade jetzt, wo doch die Stühle und die Tische hinaus sollen, und Sonnenschirme für all jene, die den Schatten vorziehen, man kann Kaffee mit hinaus nehmen, man kann die Kronen der Platanen betrachten und sich wundern, wie ruhig es hier doch ist, eine Insel am Stadtrand, umgeben von einer grau verputzten Mauer, von Hecken, von Efeu, einen Schlosshof kann man sich vorstellen, ohne Weiteres, mit Gärtner und mit Bediensteten, die andauernd fragen, wie es einem geht.

      Ich brauche Luft, sagt Mark, und ich nicke, was bedeutet, dass wir uns nach dem Essen im Park treffen, auf der einzigen Bank, die um dreizehn Uhr dreißig zur Hälfte in der Sonne und zur Hälfte im Schatten steht.

      Er in der Sonne und ich im Schatten, ich sitze immer im