Marie Louise Fischer

Michaela löst eine Verschwörung


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richtige Name für die! Lehrstoff interessant machen, wenn ich so was schon höre! Und was kommt dabei heraus? Daß man sein eigenes Wort nicht verstehen kann!“

      „Das liegt aber nicht an der Weichen“, stellte Michaela richtig, „sondern daran, daß ihr so herumschreit.“

      „Ha! Soll das etwa unsere Schuld sein, wenn sie sich nicht durchsetzen kann?“

      „Das ist ’ne Schlange, die sich in den Schwanz beißt.“ Michaela klappte ihr Buch zu und setzte sich auf. „Wir wissen ja alle, daß sie schwach ist. Wir müßten ja ein Brett vor dem Kopf haben, um das nicht zu merken.“

      „Na also!“ schrie Rolly.

      „Aber deshalb brauchen wir es ihr doch nicht noch schwerer machen. Wir könnten sie unterstützen.“

      Rolly legte die hohle Hand an die Ohrmuschel. „Unterstützen? Eine Lehrkraft? Ich höre wohl nicht recht! Mickymaus, seit wann bist du unter die Streber gegangen?“

      „Quatsch mit Himbeersoße!“ sagte Michaela verächtlich.

      „Die ist doch ’ne erwachsene Person“, rief Gerda, „die soll selber sehn, wie sie zurechtkommt.“

      „Das heißt auf hochdeutsch“, stellte Babsi fest, „daß wir jetzt nur noch aus dem Buch lernen können, solange wir die Weiche haben. Denn bei eurem Krach können wir in der Stunde ja unmöglich etwas verstehen.“

      „Also doch Streber“, behauptete Rolly.

      „Ihr seid wohl zu eurer Unterhaltung in der Schule?“ fragte Pieps mit ihrem hellen Stimmchen und kicherte.

      „Natürlich nicht“, entgegnete Rolly, „aber wir denken nicht dran, uns alles gefallen zu lassen.“

      „Da sieh mal einer an!“ Michaelas dunkle Augen funkelten. „Ausgerechnet bei der Weichen fällt euch das ein! Beim Müller, bei der Stadler, dem Massmann und all den anderen seid ihr nämlich ganz schön auf Vordermann.“

      „Ist ja nicht wahr!“ protestierte Elsa.

      „Ja doch“, erklärte Babsi, „Michaela hat ganz recht.“ „Stimmt ja gar nicht!“ Rolly fuhr sich mit der Hand durch ihren aschblonden Schopf. „Mit denen motze ich auch ganz schön.“

      „Hin und wieder“, schränkte Michaela ein, „und wenn sie dich dann zusammenstauchen, hältst du ganz schön die Klappe, selbst wenn du im Recht bist. Erinnerst du dich, als der Müller behauptet hat, du hättest abgeschrieben …?“

      Rolly ließ sie nicht ausreden. „Das sind doch olle Kamellen. Schön, wenn du Wert drauf legst: Der hat mich fertiggemacht.“

      „Der hat dich immer noch auf dem Kieker“, erinnerte Pieps.

      „Na schön, und was hat das mit der Weichen zu tun? Die habe ich nun mal in mein Visier gekriegt, und der werde ich eine Nuß zu knacken geben.“

      „Von mir aus.“ Michaela stand auf.

      „Was hast du vor?“ fragte Babsi erwartungsvoll Rolly.

      „Das wollte ich gerade mit euch besprechen. Irgendeinen saftigen Streich. Woran sie was zu knabbern hat.“

      „Pfui, wie kindisch!“ Auch Pieps sprang auf die Beine und schlug zusammen mit Michaela die Decke zusammen. „Du entwickelst dich in bedauerlicher Weise zurück. Nächstens wirst du noch beim Fläschchen landen.“

      „Habt ihr denn keinen Sinn für Humor?“ schrie Rolly.

      Babsi schwang sich auf die Füße. „O doch! Nur ist unser Humor nicht so primitiv wie deiner … ein bißchen differenzierter, weißt du …“

      Rolly stemmte die Fäuste in die Hüften. „Was bildet ihr euch eigentlich ein? Wieso benehmt ihr euch so hochnäsig? Ihr seid doch nichts als blöde Stiftlerinnen …“

      Michaela klopfte ihr auf die Schulter. „Ganz recht, Stiftlerinnen – das sind wir. Bloß das Prädikat blöde ist nicht ganz zutreffend.“

      „Duckmäuserinnen seid ihr … Streberinnen! Miese Speichelleckerinnen!“

      „Komm“, sagte Babsi mit Würde. „Hier wird die Luft zu schlecht.“

      Michaela schnupperte. „Riecht, als wenn jemand hinter den Busch gekackt hätte … Was sagt ihr?“

      „Ach nein, du irrst dich“, zirpte Pieps, „jemand stinkt aus dem Hals!“

      Kichernd und sich gegenseitig stoßend, trabten sie davon, während Rolly und ihre Freundinnen ihnen Verwünschungen nachriefen.

      Michaela, Babsi und Pieps kamen sich sehr überlegen vor und berichteten auch den anderen mit Genugtuung, wie sie Rolly und ihre Freundinnen hatten abblitzen lassen. Erst viel später, am Donnerstag nämlich, in der nächsten Biologiestunde, wurde ihnen klar, daß damit gar nichts gewonnen war.

      Rolly schrie und machte Unsinn. Der Unterricht wurde von der ersten Sekunde an gestört. Viele ließen sich anstecken und gröhlten und lachten mit. Die anderen, die sich zuerst noch bemüht hatten, Frau Hartmann zu verstehen, gaben bald auf und schwatzten untereinander. Auch die Stiftlerinnen konnten sich beim besten Willen nicht zur Aufmerksamkeit zwingen. Die Lehrerin war der Klasse ausgeliefert.

      Am Montag dann schien sich das Blatt gewendet zu haben. Rolly hielt sich zurück, und sofort verhielt sich die ganze Klasse ruhiger. Frau Hartmann glaubte, es geschafft zu haben. Sie strahlte, war lebhaft, sprach mit deutlicher Stimme und machte kleine Scherze, die mit beifälligem Gelächter quittiert wurden.

      Michaela blieb ernst. Ihr kam diese plötzliche Umstellung sonderbar vor, und sie hatte das Gefühl, daß etwas in der Luft lag.

      „Du, da stimmt was nicht“, flüsterte sie Babsi zu.

      Die Freundin nickte. „Da bahnt sich was an.“

      „Aber was?“

      „Keine Ahnung! Warten wir’s ab.“

      In diesem Augenblick setzte sich Frau Hartmann auf den Stuhl hinter dem Lehrertisch und zog ein rotes Notizbuch aus ihrer Tasche. „Da ihr heute besonders gut in Form seid“, sagte sie lächelnd, „will ich euch Gelegenheit geben, gute Noten zu erwerben. Ich stelle euch jetzt ein paar Fragen, und wer die richtige Antwort weiß, meldet sich. Ihr braucht keine Angst zu haben, was Dummes zu sagen, das vergessen wir gleich wieder. Nur die richtigen Antworten werden be …“ Sie stockte mitten im Wort.

      Ihr weiches Gesicht mit den silbernen Lidschatten und dem hellrot geschminkten Mund nahm einen maßlos erstaunten, ja, geradezu törichten Ausdruck an. Sie tastete nach dem Sitz, zog gleich darauf die Hand wieder zurück, betrachtete sie prüfend und stand auf.

      Der Stuhl blieb an ihrem Hinterteil kleben.

      Die ganze Klasse, einschließlich der Stiftlerinnen, brach in ein tosendes Gelächter aus, und Rolly lachte natürlich am lautesten. Der Anblick, den die Lehrerin, am Stuhlsitz festgeklebt, bot, war wirklich komisch.

      Sie versuchte sich zu befreien, indem sie den Stuhl nach hinten drückte. Aber es gelang nicht. Sie versuchte die Lehne zu packen und drehte sich dabei wie ein Kreisel.

      Die Klasse johlte.

      Michaela und Babsi wurden als erste wieder nüchtern. Sie liefen vor und hielten den Stuhl fest. Jetzt endlich gelang es Frau Hartmann, sich zu lösen.

      Der Stuhlsitz war mit einem durchsichtigen Leim beschmiert, in dem jetzt Fäden von Frau Hartmanns hellblauem Rock hingen. Die Rückseite des Rocks sah schlimm aus.

      Die Lehrerin selber wirkte, als würde sie im nächsten Augenblick in Tränen ausbrechen. Ihre Lippen zitterten, und sie konnte kein Wort hervorbringen.

      „Sie sollten sich umziehen“, schlug Michaela vor.

      Aber diesen Rat bekam die junge Lehrerin in die falsche Kehle. „Willst du mir etwa Vorschriften machen?“

      „Aber nein, ich dachte nur …“