Leopold von Sacher-Masoch

Katharina II. Russische Hofgeschichten


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„Geh’, du liebst mich nicht“, sprach sie dann mit einem Tone, der ihm ins Herz schnitt. „Rühre mich nicht an, ich will nichts von dir wissen.“

      Entsetzt sprang Mirowitsch auf und warf sich im nächsten Augenblicke wieder leidenschaftlich zu ihren Füßen nieder. „Katharina, du machst mich wahnsinnig“, schrie er auf, „binde mich an einen Pfahl und peitsche mich, bis mein Blut mich badet, ich werde jauchzen! Lege mich wie die christlichen Märtyrer auf einen glühenden Rost.“

      „Narr!“ rief die Kaiserin.

      „Sag mir: Du langweilst mich, ich will noch dein sein bis zum nächsten Neumond, dann aber fällt dein Haupt, und ich will dir danken wie meinen Gott.“

      Katharina lachte. „Nun, womit wollen wir beginnen?“ sprach sie, indem sie ihm das verwirrte Haar aus der Stirne strich, „mit dem glühenden Rost?“

      Mirowitsch schlang beide Arme um sie, preßte sein glühendes Gesicht an ihre Marmorbrust und zitterte.

      „Rühr’ mich nicht an“, sagte sie wieder lachend, „ich will dich heute prüfen, ich will grausamer sein als Peitsche und Rost.“

      Mirowitsch sah sie an. „Du hast heute etwas vor“, sprach er, „du bist so seltsam schön.“

      „Ja“, rief sie heiter, „ich will dich fangen.“

      „Bin ich nicht gefangen?“

      „Noch nicht ganz.“

      „Nun, so ziehe das Netz zusammen. Da hast du mich“, flüsterte er im Liebeswahnsinn, „mache mit mir, was du willst.“

      „Narr! Bedarf ich dazu deiner Erlaubnis?“ entgegnete Katharina mit einem Blick, welcher Mirowitsch das Blut in den Adern erstarren machte.

      Er küßte ihre üppige Schulter, von der der Pelz herabgesunken wir.

      „Küsse mich nicht“, rief die Kaiserin und stieß ihn roh und schnöde mit dem Fuße von sich. „Ich will dich erst wieder lieben, wenn du ganz mein bist, ein Ding in meiner Hand.“

      „Das bin ich, Katharina“, beteuerte er mit feuchten weinenden Augen. „Ich verlange, dir nur etwas zu sein, ein Sklave, ein Ding, ein Spielzeug, ein Instrument, mache aus mir, was du willst, und wirf mich weg, wenn ich dir unnütz bin.“

      Die Kaiserin sah ihn beinahe gerührt an. Dann beugte sie sich zu ihm und küßte ihn auf die Stirne. „Mirowitsch“, sprach sie mit sanfter Stimme, „wenn du mich liebst, befreie mich von meiner größten Sorge — von —“

      „Du hast Sorgen?“ sprach Mirowitsch zärtlich leise. „O sprich, befiehl deinem Sklaven.“

      „Ich kann nicht ruhig schlafen, mein Geliebter“ — sie beugte sich zu ihm und legte die Lippen an sein Ohr, „solange Iwan lebt.“

      „Prinz Iwan!“ schrie Mirowitsch.

      „Er ist der rechtmäßige Zar durch das Testament der Kaiserin Anna. Ich muß es selbst bezeugen. Ich habe ihn nicht entthront, die Zarin Elisabeth riß ihn aus der Wiege in den Kerker. Dort wuchs er auf wie ein Tier im Käfig, fern von der menschlichen Gesellschaft. Ein Mann mit den Gedanken, mit dem Herzen, mit der Ausdrucksweise eines Kindes, reizt dieser blöde Prinz jetzt den Ehrgeiz aller Unzufriedenen, aller meiner Feinde. Man stellt ihn mir entgegen, man will mich durch ihn stürzen.“

      „Nimmermehr!“ rief Mirowitsch. Er richtete sich groß auf, ein blinder Fanatismus lag in diesem Augenblicke auf seinem bleichen Gesichte, in seinen versunkenen Augen.

      „Der nächste Tag kann meinen Thron zertrümmern, mein Geliebter, willst du mich im Kerker sehen, oder“ — — sie preßte die Hände vor das Gesicht.

      „Soll ich ihn morden?“ flüsterte Mirowitsch, „Geliebte!“ Seine Stimme war heiser vor Aufregung.

      „Mirowitsch!“ schrie Katharine auf, sie schien erschreckt.

      „Du mußt ihn aus dem Wege räumen“, fuhr er eifrig fort, „so sprich sein Todesurteil, und ich vollstrecke es. Laß mich dann aufs Rad flechten, rette deinen Namen, ich sterbe gerne für dich, Katharina!“ Er küßte ihre Hände, ihre Füße und weinte.

      „Beruhige dich, mein Freund“, sprach die Kaiserin, „ich werde deine treuen Hände nicht mit Blut beflecken. Ich habe einen Plan. Du sollst ihn erfahren. Willst du also in dieser Sache ganz nur mein Werkzeug sein?“

      „Ich will“, entgegnete Mirowitsch, „ich bin ja dein — dein bis in den Tod.“

      „Sprich nicht vom Tode“, flüsterte die Kaiserin, „mir schauert“. Einen Augenblick war ihr schönes Antlitz grauenhaft entstellt. „Heute winkt uns das Leben, Mirowitsch“, rief sie dann mit dem Lachen einer Bacchantin, „küsse mich! —“

      VI.

      „Die Kaiserin geht nach Livland“, flog es von Mund zu Mund. Die widersprechendsten Meinungen über den Zweck dieser Reise wurden laut. Zuletzt einigte man sich darin, daß Katharina II. dieselbe unternehme, um mit Poniatowski zusammen zu kommen. Sie habe Orlow satt, hieß es, die Liebe zu dem ritterlichen Polen sei wieder mächtig in ihr erwacht, und dergleichen mehr.

      Ehe der Nero im Reifrock den Reisewagen bestieg, wurde die Fürstin Daschkow in das kaiserliche Kabinett berufen.

      Katharina II. ging unruhig im Zimmer auf und ab. Sie schien ausnehmend heiter, summte eine frivole italienische Arie und betrachtete sich von Zeit zu Zeit mit einem gewissen Stolz im Spiegel.

      „Ich bin schön“, sprach sie lebhaft, „ich habe Mirowitsch glücklich gemacht, seine kühnsten Träume überflügelt, er kann nun für mich sterben. Aber ich will ihn nicht mehr sehen, der Abschied würde mich aufregen. Hier sind die Instruktionen für ihn, hier die Summen, die er braucht.“ Sie übergab beides der Fürstin, schritt dann zu ihrem Schreibtische, nahm ein Aktenstück von demselben, las es noch einmal aufmerksam und unterzeichnete hierauf rasch. „Lies“.

      Die Daschkow las. Es war eine Ordre an die beiden der Kaiserin treu ergebenen Offiziere, Kapitän Wlassiew und Leutnant Tschekin, welche den Prinzen Iwan in seinem Kerker in Schlüsselburg bewachten und mit ihm in einem Zimmer schliefen, und enthielt den Befehl, sobald ein Versuch zur Befreiung des Gefangenen gemacht werde, denselben auf der Stelle zu töten. Begründet war derselbe durch die Aufregung, welche zugunsten des Prinzen immer bedrohlicher an den Tag trat.

      „Für Petersburg habe ich meine Maßregeln getroffen“, sprach Katharina II. mit imposanter Ruhe, „Orlow nehme ich mit mir, Panin bleibt, ich überlasse ihn dir, du bewachst ihn, du haftest mir für ihn. Mein Sohn, der Thronfolger, bleibt in seinen Händen.“ Die Daschkow machte eine Bewegung. „Ich kenne Panin“, fuhr die Zarin majestätisch fort, „es könnte ihm einfallen, meine Abwesenheit zu benützen, den Großfürsten Paul zum Kaiser auszurufen und für den Knaben zu regieren, aber Panin ist vorsichtig und unentschlossen. Bei der ersten Regung einer Empörung bemächtigst du dich meines Sohnes und bringst ihn zu mir. Die besten Offiziere der Garde begleiten mich, was hier bleibt, sind junge Leute ohne Kriegserfahrung. Im entscheidenden Augenblicke werden an die Feldregimenter scharfe Patronen ausgeteilt, und wagen die Garden den Aufstand mit der blanken Waffe, dann habe ich die Armee in Livland, und wehe ihnen, wenn ich als Siegerin in meine Hauptstadt einziehe. Lebe wohl! —“

      An demselben Tage, an welchem die Kaiserin Petersburg verließ, kehrte Mirowitsch zu seinem Regimente zurück, welches eben in der Stadt Schlüsselburg in Garnison lag. Die Kompagnien desselben zu hundert Mann lösten sich Woche für Woche bei dem Dienst in der Festung ab.

      Acht Mann bewachten den Gang zu der Kasematte, in welcher der rechtmäßige Zar Iwan gefangen gehalten wurde.

      Mirowitsch verbrannte sofort nach seinem Eintreten in Schlüsselburg seine Instruktionen sorgfältig in dem Feuer seines Kamins und ging dann mit ebensoviel List als Fanatismus an die Ausführung derselben.

      Mit dem Gelde, das ihm die Fürstin Daschkow eingehändigt hatte,