den Tomahawk auf ihn ab. Er traf den Indianer, den er sich ausersehen, vor die Stirne und hemmte für einen Augenblick seinen Angriff. Ermuthigt durch diesen geringen Vortheil, sprang der ungestüme junge Mann mit unbewehrten Händen auf seinen Feind los. Ein Augenblick aber reichte hin, ihn von seiner Uebereilung zu überzeugen; denn alsbald mußte er seine ganze Gewandtheit und allen Muth aufbieten, um sich der verzweifelten Messerstöße des Huronen zu erwehren. Unfähig, einem so behenden und wachsamen Gegner länger zu widerstehen, umfaßte er ihn mit seinen Armen und es gelang ihm, dem Feinde mit eisernem Griff die Hände fest an den Leib zu drücken; aber diese Anstrengung war zu stark, als daß sie ihn nicht hätte bald erschöpfen müssen. In dieser äußersten Gefahr ertönte eine Stimme neben ihm:
»Vernichtet die Schufte! keinen Pardon den verfluchten Mingos!« Im nächsten Augenblick fiel der Kolben der Büchse Hawk-eye’s auf den nackten Kopf von Heyward’s Gegner, dessen Muskeln unter dem Streiche zu verdorren schienen, während er kraft-und bewegungslos aus Duncan’s Armen niedersank.
Als Uncas seinen ersten Feind niedergeschmettert hatte, wandte er sich wie ein hungriger Löwe, einen zweiten zu suchen. Der fünfte und einzige Hurone, der bei dem ersten Angriff seinen Gegenmann gefunden, hatte eine Weile unentschlossen da gestanden und dann mit teuflischer Bosheit versucht, das unterbrochene Werk der Rache zu vollenden. Ein Siegesgeschrei erhebend sprang er auf die wehrlose Cora zu und schleuderte, als furchtbaren Vorboten seiner Annäherung, seinen scharfen Tomahawk nach ihr. Dieser streifte ihr die Schulter, durchschnitt die Weiden, welche sie an den Baum gefesselt hielten und ließ ihr Freiheit, zu entfliehen. Cora entschlüpfte dem Griffe des Wilden, warf sich, um die eigene Sicherheit unbesorgt, an Alicens Busen, und versuchte mit krampfhaften, zitternden Händen die Weiden zu lösen, die jene noch festhielten. Nur ein Ungeheuer konnte bei diesem Zuge edelmüthiger, aufopfernder Liebe ungerührt bleiben; aber die Brust des Huronen kannte kein Mitgefühl. Er ergriff Cora an den üppigen Locken, welche ihr in schöner Verwirrung über Nacken und Schultern fielen, und riß sie mit dem rohesten Ungestüm auf die Kniee nieder. Hierauf wand er sich die reiche Fülle der Haare um die Hand und, sie hoch mit ausgestrecktem Arme emporhaltend, schwang er ein Messer um das schöngeformte Haupt seines Schlachtopfers, indem er ein höhnisches und frohlockendes Gelächter erhob. Allein er mußte diesen Augenblick grausamer Lust theuer bezahlen. In demselben Moment erschaute Uncas diese entsetzliche Scene. Emporspringend schoß er durch die Lüfte und stürzte gleich einer Kugel auf die Brust seines Feindes herab, indem er ihn jählings viele Schritte weg zu Boden schleuderte. Die Heftigkeit der Anstrengung warf den jungen Mohikaner samt dem Feinde zur Erde. Beide sprangen zugleich wieder auf, fochten, bluteten wechselseitig. Aber der Kampf war bald entschieden; der Tomahawk Heyward’s und die Büchse Hawk-eye’s fielen in demselben Augenblick auf den Schädel des Huronen, als Uncas Messer sein Herz erreichte.
Der Kampf war jetzt entschieden bis auf das immer noch währende Handgemenge von »le Renard Subtil« und »le gros Serpent.« Die wilden Krieger bewiesen, daß sie diese bezeichnenden Namen, die ihnen für frühere Kriegsthaten zu Theil geworden, wohl verdienten. Als sie handgemein wurden, verging einige Zeit damit, daß sie den schnellen und kräftigen Hieben, die sie auf einander führten, gegenseitig auswichen; plötzlich aber stürzten sie auf einander los, umfaßten sich und fielen zu Boden, indem sie sich, Schlangen gleich, in unaufhörlichen Krümmungen um einander wanden. In dem Augenblicke, da sich die Sieger unbeschäftigt fanden, war die Stelle, wo diese erfahrenen und verzweifelten Kämpfer lagen, nur an einer Wolke von Staub und Blättern erkennbar, welche sich von dem Mittelpunkte der kleinen Ebene, wie durch einen Wirbelwind getrieben, an den Rand derselben fortbewegte. Von kindlicher Liebe, Freundschaft und Dankbarkeit angetrieben, stürzten Heyward und seine Genossen nach dem Orte und umgaben die kleine Staubwolke, welche über den Kämpfenden schwebte. Umsonst schoß Uncas um die Wolke, dem Feinde seines Vaters das Messer in das Herz zu stoßen; umsonst war Hawk-eye’s Büchse drohend emporgehoben; umsonst suchte Duncan einen Fuß des Huronen zu erfassen – seine Hände schienen all’ ihre Kraft verloren zu haben. Bedeckt, wie sie waren, von Staub und Blut, schienen sie durch ihre schnellen Bewegungen in einen Körper verwachsen. Die todtenähnliche Gestalt des Mohikaners und die düstere des Huronen wechselten vor ihren Augen in so schneller und verworrener Aufeinanderfolge, daß die Freunde des Erstern nicht wußten, wann oder wohin sie ihre hülfreichen Streiche führen sollten. Zwar gab es kurze, flüchtige Augenblicke, wo die grimmigen Augen Magua’s gleich denen des fabelhaften Basilisken durch den ihn umgebenden Staubwirbel funkelten, und mit diesen kurzen und tödtlichen Blicken konnte er das Schicksal eines Kampfes mit solchen Feinden lesen. Ehe jedoch eine feindliche Hand auf sein dem Tode geweihtes Haupt herabsinken konnte, war schon an seiner Stelle das finstere Gesicht Chingachgook’s sichtbar. Auf diese Weise hatte sich der Kampf aus dem Mittelpunkte der kleinen Ebene an den Rand derselben gezogen. Dem Mohikaner gelang es jetzt, seinem Gegner einen gewaltigen Stoß mit dem Messer zu versetzen; Magua ließ ihn plötzlich los, und sank regungslos, wie es schien, ohne Leben zurück. Sein Gegner sprang auf die Füße und ließ die Laubgewölbe des Waldes von Siegsgeschrei ertönen.
»Sieg den Delawaren! Sieg den Mohikanern!« rief Hawk-eye, indem er noch einmal den Kolben seiner langen Todeswaffe erhob; »ein letzter Kolbenstreich von Einem, dem reines Blut in den Adern rinnt, ist nicht wider seine Ehre und raubt ihm sein Recht auf den Skalp nicht.«
In dem Augenblick aber, da die verderbliche Waffe herabfuhr, entzog sich der geschmeidige Hurone schnell der Gefahr durch eine Bewegung, durch welche er über den Rand des Absturzes rollte, auf die Füße zu stehen kam, und mit einem einzigen Sprung in das Dickicht eines niedern Buschwerks verschwand, das sich zu seinen Seiten schloß. Die Delawaren, welche den Feind todt geglaubt hatten, stiegen ihren Ruf der Verwunderung aus und verfolgten ihn wie zwei Windspiele, wenn sie das Wild erschauen, mit stürmischer Eile, als ein schrilles und eigenthümliches Geschrei des Kundschafters ihr Vorhaben änderte und sie auf den Gipfel des Hügels zurückrief.
»Das sieht ihm gleich!« rief der alte Waidmann, dessen Vorurtheile so viel dazu beitrugen, seinen natürlichen Sinn für Gerechtigkeit, so bald es die Mingo’s betraf, zu berücken. »Ein lügenhafter, betrügerischer Kerl! Ein ehrlicher Delaware, einmal besiegt, wäre ruhig liegen geblieben, und hätte sich den Todesstoß geben lassen; diese schurkischen Maquas aber haben ein Leben, wie wilde Katzen. Laßt ihn gehen – laßt ihn gehen: ‘s ist nur ein Mann ohne Büchse oder Bogen und hat manche gute Meile zu seinen französischen Kameraden; und wie ein Eber, der seine Fänge verloren, kann er keinen Schaden mehr thun, ehe er und auch wir die Tritte unsrer Moccassins einer weiten Sandstrecke eingedrückt haben. Sieh, Uncas,« fuhr er in delawarischer Sprache fort, »dein Vater hält bereits seine Skalpenärnte. Er thut recht, daß er nach den Vagabunden sieht, sonst entspringt uns wieder Einer durch die Wälder und kreischt wie ‘ne Elster, der man die Flügel freigelassen hat!«
Mit diesen Worten hielt der ehrliche, aber unversöhnliche Kundschafter seinen Umgang bei den Todten, und stieß ihnen mit solcher Kaltblütigkeit sein langes Messer in die leblose Brust, als ob es eben so viel Ueberreste von Thieren gewesen wären. Der ältere Mohikaner war ihm jedoch zuvorgekommen und hatte den widerstandlosen Häuptern bereits diese Sinnbilder des Sieges abgezogen.
Uncas aber flog, seine Sitte nur wir möchten wohl sagen, seine Natur verläugnend, mit instinktmäßigem Zartgefühl, von Heyward begleitet, den Mädchen zu Hülfe, befreite schnell Alice von ihren Fesseln und führte sie in Cora’s offene Arme. Wir wollen unterlassen, den Dank gegen den allmächtigen Lenker der Ereignisse zu schildern, der in den Schwestern glühte, die dem Leben und ihrer Liebe so unerwartet wieder geschenkt worden waren. Ihr Gebet war innig und still; die Opfer ihres edeln Gemüths brannten hell und rein auf den geheimen Altären ihrer Herzen; und ihre neu belebten irdischen Gefühle drückten sich in langen, glühenden, wenn auch sprachlosen Liebkosungen aus. Als Alice von ihren Knieen, auf die sie zur Seite Cora’s gesunken war, sich erhob, stürzte sie an den Busen ihrer ältern Schwester und sprach unter lautem Schluchzen den Namen ihres betagten Vaters aus, während ihre sanften Taubenaugen von den Strahlen der Hoffnung erglänzten.
»Wir sind gerettet! wir sind gerettet!« sprach sie leise; »um in die Arme unsres theuren, theuren Vaters zurückzukehren, und sein Herz wird nicht vor Gram brechen. Und auch du, Cora, meine Schwester, die du mir mehr als Mutter bist; auch du bist gerettet, und Duncan!« fuhr sie fort, indem sie mit einem unaussprechlichen