hätte vielleicht eine Einrede gewagt, wenn ihm nicht die finstere Zurückhaltung Magua’s den Muth dazu benommen hätte. Auf dem ganzen Zuge wandte er sich selten, um nach seinen Begleitern zu sehen und sprach kein Wort. Ohne andere Führer als die Sonne und geleitet von Merkzeichen, welche nur dem Scharfblick des Eingebornen erkennbar sind, verfolgte er seinen Weg durch die öden Fichtenwälder, mitunter über kleine, fruchtbare Thäler, durch Bäche und Flüßchen und wellenförmige Hügel, mit instinktartiger Sicherheit und fast in der geraden Richtung des Vogelflugs. Nie schien er unschlüßig zu sein, der Weg mochte kaum erkennbar werden, ganz verschwinden oder gebahnt und offen vor ihm liegen. Nichts hemmte seine Eile oder machte ihn zweifelhaft. Es schien, als ob Ermüdung ihm völlig unbekannt wäre. So oft sich die Augen der ermatteten Wanderer von dem gefallenen Laube, über das sie schritten, erhoben, schwebte seine dunkle Gestalt durch die vorderen Baumstämme hin, sein Auge blieb unbeweglich vorwärts gerichtet, während die leichte Feder auf seinem Schopfe in einem Luftzuge flatterte, der allein durch seine schnelle Bewegung hervorgebracht wurde.
Aber alle diese Sorgfalt und Eile galt einem bestimmten Ziele. Nachdem sie durch ein tiefes Thal gekommen waren, durch welches ein rauschender Bach in Krümmungen dahinfloß, stieg er plötzlich einen Hügel hinan, der so steil und unwegsam war, daß die Schwestern, um zu folgen, absteigen mußten. Als sie den Gipfel erreicht, befanden sie sich auf einer Fläche, auf der nur wenige Bäume standen. Unter einem derselben hatte sich Magua’s dunkle Gestalt hingeworfen, als wollte er jene Ruhe suchen, deren Alle so sehr bedürftig waren.
Eilftes Kapitel.
– Verfluchet sei mein Stamm,
Wofern ich ihm verzeihe. –
Shylock.
Der Indianer hatte für seinen Zweck einen jener steilen, pyramidenförmigen Hügel ausersehen, welche eine große Aehnlichkeit mit künstlichen Erdaufwürfen haben und in den Thälern Amerikas so häufig gefunden werden. Der fragliche Hügel war hoch und abschüssig, sein Gipfel, wie gewöhnlich, abgeplattet, eine Seite davon aber weniger regelmäßig, als es sonst wohl der Fall ist. Der Ort hatte für einen Ruheplatz keine anderen Vortheile, als seine Höhe und Form, welche eine Vertheidigung leicht und einen Ueberfall beinahe unmöglich machten. Da Heyward jedoch nicht weiter auf eine Befreiung hoffte, welche Zeit und Entfernung gleich unwahrscheinlich machten, so betrachtete er diese geringfügigen Eigenthümlichkeiten mit gleichgültigem Auge, und war allein darauf bedacht, seine schwächeren Begleiter zu trösten und ihnen Muth einzusprechen. Die Narragansets ließ man die Zweige der auf dem Hügel sparsam wachsenden Bäume und Gesträuche abweiden, während die Reste des Mundvorrathes unter dem Schatten einer Buche, die mit ihren wagerechten Aesten sie gleich einem Dache überragte, ausgebreitet würden.
Trotz ihres eilfertigen Marsches hatte einer der Indianer Gelegenheit gefunden, ein verirrtes Hirschkalb mit einem Pfeile zu erlegen, und die vorzüglicheren Theile des Thieres geduldig auf den Schultern nach dem Ruheplatz getragen. Ohne Hülfe und Kenntniß der Kochkunst schickte er sich sogleich mit seinen Genossen an, diese schwerverdauliche Speise hinunterzuschlingen. Magua allein hielt sich entfernt, ohne an dem widerlichen Mahle Theil zu nehmen, und schien in tiefes Nachdenken versunken. Diese Enthaltsamkeit, so auffallend bei einem Indianer, wenn er Mittel hat, seine Eßlust zu befriedigen, zog endlich Heyward’s Aufmerksamkeit auf sich. Er gab sich der Hoffnung hin, der Hurone denke darüber nach, wie er die Wachsamkeit seiner Gefährten am ehesten täuschen könne, um sich in den Besitz der versprochenen Geschenke zu setzen. Mit dem Gedanken, diese Pläne durch seinen eigenen Rath zu unterstützen und die Versuchung noch zu verstärken, verließ er die Buche und kam, wie von Ungefähr, auf die Stelle zu, wo le Renard saß.
»Hat nicht Magua die Sonne lange genug im Gesicht gehabt, um aller Gefahr von den Canadiern entronnen zu seyn?« fragte er, als ob er über das gute Einverständniß zwischen ihnen nicht länger im Zweifel wäre: »und wird der Häuptling von William Henry nicht mehr erfreut seyn, wenn er seine Tochter wieder sieht, ehe noch eine zweite Nacht sein Herz gegen ihren Verlust verhärtet und ihn mit seinen Geschenken weniger freigebig gemacht haben wird?« –
»Lieben die Blaßgesichter ihre Kinder weniger am Morgen, als am Abend?« fragte der Indianer kalt.
»Keineswegs,« erwiederte Heyward, besorgt, seinen Fehler zu verbessern, wenn er einen gemacht, »der weiße Mann vergißt oft den Begräbnißplatz seiner Väter; er gedenkt zuweilen nicht mehr derer, die er lieben sollte und zu lieben versprochen hat; aber die Zärtlichkeit eines Vaters für sein Kind darf nie ersterben.«
»Und ist das Herz des weißköpfigen Häuptlings sanft, wird er lange an die Kinder denken, die seine Squaws ihm gegeben haben? Er ist so hart gegen seine Krieger, und seine Augen sind aus Stein gebildet!«
»Er ist streng gegen die Trägen und Bösen, aber gegen die Nüchternen und Verdienstvollen ist er ein gerechter und gütiger Führer. Ich habe schon viele liebevolle und zärtliche Aeltern gesehen, aber noch keinen Mann, dessen Herz gegen sein Kind zärtlicher gesinnt gewesen wäre. Du hast den Graukopf vor der Fronte seiner Krieger gesehen, Magua; aber ich habe erlebt, wie seine Augen in Thränen schwammen, wenn er von diesen Kindern sprach, die nun in Deinen Händen sind!«
Heyward schwieg; denn er konnte sich den auffallenden Ausdruck nicht erklären, der sich über die schwärzlichen Züge des aufmerksamen Indianers blitzschnell verbreitete. Zuerst war es, als ob die Erinnerung an die versprochene Belohnung in seinem Geiste lebendig würde, wie er von den Quellen väterlicher Zärtlichkeit hörte, die ihm den Besitz jener sichern würden; während Duncan aber weiter redete, wurde der Ausdruck der Freude so grimmig boshaft, daß er nothwendig befürchten mußte, es liege ihr eine unheimlichere Leidenschaft als Gewinnsucht zu Grunde,
»Geh!« sprach der Hurone, indem er für den Augenblick diesen beunruhigenden Ausdruck seines Antlitzes mit einer todtenähnlichen Ruhe vertauschte, »geh und sage der schwarzlockigen Tochter, daß Magua sie sprechen will. Der Vater wird nicht vergessen, was die Tochter verspricht.«
Duncan, der in dieser Rede des Wilden den Wunsch nach einem weitern Unterpfande dafür erblickte, daß die versprochenen Gaben ihm auch wirklich zu Theil werden sollten, zog sich langsam und zögernd nach der Stelle zurück, wo die Schwestern von ihrer Anstrengung ausruhten, um seinen Auftrag an Cora auszurichten.
»Sie wissen, von welcher Art die Wünsche eines Indianers sind,« schloß er, sie zu der Stelle führend, wo sie erwartet wurde. »Sie müssen freigebig mit Anerbietungen von Pulver und Decken seyn. Geistige Getränke stehen jedoch bei Leuten, wie er, oben an; auch wäre es gut, wenn Sie ihm ein Geschenk von Ihrer Hand mit jener Grazie, die Ihnen so eigenthümlich ist, anbieten würden. Bedenken Sie, Cora, daß von Ihrer Geistesgegenwart und Besonnenheit sogar Ihr Leben und das Alicens abhängt!«
»Und das Ihrige, Heyward!«
»Das meinige kommt wenig in Betracht, es ist bereits an meinen König verkauft, und gehört dem ersten besten Feinde, der es mir nehmen kann. Ich habe keinen Vater, der mich erwartet, und nur wenige Freunde, die ein Schicksal beklagen, nach welchem ich mit der nicht zu stillenden Sehnsucht der Jugend nach Auszeichnung gedürstet habe. Aber still! wir nahen uns dem Indianer. »Magua, die Lady, mit welcher Du zu sprechen gewünscht, steht vor Dir.«
Der Indianer erhob sich langsam von seinem Sitze und stand fast eine Minute schweigend und regungslos vor ihr. Dann gab er Heyward mit der Hand ein Zeichen, sich zurückzuziehen, und sagte kalt:
»Wenn der Hurone mit den Weibern spricht, verschließt sein Stamm die Ohren.« Als Duncan noch immer zögerte, als wollte er nicht gehorchen, sprach Cora mit ruhigem Lächeln:
»Hören Sie’s, Heyward? Ihr Zartgefühl sollte Sie wenigstens veranlassen, sich zurückzuziehen. Gehen Sie zu Alice und trösten Sie dieselbe mit unsern wiederauflebenden Hoffnungen!«
Sie wartete bis er sich entfernt hatte, und sprach dann, gegen den Eingebornen gekehrt, mit aller Würde ihres Geschlechts in Stimme und Geberden: »Was will Le Renard der Tochter