James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper


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daß die geängsteten Zuhörer sich leicht einbilden konnten, sie ertönten auch unter ihnen, während sie in Wahrheit über und auf allen Seiten von ihnen waren.

      Mitten in diesem Tumult ertönte ein Triumphgeheul nur wenige Schritte von dem verborgenen Eingang in die Höhle. Heyward gab alle Hoffnung auf, indem er glaubte, dies sey das Signal, daß sie entdeckt worden seyen. Diese Besorgniß verschwand jedoch wieder, als sich die Schreienden um die Stelle sammelten, wo der Weiße so widerstrebend seine Büchse zurückgelassen hatte. Unter dem Kauderwelsch der indianischen Dialekte, das man jetzt deutlich vernahm, ließen sich nicht blos einzelne Wörter, sondern selbst ganze Sätze in dem Patois Canada’s unterscheiden. Viele Stimmen tönten mit einem Mal: »la longue Carabine!« und die Echo der Wälder gegenüber gaben einen Namen wieder, der, wie Heyward sich wohl erinnerte, von seinen Feinden einem berühmten Jäger und Kundschafter des englischen Lagers gegeben wurde, welcher, wie er jetzt zum ersten Mal erfuhr, sein letzter Begleiter gewesen war. »La longue Carabine! la longue Carabine!« ging es von Mund zu Mund, bis die ganze Bande sich, wie es schien, um die Siegestrophäe versammelt hatte, welche den Tod ihres furchtbaren Eigenthümers zu verkünden schien. Nach einer stürmischen Berathung, welche nur zuweilen durch Ausbrüche ihrer wilden Freude unterbrochen ward, trennten sie sich wieder und erfüllten die Luft mit dem Namen eines Feindes, dessen Leiche sie, wie Heyward aus ihren Ausdrücken schloß, in einer Spalte des Felsens zu finden hofften.

      »Jetzt,« flüsterte er den zitternden Schwestern zu, »jetzt ist der Augenblick der Entscheidung! wenn unser Versteck dies Mal ihrer Nachforschung entgeht, so sind wir geborgen! Auf jeden Fall können wir gewiß seyn, daß unsre Freunde entkommen sind und daß wir in wenigen Stunden ans Hülfe von Webb hoffen dürfen.«

      Einige Minuten des bängsten Stillschweigens folgten, während welcher, wie Heyward wohl wußte, die Wilden ihre Nachforschungen mit mehr Eifer und Umsicht als bisher fortsetzten. Mehr denn ein Mal konnte er ihre Fußtritte unterscheiden, wie sie an dem Sassafras hingingen, so daß die Blätter rauschten und die dürren Aeste brachen. Endlich wich der Haufen ein wenig, die Ecke des Vorhangs sank und ein schwacher Lichtstrahl drang in das Innere der Höhle, Cora drückte Alice in der Angst des Todes an das Herz und Heyward sprang auf. Ein Schrei ward in diesem Augenblick gehört, als ob er aus der Mitte des Felsens käme, und ließ vermuthen, daß sie endlich in die benachbarte Höhle eingedrungen waren. In einer Minute hatte sich, wie die Zahl und das laute Geschrei der Stimmen verrieth, der ganze Haufe in und um diesen verborgenen Ort zusammengedrängt.

      Da die innern Eingänge der beiden Höhlen so dicht neben einander waren, schritt Duncan, der ein weiteres Verborgenbleiben nicht länger für möglich hielt, vor David und die Schwestern hin, um sich zwischen diese und den ersten Anlauf der schrecklichen Rotte zu stellen. Durch seine Lage zur Verzweiflung gebracht, trat er ganz nahe an die schwache Barriere, welche ihn nur einige Fuße

      von seinen fühllosen Verfolgern trennte, hielt sein Auge an die zufällige Oeffnung, und schaute mit einer Art verzweifelter Gleichgültigkeit hinaus, um ihre Bewegungen zu beobachten.

      Im Bereich seines Armes war die braune Schulter eines riesenhaften Indianers, dessen tiefe und gebieterische Stimme Befehle zu ertheilen schien, denen die Andern gehorchten. Vor ihm konnte Duncan in das Gewölbe gegenüber blicken, das mit Wilden angefüllt war, welche das ärmliche Geräthe des Kundschafters durcheinander warfen und durchstöberten. Davids Wunde hatte die Blätter des Sassafras mit einer Farbe gefärbt, die, wie die Wilden wohl wußten, noch nicht an der Zeit war. Ueber dieses Zeichen ihres Erfolgs stimmten sie ein Geheul an, wie eine Koppel Hunde, welche die Fährte wieder gefunden haben. Nach diesem Siegesgeschrei rissen sie das duftende Bett in der Höhle auf und trugen die Zweige in die Felsenspalte, indem sie sie umherstreuten, als ob sie vermutheten, daß sie die Leiche des Mannes verbargen, den sie so lange gehaßt und gefürchtet hatten. Ein wild und grimmig aussehender Krieger näherte sich jetzt dem Häuptling mit einer Ladung Gestrüpp, und gab, mit Frohlocken auf dunkelrothe Flecken, womit sie besprengt waren, deutend, seine Freude durch indianische Ausrufungen zu erkennen, deren Inhalt Heyward blos aus der häufigen Wiederholung des Namens la longue Carabine zu muthmaßen vermochte. Als seine Freudenrufe aufgehört hatten, warf er das Gestrüpp auf den kleinen Haufen, welchen Duncan vor dem Eingang in die zweite Höhle gebildet hatte, und verschloß so wieder die Aussicht. Sein Beispiel ward von Andern nachgeahmt, welche, die Zweige aus der Höhle des Kundschafters heraus schaffend, sie auf den einen Haufen warfen und so unwissend zur Sicherheit derer, die sie suchten, selbst beitrugen. Gerade das Unansehnliche der Vorkehrung war ihr Hauptverdienst: denn Niemand dachte daran, einen Haufen Gestrüpp wegzuräumen, von dem Jeder glaubte, daß er im Augenblick der Eile und der Verwirrung zufälliger Weise unter den Händen der eigenen Partei entstanden sey.

      Da die Decken unter dem äußern Drucke wichen und die Zweige sich, durch ihre eigene Last eine dichte Masse bildend, in die Felsspalte eindrückten, so athmete Duncan wieder freier auf. Mit leichtem Tritt und noch leichterem Herzen kehrte er in die Mitte der Höhle nach der Stelle zurück, wo er durch die Oeffnung eine Aussicht nach dem Flusse hatte. Während er diese Bewegung machte, brachen die Indianer, als hätten sie ihren Entschluß geändert, aus der kleinen Felsenschlucht auf und entfernten sich wieder die Insel hinauf nach dem Punkte, von dem sie ursprünglich herabgekommen waren. Hier verrieth ein zweites Klagegeheul, daß sie sich wieder um die Leichen ihrer gefallenen Kameraden versammelt hatten.

      Nun erst wagte Duncan wieder die Augen nach seinen Begleitern zu wenden: denn während der größten Gefahr fürchtete er, der Ausdruck von Besorgniß in seiner Miene möchte die Unruhe derer vermehren, die ohnedies schon so sehr niedergeschlagen waren. »Sie sind fort, Cora!« flüsterte er: »Alice, sie sind dahin zurückgekehrt, woher sie gekommen sind, und wir sind gerettet! Dem Himmel allein sey Dank, der uns aus den Klauen dieser erbarmungslosen Feinde errettet hat!«

      »Dem Himmel will auch ich danken!« rief die jüngere Schwester, aus den umschlingenden Armen Cora’s sich losreißend und mit begeistertem Dankgefühl auf den nackten Felsen sich niederwerfend: »dem Himmel, welcher einem ergrauten Vater bittere Thränen erspart und denen, die ich so sehr liebe, das Leben gerettet hat –«

      Heyward und die ruhigere Cora waren von diesem Akt unwillkührlicher Rührung mächtig ergriffen, und Jener glaubte, die Frömmigkeit noch nie in einer so lieblichen Gestalt, wie in der jugendlichen Alice erblickt zu haben. Ihre Augen strahlten von der Glut dankbarer Gefühle, eine schöne Röthe kehrte auf ihre Wangen zurück und ihre ganze Seele schien sich durch ihre beredten Züge in Worte des Dankes ergießen zu wollen. Während sich aber ihre Lippen bewegten, schienen ihr die Worte durch einen neuen und plötzlichen Eindruck im Munde zu ersterben. Die Blüte ihrer Wangen wich der Blässe des Todes; ihre sanften, schmelzenden Augen erstarrten und schienen sich vor Entsetzen krampfhaft zusammenzuziehen, während ihre Hände, zum Dankgebet gen Himmel erhoben, niedersanken und ihre Finger in convulsivischer Bewegung vorwärts wiesen. Alsbald folgten Heyward’s Augen der angedeuteten Richtung und über dem obern Rande des Felsens, der die Schwelle des offenen Ausgangs bildete, erblickte er die boshaften, wilden und grimmigen Züge von le Renard Subtil!

      In diesem Augenblick der Ueberraschung verließ Heyward seine Selbstbeherrschung nicht. In dem leeren, ausdrucklosen Gesichte des Indianers las er, daß sein Auge, an das Tageslicht gewöhnt, noch nicht im Stande war, das Dämmerlicht in der Tiefe der Höhle zu durchdringen. Schon wollte er mit seinen Begleiterinnen hinter eine Krümmung an der natürlichen Wand zurücktreten, die sie vielleicht verborgen hätte, als ein plötzlicher Schimmer der Freude, der über das Gesicht des Wilden fuhr, ihm sagte, es sey zu spät und sie seyen verrathen.

      Dem empörenden Blick des Frohlockens und des barbarischen Triumphes, der diese schreckhafte Wahrheit bestätigte, konnte Heyward unmöglich widerstehen. Alles vergessend und nur dem Triebe seines heißen Blutes folgend, hob Duncan seine Pistole und gab Feuer. Vom Knall dieser Waffe erdröhnte die Höhle, wie beim Ausbruch eines Vulkans, und als der Rauch von dem Luftzuge der Felsenschlucht vertrieben war, fand er die Stelle leer, die eben noch die Züge seines verrätherischen Führers eingenommen hatten. An den Ausgang stürzend sah Heyward nur noch den Schein seiner dunkeln Gestalt, wie er sich um den niedern Rand eines Felsens schlich, der ihn bald seinen Augen entrückte.

      Unter den Wilden herrschte eine Todtenstille auf die Explosion,