James Fenimore Cooper

Ausgewählte Wildwestromane von James Fenimore Cooper


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antwortete der Majordomo. »Wenn das Netz leer ist, so muß der Teufel in Gestalt eines Fisches im See stecken; denn ich warf es so schön, wie nur je ein Takelwerk über dem Achterdeck eines Flaggenschiffs ausgespannt wurde.«

      Aber Richard entdeckte bald seinen Irrtum, als er Billy Kirby im Wasser stehen sah, wie er sich unter einem Winkel von fünfundvierzig Grad gegen das Ufer rückwärts neigte und seine ganze Riesenkraft aufbot, um sich in dieser Stellung zu halten. Er schwieg daher und begab sich zu den Leuten am anderen Ende des Taus.

      »Ich sehe die Stäbe«, schrie Herr Jones. »Zieht euch mehr nach innen, Jungs, und weg damit. Ans Land mit dem Boot! ans Land!«

      Auf diesen freudigen Ruf strengte Elisabeth ihre Augen an und sah die Enden der beiden Netzstangen aus der Dunkelheit auftauchen, während sich die Männer eng aneinander anschlossen und das Netz einen tiefen Sack bildete. Die Fischer mußten sich noch mehr anstrengen, und man hörte Richards Stimme, die sie ermutigte, jetzt ihre äußerste Kraft aufzubieten.

      »Nun ist es Zeit, Jungs«, rief er, »macht, daß ihr die Enden ans Land bringt, dann entkommt uns nichts mehr – heran, heran!«

      »Drauf los!« jauchzte Benjamin. »Hurra! Ho – a hoy, ho – a hoy, ho – a!«

      »Heran«, brüllte Kirby, der sich derart anstrengte, daß denen hinter ihm nichts zu tun blieb, als das schlaffe Tau in ihren Händen in die Höhe zu halten.

      »Die Stange angezogen!« rief der Majordomo.

      »Die Stange angezogen!« wiederholte Kirby an dem andern Ende.

      Die Männer am Ufer eilten an den Rand des Wassers, ergriffen die oberen und unteren Tauenden und begannen mit großem Eifer zu ziehen. Die Zuschauer wurden jetzt eines tief einschneidenden Halbkreises ansichtig, der durch das unten mit Blei beschwerte Schleppnetz gebildet wurde; und da er rasch an Umfang abnahm und der Sack des Netzes zum Vorschein kam, erkannte man aus dem Plätschern im Wasser die Unruhe der darin enthaltenen Gefangenen.

      »Zieht an, Jungs!« brüllte Richard. »Ich sehe, wie die Biester Sprünge machen, um sich in Freiheit zu setzen. Zieht an! Es ist ein Fang, der der Mühe lohnt.«

      Man sah nun Fische der verschiedensten Art in die Maschen des Netzes verstrickt, als es durch die Hände der Arbeiter lief; auf eine kleine Entfernung vom Ufer wimmelte alles von den Bewegungen der beunruhigten Opfer. Hunderte von weißen Seiten zeigten sich auf der Oberfläche und erglänzten im Licht des Feuers, verschwanden aber ebenso schnell wieder, um andern Platz zu machen, wenn die Fische, durch den Lärm erschreckt, nach unten schossen und sich vergeblich zu befreien suchten.

      »Hurra!« rief Richard. »Noch ein paar kräftige Züge, und wir haben den Fang geborgen!«

      »Lustig, ihr Jungen, lustig!« rief Benjamin. »Ich sehe eine Salmforelle, an der sich zwanzig Mann satt essen könnten.«

      »Weg mit dir, du Gewürm!« sagte Billy Kirby, indem er eine Forelle aus den Maschen löste, und sie verächtlich in den See zurückwarf. »Zieht, Jungens! zieht! Hier gibt’s Fische von allen Arten, und Gott soll mich strafen, wenn wir nicht tausend Barsche im Garn haben.«

      Durch den Anblick über die Grenzen der Klugheit erregt und der Jahreszeit uneingedenk, sprang der Holzfäller ins Wasser und begann, die widerstrebenden Tiere in ihrem heimischen Element vor sich herzutreiben.

      »Zieht herzhaft! zieht, Jungen!« rief Marmaduke, der Aufregung des Augenblicks nachgebend, indem er selbst Hand anlegte und durch seine Beihilfe die Zugkraft wesentlich vermehrte. Edwards hatte schon vorher ein Gleiches getan; denn der Anblick der Ungeheuern Fischmassen, die langsam an das kiesige Ufer heranrollten, wirkte zu verlockend, als daß er nicht die Damen hätte im Stich lassen und sich den Fischern anschließen sollen.

      Das Netz wurde mit großer Sorgfalt ans Land gebracht, und nach vieler Mühe hatte man die Unzahl von Opfern in einer Höhlung des Ufers geborgen, wo man sie ihr kurzes Leben in dem neuen todbringenden Element enden ließ.

      Selbst Elisabeth und Luise freuten sich ungemein über den Anblick von fast zweitausend Gefangenen, die aus der Tiefe des Sees geholt und zu ihren Füßen niedergelegt waren. Aber sobald die Gefühle des Augenblicks sich beschwichtigt hatten, hob Marmaduke einen Barsch, der ungefähr zwei Pfund wiegen mochte, auf, betrachtete ihn eine Weile mit wehmütigem Nachdenken und wandte sich sodann mit den Worten an seine Tochter:

      »Es ist im Grunde doch eine schreckliche Vergeudung der auserlesensten Geschenke Gottes. Diese Fische, Beß, die du in solchen Haufen vor dir liegen siehst, und die man morgen abend sogar auf dem schlechtesten Tisch verschmähen wird, haben einen Wohlgeschmack, der sie in andern Ländern sogar auf den Tafeln der Fürsten und der leckersten Epikureer zu einem Luxusartikel machen würde. Die ganze Welt kann keinen besseren Fisch aufweisen als den Otsego-Barsch; er vereinigt den Wohlgeschmack der Alse mit dem festen Fleisch des Salms.«

      »Aber gewiß, lieber Vater«, rief Elisabeth, »müssen sie ein großer Segen für das Land sein, namentlich für den Armen.«

      »Die Armen sind immer verschwenderisch, mein Kind, sobald Überfluß vorbanden ist; sie denken selten an den kommenden Morgen. Doch wenn für eine solche Vernichtung der Tiere eine Entschuldigung aufgefunden werden kann, so ist es bei dem Fang dieses Barsches der Fall. Den Winter über sind sie bekanntlich vor unseren Nachstellungen durch das Eis geschützt; denn sie beißen an keiner Angel an, und während der heißen Monate lassen sie sich nicht sehen Vermutlich ziehen sie sich in dieser Jahreszeit nach dem kühleren Wasser in der Tiefe des Sees zurück, und so hat man nur im Frühjahr und im Herbst ein paar Tage, an denen man ihnen mit den Netzen beikommen kann. Aber wie andere Schätze der Wildnis, fangen sie bereits an, vor der Vergeudungswut des Menschen zu verschwinden.«

      »Verschwinden, Duke? Jawohl, da – verschwinden!« rief der Sheriff. »Wenn man das hier ein Verschwinden heißen kann, so weiß ich nicht, wie viele du eigentlich möchtest. Da liegt doch ihrer wenigstens ein gutes Tausend, dann etliche hundert Saugfische und, was weiß ich, wieviel von der andern Brut. Aber so treibst du’s immer, Marmaduke. Zuerst sind’s die Bäume, dann das Wild, dann der Zuckerahorn, und endlich kommst du auch auf dieses Kapitel. Das eine Mal schwatzt du von Kanälen durch ein Land, wo man jede halbe Meile einen Fluß oder einen See hat – aus keinem andern Grunde, als weil das Wasser nicht gerade den Weg läuft, welchen du haben möchtest; und ein andermal sprichst du von Kohlenminen, obgleich jeder, der ein so gutes Auge hat wie ich – ich sage, wer ein gutes Auge hat –, mehr Holz sehen kann, als man in London in fünfzig Jahren zu verbrennen vermöchte. Ist’s nicht so, Benjamin?«

      »Ei, wenn Sie auf das kommen, Squire«, entgegnete der Hausmeister, »London ist kein kleiner Ort. Wenn man es strecken wollte wie eine an einem Fluß liegende Stadt, so könnte man wohl den ganzen See damit einfassen. Damit will ich freilich nicht sagen, daß die Wälder, die wir sehen, nicht weit reichen könnten, zumal man in London fast nichts als Steinkohlen brennt.«

      »Nun da wir gerade von den Kohlen sprechen, Richter Temple«, fiel der Sheriff ein, »so habe ich dir etwas sehr Wichtiges mitzuteilen, was ich jedoch bis auf morgen verschieben will. Ich weiß, daß du den östlichen Teil des Patents zu besuchen gedenkst, und da will ich dich begleiten, um dich nach einer Stelle zu führen, wo sich allenfalls einige deiner Pläne verwirklichen lassen. Ich schweige jetzt darüber, weil wir Zuhörer haben; aber ich bin diesen Abend hinter ein Geheimnis gekommen, Duke, das weit folgenreicher für dich werden kann als dein ganzes Besitztum zusammengenommen.«

      Marmaduke lachte über diese wichtige Mitteilung, da er schon viele ähnliche hatte anhören müssen; der Sheriff begab sich mit einer ungemein wichtigen Miene, als bemitleide er seinen Vetter wegen seines mangelnden Vertrauens zu seinen großartigen Projekten, an das vor ihm liegende Geschäft. Da der Fischzug ein äußerst mühsamer gewesen, so befahl er dem einen Teil der Mannschaft, die Fische auf Haufen zu werfen, um sie sodann verteilen zu können, während ein anderer unter Benjamins Leitung Vorbereitungen zu einem zweiten Fange traf.

      XXIV