versetzte Edwards. »Er scheint in Sorgen zu sein, und ich möchte ihm Beistand leisten.«
»Der Beweggrund ist gut, Sir (dem Anschein nach {welcher freilich oft trügt} soviel mir vorkommt) und gereicht Ihnen zur Ehre. Ich will Ihres Wunsches erwähnen, junger Gentleman (denn ein solcher scheinen Sie zu sein) und werde (so Gott will) nicht ermangeln, Ihnen um fünf Uhr post meridiem des gegenwärtigen Tages die Antwort mitzuteilen, wenn Sie mir Gelegenheit dazu geben.« Das Ungewisse in Olivers Stellung and Charakter hatte ihn für den Rechtsgelehrten zu einem Gegenstand besonderen Argwohns gemacht, weshalb auch der Jüngling viel zu sehr an solche zweideutigen und behutsamen Reden gewöhnt war, um sich durch dieses Gespräch ärgern zu lassen. Er sah wohl ein, daß der Rechtsgelehrte die Absicht hatte, die Natur seines Geschäftes sogar vor dem Privatsekretär des Richters Temple geheimzuhalten, und wußte zu gut, wie schwierig es war, den Sinn von Herrn Van der Schools Worten zu begreifen, selbst wenn dieser Ehrenmann sich Mühe gab, recht deutlich zu sein, um nicht jeden Gedanken an irgendeinen Aufschluß aufzugeben, zumal er sah, daß der Anwalt sich Mühe gab, alles zu vermeiden, was zu einem verfänglichen Examen führen konnte. Sie trennten sich an der Haustür des Advokaten, und dieser verfügte sich mit wichtigtuender Eile nach seinem Schreibzimmer, indem er die Papiere mit seinem rechten Arm so fest an sich drückte, als gewärtige er in jedem Augenblicke, daß man sie ihm entreißen wolle.
Die Leser müssen bereits bemerkt haben, daß der Jüngling ein ungewöhnliches und tief eingewurzeltes Vorurteil gegen den Charakter des Richters hegte; aber infolge irgendeiner Gegenwirkung waren seine Gefühle jetzt mehr die einer innigen Teilnahme an dem gegenwärtigen Zustand seines Gönners und an der Ursache seiner geheimen Unruhe. Er sah dem Rechtsgelehrten nach, bis sich die Tür hinter ihm und dem geheimnisvollen Paket geschlossen hatte, worauf er langsam nach seiner Wohnung zurückkehrte und seine Neugierde in den gewöhnlichen Obliegenheiten seines Dienstes zu vergessen suchte.
Als der Richter wieder im Kreis seiner Familie erschien, lagerte ein wehmütiger Schatten über seinen sonst heiteren Zügen, welcher viele Tage nicht von seiner Stirn weichen wollte; aber das zauberhafte Fortschreiten der Jahreszeit weckte ihn aus seiner jeweiligen Apathie, und mit dem Sommer kehrte auch sein Lächeln wieder.
Die heißen Tage und das öftere Eintreten erfrischender Regenschauer hatten in unglaublich kurzer Zeit den Wuchs der Pflanzen vollendet, die der zögernde Frühling so lange in der Knospe zurückgehalten hatte, und die Wälder prunkten in allen Schattierungen von Grün, um derentwillen die amerikanischen Wälder so berühmt sind. Die Baumstümpfe auf den Feldern waren bereits unter dem Weizen verborgen, der unter jedem Sommerlüftchen wie Samt in wechselnden Farben schimmerte.
Solange der Kummer des Richters anhielt, vermied es Herr Jones rücksichtsvoll, die Aufmerksamkeit seines Vetters auf eine Angelegenheit zu lenken, die mit jeder Stunde mehr an dem Herzen des Sheriffs nagte und die wohl von großer Wichtigkeit sein mochte, wenn anders wir eine Folgerung aus seinem häufigen Verkehr mit dem Mann ziehen dürfen, der dem Leser in der Wirtsstube ›Zum kühnen Dragoner‹ unter dem Namen Jotham vorgeführt wurde. – Endlich wagte es der Sheriff, wieder auf den Gegenstand anzuspielen, und eines Abends Anfang Juli gab ihm Marmaduke das Versprechen, ihn am andern Morgen auf dem ersehnten Ausflug zu begleiten.
XXVI
So sprich, mein lieber Vater; deine Worte
Sind mir wie milde Lüfte aus dem Westen.
Milman
Es war ein milder, sanfter Morgen, als Marmaduke und Richard ihre Pferde bestiegen, um den Ausflug vorzunehmen, mit dem sich die Gedanken des letzteren schon geraume Zeit fast ausschließlich beschäftigt hatten. In demselben Augenblick erschienen auch Elisabeth und Luise, für einen Spaziergang angekleidet, in der Halle.
Die Kopfbedeckung der Predigerstochter bestand aus einem niedlichen, kleinen Hut von grüner Seide, unter dem ihre bescheidenen Augen mit der schmachtenden Weichheit, welche ihr ganzes Äußere charakterisierte, hervorleuchteten; aber Miss Temple schritt durch die weiten Gemächer ihres Vaters mit dem Tritt der Gebieterin, indem sie den Strohhut, der die glänzenden, ihre Marmorstirn üppig umspielenden Locken bedecken sollte, an einem seiner Bänder in der Hand trug.
»Wie? Hast du im Sinn, einen Spaziergang zu machen, Beß?« rief der Richter, einen Augenblick sein Roß zügelnd, um mit väterlicher Freude die weibliche Schönheit und Anmut seines Kindes zu betrachten. »Vergiß aber nicht, liebe Tochter, daß der Juli ein heißer Monat ist, und wage dich nur so weit, daß du vor Mittag wieder zu Hause sein kannst. Wo ist dein Sonnenschirm, Mädchen? Es ist um deine weiße Stirn geschehen, wenn du dich nicht sorgfältig gegen unsere Sonne und unsern Südwind verwahrst.«
»Ich werde dann nur um so besser zu meiner Verwandtschaft passen«, erwiderte Miss Temple lächelnd. »Vetter Richard hat ein so rosiges Aussehen, daß ihn eine Dame darum beneiden könnte, und so ist zur Zeit die Ähnlichkeit zwischen uns so unbedeutend, daß kein Fremder glauben würde, wir stammten von zwei Schwestern ab.«
»Nur stehst du um einen Grad entfernter, Base Elisabeth«, versetzte der Sheriff. »Doch beeile dich, Richter Temple; Zeit und Flut warten auf niemand; und wenn du dir von mir raten läßt, Vetter, so kannst du ihr heute in zwölf Monaten aus ihrem Kamelhaarschal einen Sonnenschirm machen und ihn mit gediegenem Silber beschlagen lassen. Für mich will ich nichts, Duke, du hast dich immer freundlich gegen mich erwiesen; und zudem geht ja, wenn mein Stündlein schlägt, all mein Eigentum auf Beß über; es ist daher gleichgültig, wer es ihr über kurz oder lang hinterläßt, ich oder du. Aber wir haben eine Tagereise vor uns, Vetter; mache also, daß du vorwärts kommst oder steige wieder ab und sage es gleich, daß du nicht gehen willst.«
»Geduld, Geduld, Dick«, erwiderte der Richter, indem er sich abermals an seine Tochter wandte. »Wenn du das Gebirge besuchen willst, Liebe, so verliere dich ja nicht zu tief in den Wald; denn obgleich man es oft ungestraft tun kann, so ist es doch bisweilen gefährlich.«
»In dieser Jahreszeit wohl nicht, lieber Vater«, sagte Elisabeth, »denn ich will nur gestehen, daß ich und Luise im Sinn haben, ein bißchen unter den Bergen umherzustreifen.«
»Im Winter ist’s freilich minder rätlich, meine Liebe, aber doch könnte es gefährlich werden, wenn du dich zu weit wagst. Wenn du aber auch waghalsig bist, Elisabeth, so gleichst du doch zu sehr deiner Mutter, um nicht auch klug zu sein.«
Die Augen des Vaters wandten sich nur mit Widerstreben von seiner Tochter ab, und Richter und Sheriff ritten langsam durch den Torweg, um bald hinter den Gebäuden des Dorfes zu verschwinden.
Während dieses kurzen Gesprächs stand der junge Edwards, aufmerksam horchend, mit einer Fischerrute in der Hand in der Nähe; denn auch ihn hatte der schöne Tag veranlaßt, das Haus zu verlassen, um die frische Luft zu genießen. Als die Reiter sich entfernt hatten, näherte er sich den jungen Mädchen, die eben nach der Straße einbogen, und er war eben im Begriff sie anzureden, als Luise haltmachte und hastig sagte:
»Herr Edwards will mit uns sprechen, Elisabeth.«
Miss Temple hielt gleichfalls und wandte sich an den Jüngling – zwar höflich, aber mit einer leichten Kälte in ihrem Wesen, welche die Freimütigkeit, womit er herangetreten war, merklich zügelte.
»Es scheint Ihrem Vater nicht zu gefallen, daß Sie ohne Geleit in die Berge gehen, Miss Temple. Wenn ich Ihnen meinen Schutz anbieten darf –«
»Hat mein Vater Herrn Edwards ausersehen, mir das, was ihm mißfällt, zu bedeuten?« fiel ihm die Dame ins Wort
»Gütiger Himmel! Sie verkennen meine Meinung. Ich hätte statt Mißfallen Beunruhigung sagen sollen. Ich bin sein Diener, Fräulein, und folglich auch der ihrige. Wenn Sie nichts dawider haben, so wiederhole ich daher, daß ich meine Angelrute mit einer Vogelflinte vertauschen und, falls Sie das Gebirge besuchen, in ihrer Nähe bleiben will.«
»Ich bin Ihnen sehr verbunden, Herr Edwards, aber wo