köstlich und wird dich erfrischen. Lass dich nicht vom Namen des kleinen Baches abschrecken. Er kommt aus der uralten slawischen Sprache und bedeutet nichts anderes als: die Stinkende.“
„Die Stinkende – das trifft es wirklich!“, meinte Finn.
„Kannst du dir erklären, warum das so ist? Nein? Ich erzähle dir eine überlieferte Geschichte ...“
Der Parthenquelle wurden Heilkräfte nachgesagt. Vor vielen Hunderten von Jahren gab eine gierige Dame den Auftrag, einen ganzen Badezuber voll Heilwasser zu ihr zu bringen. Ihre Untergebenen passten eines Nachts den günstigsten Moment ab und schöpften alles Wasser aus der Quelle. Die Quelle versiegte fast und kein menschliches Wesen fand sie wieder. Der Geschichte nach geriet das kostbare Nass in Vergessenheit und schließlich erinnerte sich niemand mehr an den Ort. Aber vor einiger Zeit wurden wieder die Geschichten über die sagenhaften Kräfte des Brunnens wach. Irgendjemand entdeckte den Zugang zur Quelle. Die Kunde, es gäbe eine Quelle, die Heilkräfte hätte und alle Wünsche erfüllen könnte, lockte viel Gesindel an. Diese äußerten ihre Wünsche, die nur aus Habgier und Eigennutz entstanden. Sie erhielten nie das, wonach sie sich sehnten, sondern das, was sie verdienten, denn sie waren zu gierig. Das machte sie erst recht wütend und ein großes Unglück brach über die Menschen und das Land herein. Seitdem blieb die kleine Wasserader verborgen hinter einem Netz aus Morgentau, Nebel und Blattwerk. Und aus Trotz kroch sie übel riechend aus dem Erdreich hervor. So kam die Parthe zu ihrem Namen und nur demjenigen erfüllt sie Wünsche, der mit einem Schluck Wasser zufrieden ist oder für andere Menschen um Hilfe bittet.
„Das ist ja eine fast unglaubliche Geschichte“, meinte Finn und nahm beherzt einen großen Schluck vom frischen Nass. Und nun noch einmal recken und strecken, dann war er fast schon wieder auf dem Sprung.
Hannah mahnte ihn: „Nicht so schnell, mein kleiner Freund! In ungefähr zehn Stunden bist du von der Quelle bis zur Mündung gelaufen. Eilenden Schrittes, ohne Pause und keinen Blick auf die Umgebung verschwendend. Nimm dir Zeit! Schau dich um, auf den Boden, in die Luft, neben dem Weg, nur so wirst du das Kraut entdecken und andere schöne Erlebnisse haben. Und nun lauf los, du bist ja schon ganz unruhig.“ Finn zupfte nochmals an seinem Halstuch, suchte sich einen abgebrochenen Ast als Wanderstock, füllte erneut seine Flasche mit dem köstlichen Quell und begab sich weiter auf Schusters Rappen.
„Verlauf dich nicht!“, rief Hannah besorgt hinterher, doch der kleine Troll war bereits hinter der nächsten Wegbiegung verschwunden.
*
Das Mädchen
Finn setzte fast wie von alleine einen großen Schritt vor den anderen. Ihm kam es vor, als ob er Siebenmeilenstiefel an seinen Füßen tragen würde. Im rasanten Tempo ging es immer an der Parthe entlang bis, ja, genau in diesem Moment ein Kuckuck, der sonst sein Tagwerk in der Kuckucksuhr, die über dem Küchentisch jenes Bauernhofes gehangen hatte, wo Finn sich mit Brühgurken vollstopfte, an die neunte Stunde erinnerte. Neun Uhr! Finn bremste seinen Laufschritt ab und der Staub des Weges umwirbelte ihn in einer Wolke.
„Verdammt, ich muss umkehren! Ich war doch am Grasbüschel Nummer Sieben an der alten Weide mit dem kleinen Menschenmädchen verabredet. Was ist, wenn sie schon wieder gegangen ist?“ Finn drehte sich auf der Stelle um und rannte, als ob es um sein Leben ginge.
Und er hatte Glück. Das Menschenmädchen wartete geduldig auf ihn. „Hallo, da bist du ja“, sagte sie freudig.
Völlig außer Atem, wie die Kinder der Fröbel-Schule nach einem 100-Meter-Lauf auf ihrem Sportplatz, keuchend und schnaufend, brachte er seine Frage hervor: „Ich bin doch nicht zu spät? Ich musste noch schnell die Treppe an der Parthenquelle putzen, den Wald sauber fegen und eine Stunde Musikunterricht bei den kleinen Meisen nehmen. Wäre ich ein großer Troll, könnte ich zaubern, aber dazu muss ich das Kraut der Bescheidenheit finden!“
Das Mädchen prustete und kicherte laut los. „Was soll denn das für ein Kraut sein? Das kenne ich nicht!“ „Ich habe auch keine Ahnung, wie es aussehen soll, aber wir werden es schon finden. Hilfst du mir dabei? Sag Mädchen, wie ist denn überhaupt dein Name?“
„Ach ja, mein Name ist Luisa und du bist Finn, stimmt das?“
„Woher weißt du das?“
„Das habe ich in einem Buch gelesen und die Kinder der Fröbel-Schule erzählten mir das auch ... Komm, machen wir uns auf den Weg.“ Und Luisa hatte, wie von Windesflügeln getragen, gleich ein paar Schritte Vorsprung.
„He, he, he, nicht so schnell Luisa, mit meinen kurzen Beinen komme ich nicht hinterher. Und wo wollen wir überhaupt hin?“
Luisa kicherte erneut. „Ich will dorthin, wo die elektrische Rennschnecke mit den Türen knallt und bimmelt, damit die Menschen ihr aus dem Weg springen.“
„Du sprichst in Rätseln! Mir stehen meine Strubbelhaare noch mehr zu Berge!“ Mit diesen Worten rannte er Luisa wieder hinterher, die bald dort ankam, wo die Menschen drängten und schubsten und Knoten bildeten.
Einige der großen und kleinen Leute schienen es eilig zu haben und doch standen sie dann wieder, als hätten sie Leim an den Füßen und könnten sich nicht vom Fleck bewegen. Irgendjemand benutzte eben ein Handy und ließ alle mithören, dass er in zehn Minuten daheim wäre. Andere stopften Pommes frites aus einer schon fast leeren Tüte in sich hinein. Und da war auch noch eine ganz geduldig wartende Omi.
Finn staunte Bauklötze. Das große graue Gebäude mit den vielen Fenstern kannte er noch nicht. „Den Bahnhof zeige ich dir später“, meinte Luisa, „erst fahren wir mit der Rennschnecke bis nach Grünau. Grünau ist ein Stadtteil der großen Stadt Leipzig.“
Finn wollte aber gar nicht nach Grünau, dazu musste er in diese lahme Schnecke auf Rädern einsteigen, die eben vor seinen Füßen ihre Türen öffnete und noch mehr Leute ausspuckte, die es eilig hatten und ihn fast über den Haufen rannten.
„Manno, wäre ich doch endlich erwachsen! Hoffentlich bringt mich diese Rennschnecke bald an den Ort, wo ich das Kraut der Bescheidenheit finden kann.“ Rums, flogen die Türen hinter ihnen zu und Luisa hatte bereits zwei Sitzplätze am Fenster ergattert. Die Omi, die an der Haltestelle schon geduldig auf die Straßenbahn gewartet hatte, war nicht schnell genug und bekam leider nur einen komfortablen Stehplatz an der Tür.
*
Die kleine Omi
Es kam, wie es kommen musste. Das Rädergeratter begann erneut, um geräuschvoll die Fahrgäste durch die Gegend zu befördern und an ihr Ziel zu bringen.
Finn erging es gerade nicht besonders gut. Er war recht blass um die Nasenspitze geworden. Flogen doch eben an seiner Fensterscheibe Bäume und übermannshohe Häuser vorbei. So etwas hatte er noch nie erlebt. Er staunte Bauklötze. Wie konnte das alles geschehen? Die Fußwege entschwanden ins Nichts und tauchten an anderer Stelle wieder auf. Die Schnecke kroch unter dunklen Brücken hindurch, um Sekunden später wieder ins Tageslicht zu tauchen.
Luisa schaute Finn an. Finn schaute Luisa an. Ihm war schlecht, grottenschlecht. Eine Fahrt in der elektrischen Schlenkerrennschnecke hatte er wirklich noch nie erlebt oder von einem anderen Troll eine Geschichte darüber gehört. Erst recht verstand er es nicht, wie sich eine kleine Omi auf den Beinen halten konnte und dazu noch freundlich schaute. Luisa beäugte Finn immer noch. Sie war sich sicher, er würde die Fahrt gut überstehen.
Luisa schaute wieder zur kleinen Omi hinüber. Was für ein Ziel mochte sie haben? Sie trug eine voll bepackte Tasche bei sich. Luisa schaute noch einmal ganz genau hin. Die Tasche war sicher schwer. Ob sie im nahegelegenen Einkaufszentrum Geld ausgegeben hatte? Was mochte eine Omi alles einkaufen? Brot, Butter, Wurst? Davon würde die Tasche nicht annähernd so randvoll werden.
Luisa konnte das Geheimnis