schon 2,50 Euro. Das hat mir Emma, die zwei Häuser weiter wohnt, gesagt. Sie fährt mit ihrer Familie jedes Jahr nach Italien. Immer an denselben Ort. Für uns wären das ja neun sichtbare und eine unsichtbare Kugel (die aber wahrscheinlich nichts kosten würde) und das wären schon 22,50 Euro, nur für eine Kugel Eis pro Tag für jeden. Weil man ja im Urlaub gern jeden Tag ein Eis isst, wären das dann bei einer Woche schon 157,50 Euro. Da hätten wir dann bisher nur das Eis. Und da kämen dann auch noch sieben Hotelbetten dazu für sieben Nächte. Ein Hotel, das ein großes Zimmer für eine Familie mit sieben Kindern und einer unsichtbaren Oma hat, gibt es sicher nicht. Deshalb machen wir es uns immer zu Hause schön.
Wir haben ein dickes Sparschwein. Das heißt Fred und steht in der Küche. Und wenn ein bisschen Geld übrig ist oder wir was auf der Straße finden oder Flaschenpfand bekommen, dann werfen wir das darein. Und irgendwann ist Fred dann so voll mit Geld, dass wir alle zusammen in den Urlaub fahren können.
»Ich schreib dir jedenfalls eine Postkarte, Adele!«, sagte Martha, und Malin und Marlene fragten im Chor: »Uns auch?« Martha lachte.
»Ja, euch auch!«
»Und mir schreibst du bitte aus Cape Canaveral!«, sagte Oskar.
»Was ist das denn?«, fragte Martha.
»Das ist ein Raketenstartgelände der U.S. Air Force. In Florida!«, erklärte Oskar. Er liebt das Weltall und möchte später mal Astronaut werden. »Und Oma Radieschen sagt, sie möchte eine Postkarte aus Disneyland!«, fügte Oskar hinzu, schlug sich aber sofort mit der Hand auf den Mund, da wir ja einen Familienschwur haben. Wir haben geschworen, dass wir unsere Fähigkeiten niemals außerhalb unseres Hauses und vor allem nicht im Beisein von Personen anwenden, die nicht zur Familie gehören. Ausnahmen sind gestattet und Martha ist so eine Ausnahme. Zumindest für mich. Meine beste Freundin gehört ja praktisch zur Familie. Deshalb habe ich ihr das mit den besonderen Dingen, die wir so können, vor einiger Zeit erzählt. Aber Oskar weiß nicht, dass Martha das weiß. Deshalb wechselte ich erst einen Blick mit Oskar, dann einen mit Martha. Es war ein sehr kompliziertes Blickegewechsle, denn Oskar wollte ich streng ansehen, um ihm zu sagen, dass er nicht weitersprechen sollte, und Martha wollte ich mit meinem Blick klarmachen, dass sie so tun sollte, als hätte sie einfach nichts gehört. Und weil ich damit ein völliges Blickechaos anrichtete, wussten am Ende weder Oskar noch Martha, was sie tun sollten. Die Zwillinge brachen in Gelächter aus und unterhielten sich von Kopf zu Kopf und Henry merkte von alldem gar nichts, weil er beim Laufen ein dickes Buch vor sich hatte, in dem er las.
»Oh, die Theateraufführung beginnt gleich, wir müssen uns beeilen!«, sagte ich schnell und zog Martha mit mir mit. Wir rannten um die nächste Ecke zum Kindergarten. Blümchen kam auch gleich auf mich zugelaufen.
»Na, Blümchen, bist du schon aufgeregt?«, fragte Martha und streichelte meiner kleinen Schwester über den Kopf. Doch Blümchen sah eher unglücklich als aufgeregt aus. Während die anderen Kindergartenkinder bereits in ihren Kostümen laut schnatternd herumliefen, zog Blümchen ihre Unterlippe über die Oberlippe und schmollte.
»Was ist denn mit dir, Blümchen?«, fragte ich und kniete mich zu ihr hinunter.
»Is will kein Seegras sein!« Blümchen stampfte wütend mit dem Fuß auf.
»Du bist Seegras?«, fragte Henry und klappte sein Buch zu. Blümchen schniefte.
»Wir ham geübt und geübt und geübt, und is darf immer nur Seegras sein. Wenn is wenigstens ein Fis sein könnte. Aber is bin nur Seegras. Eins!«, jammerte sie. Wir mussten uns wirklich das Lachen verkneifen.
»Du bist also ein Seegras, ein einzelnes Seegras?«, fragte ich und Blümchen nickte.
»Aber Seegräser sind unglaublich wichtig!«, sagte Malin und hockte sich ebenfalls zu unserer kleinen Schwester.
»Vor allem im See!«, fügte Marlene hinzu. Nun hockten wir alle um Blümchen auf dem Boden herum und versuchten sie zu trösten. »Ohne Seegras kann kein Fisch überleben!«, sagte Martha.
»Bist du denn ein hellgrünes oder ein dunkelgrünes Seegras?«, fragte Henry und tat, als wäre das unglaublich wichtig.
»Hellgrün!«, schniefte Blümchen.
»Hab ich mir es doch gedacht!«, sagte Henry oberlehrerhaft und sah sehr zufrieden aus.
»Was ist denn mit den hellgrünen?«, fragte Blümchen und ich putzte ihr erst einmal die Nase.
»Die hellgrünen Seegräser sind die besten und wichtigsten. Sie gehören zur Gattung der Zostera Marina!«, erklärte Henry, den wir auch hin und wieder den Professor nennen, denn er weiß einfach fast alles. Jetzt war ich mir allerdings nicht ganz sicher, ob das, was er über das helle Seegras sagte, wirklich so war, oder ob er das gerade erfand, um Blümchen zu trösten.
»Is das dann mein Name?«, fragte unsere Kleine. Henry nickte.
»Zostera Marina!«, bestätigte er noch einmal.
»Sei froh, dass du nicht Zittergras bist, dann müsstest du auf der Bühne immer rumzittern. Das wäre echt anstrengend«, sagte Oskar und ahmte ein zitterndes Seegras nach. Blümchen kicherte. Malin hatte auch noch eine Idee: »Die Fische können sich hinter dir verstecken«, sagte sie, »und ein bisschen an dir knabbern, so …« Jetzt spitzte Malin ihren Mund wie ein Fischmaul und kam Blümchen schnappend näher. Die quietschte vergnügt und als Mama mit Lu den Kindergarten betrat, hüpfte Blümchen aufgeregt zu ihr.
»Mama, Mama, is bin ein hellgrünes Seegras! Is heiß Zoster, äh, Dings!«, rief sie und Mama und wir lachten.
»Ein toller Name!«, sagte sie und gab Blümchen einen dicken Schmatz. Lu sagte nichts. Aber er war ja auch noch sehr klein. Er konnte schon Butter, Mama, Papa, Mütze und Auto sagen. Diessen sagte er zu Oma Radieschen und Oppler zu seinem Hasen Herrn Hoppler. Lu legte seine winzige Hand auf Blümchens Wange und lächelte sie an. Wenn er lächelt, dann ist es, als würde die Sonne aufgehen. Und es wird einem ganz warm ums Herz. Auch bei Blümchen war nun der letzte Kummer vertrieben und sie hüpfte fröhlich davon, um ihr Seegraskostüm anzuziehen.
»Na, meine Kinder?«, fragte Mama und sah uns fröhlich einen nach dem anderen an. »Alle Zeugnisse lustig und lesbar?« Wir nickten. »Wenn wir zu Hause sind, schau ich sie mir an, bin schon ganz gespannt!«, sagte Mama und machte ein lustiges Vorfreudegesicht. Und dann suchten wir uns Plätze im Garten vor der kleinen Bühne. Ich war ganz aufgeregt. Ich bin irgendwie immer aufgeregt, wenn eines meiner Geschwister auf einer Bühne steht. Und dann war es so weit. Die Seegraskinder saßen in ihren hell- und dunkelgrünen Kostümen auf der Bühne und wiegten sich hin und her. Dann kam ein Junge, der als Fisch verkleidet war, und alle begannen zu singen:
Ein kleiner Fisch schwamm fröhlich rum,
ein kleiner Fisch schwamm fröhlich rum,
da kam ein großer Hai – oje, oh Schreck –
da war der kleine Fisch nicht mehr fröhlich,
sondern … weg.
Ich sah Henry an und er sah mich an. Wir schluckten, denn da kam ein Kind als Hai verkleidet und fraß den kleinen Fisch einfach auf. Ich fand das ganz schön schrecklich und gerade als ich mir Sorgen machte, dass Blümchen vielleicht auf offener Bühne anfangen würde zu weinen, ging das Lied zum Glück noch weiter:
Ein großer Hai, verschluckt ’nen Fisch.
Ein großer Hai, verschluckt ’nen Fisch.
Da kam ein kleines Seegras und kitzelte den Hai,
der machte hicks,
da war der kleine Fisch plötzlich wieder frei.
Ein Seegraskind kitzelte das