Renée Toft Simonsen

Karlas Welt


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können ziemlich merkwürdig sein. Sie mögen es nicht, wenn die Kinder nicht spielen oder nichts machen. Waren deine Eltern geschieden?“, wollte Karla gerne wissen.

      „Aber nicht doch!“, rief Cecilie, „das hat man früher nicht gemacht … aber ich bin einmal mit einem Jungen in die Klasse gegangen, dessen Eltern haben sich scheiden lassen. Er ist jedoch mit seinem Vater von hier weggezogen, Darum habe ich nie herausfinden können, warum das passiert ist und wie es ihm damit gegangen ist.“

      „Es ist ihm sicher nicht gut gegangen“, sagte Karla, „und ich weiß das, weil meine Mama und mein Papa geschieden sind. Es ist richtig schwer für ein Kind, wenn sich seine Eltern scheiden lassen.“

      Karla begann, Cecilie zu erzählen, warum es so schwer war ein Scheidungskind zu sein. Sie erzählte, wie oft sie ihren Papa vermisste, weil sie ihn so selten sah. Nur ein einziges Mal pro Woche durfte sie bei ihm sein. Das war jeden Montag. Und übernachten durfte sie dort nie.

      „Er ist nämlich Alkoholiker“, berichtete Karla. „Das bedeutet, dass er zu viele Biere trinkt.“

      Cecilie nickte, denn sie wusste, was ein Alkoholiker war.

      „Das muss ja richtig schwer für dich sein“, sagte Cecilie. Karla nickte und senkte ihren Blick wieder auf den Boden. Der Gedanke daran, dass ihr Papa krank war, machte sie traurig.

      „Manchmal kann richtig viel Zeit vergehen in der ich ihn nicht sehe und dann habe ich immer so furchtbare Angst, dass ihm etwas passiert ist“, sagte Karla und erzählte Cecilie, dass er nicht mit dem Auto fahren durfte, wenn sie oder wenn Mads dabei war. Mads war ihr kleiner Bruder, dessen Papa auch ihr Papa war. Sie hatte noch einen anderen kleinen Bruder, der Lillebror hieß, welcher aber einen anderen Papa hatte, der Leif hieß. Leif war mit Mama zusammen. Aber wenn Mads oder Karla nicht dabei waren, dann fuhr Papa Auto. Das hatte sie selbst gesehen und sie machte sich große Sorgen, dass er einen Unfall bauen könnte.

      „Mama sagt, dass ich nicht zu viel daran denken soll, weil er ein erwachsener Mann ist, der es selbst wissen muss. Aber ich kann doch nicht einfach damit aufhören daran zu denken, oder?“

      Cecilie nickte und sagte, dass sie es gut verstehen konnte, dass es schwer war, nicht daran zu denken.

      „Dann hast du also einen neuen Bruder und einen neuen Papa dazubekommen?“, fragte Cecilie.

      „Sicher nicht!“, entgegnete Karla bestimmt, „einen Bruder schon, ja, aber keinen neuen Papa. Leif ist doch nicht mein Papa, nur weil er mit Mama verheiratet ist. So ist das ganz bestimmt nicht“, sagte Karla. „Aber ich habe eine Art große Schwester dazubekommen. Sie heißt Anna-Lisa. Sie ist eigentlich nicht wirklich meine große Schwester, weil sie eine andere Mama hat, bei der sie in Kopenhagen wohnt. Aber Leif ist ihr Papa und darum ist sie ja irgendwie auch ein Teil meiner Familie, oder?“ Karla sah hinauf zu Cecilie, die wieder nickte.

      „Das ist eine ziemlich große Familie, die du da plötzlich bekommen hast“, meinte Cecilie.

      Karla erzählte, dass das eigentlich so gar nicht plötzlich gekommen war, weil sie nur zwei Jahre alt gewesen war, als sich Mama und Papa hatten scheiden lassen. Aber trotzdem war es traurig gewesen. Sie berichtete, dass sie Leif gut leiden konnte, weil er lieb war. Und Lillebror und Anna-Lisa hatte sie auch gern.

      „Aber obwohl mein Papa Alkoholiker ist, ist er der weltbeste Papa. Er ist ja auch der einzige Papa, den ich habe und du kannst dir vorstellen, wie lieb er ist! Er hat starke Arme, mit denen er mich wie ein Bär umarmen kann. Ud ich darf immer selbst bestimmen, was wir zu Abend essen und er geht oft ins Schwimmbad oder ins Kino mit mir und er mag es mir stundenlang vorzulesen und er sagt mir oft ganz laut, dass er mich lieb hat…“ Karla hielt einen Moment lang inne. Doch dann fuhr sie fort: „Wenn er gerade kein Alkoholiker ist, dann kann man gar nicht sehen, dass er krank ist. Wenn er gerade nicht trinkt, dann sieht er eigentlich wie alle anderen Papas aus. Es ist eben eine Krankheit, bei der man nicht wirklich erraten würde, dass jemand sie hat, wenn man es nicht gerade weiß.“

      Karla hatte sich warm geredet. Sie fühlte sich hier in Cecilies Wohnzimmer richtig wohl. Überall lagen Teppiche und auf dem Sofa waren lauter weiche Kissen. An den Wänden hingen alte Bilder von verschiedenen Menschen, die Karla nicht kannte. Außerdem standen eine Schale mit Keksen und ein geblümtes Glas mit Bonbons in allen Farben des Regenbogens auf dem Tisch. Und es gab eine Uhr, die tickte – ein ruhiges Ticktack. Karla fand es gemütlich bei Cecilie und die Uhr tickte so schön und friedlich.

      „Manchmal ist es auch schwer, zu wissen, mit wem man verwandt ist und mit wem nicht. Zum Beispiel hat Anna-Lisa einen kleinen Bruder bei ihrer Mama in Kopenhagen dazu bekommen. Er heißt Viktor. Und ich bin ja so ein bisschen mit Anna-Lisa verwandt, aber so gar nicht mit Viktor. Ich kenne ihn nicht einmal. Schon komisch, dass ich mit ihr verwandt bin, die mit einem Anderen verwandt ist, mit dem ich überhaupt nicht verwandt bin und den ich nicht einmal kenne.“

      Cecilie fand, dass das alles sehr verwirrend war, was Karla über ihre Familie erzählte. Sie versuchte zu wiederholen, wer nun alles mit Karla verwandt war. Doch sie verwechselte alles und Karla begann zu lachen. „Nein, Cecilie, ich bin doch nicht mit Viktor verwandt. Viktor ist doch Anna-Lisas kleiner Bruder.“

      „Jetzt verstehst du bestimmt, dass es schwierig ist einen Papa zu haben, der krank, aber gleichzeitig der weltbeste Papa ist, und außerdem Leif zu haben, der jeden Tag mit mir zusammenlebt und der darum fast ein bisschen mehr Papa als mein richtiger Papa ist – also nur im Alltag, meine ich. Leif ist schon so lange da, dass es sich anfühlt, als wäre er irgendwie mein Papa.“ Das Letztgesagte sprach Karla ganz leise aus; so, als wäre es ein Geheimnis.

      Karla wurde kurz ganz still. Sie sah sich im Wohnzimmer um und fragte Cecilie, ob sie nicht fand, dass das alles ein bisschen kompliziert klang.

      „Man kann doch nicht zwei Papas haben“, sagte Karla und fuhr fort: „Es gibt keine richtigen Familien, in der es zwei Papas gibt. In einer richtigen Familie gibt es nur eine Mama und einen Papa und ein paar Kinder, die alle Geschwister sind – also so richtige Geschwister.“

      „Die Sache mit deiner Familie klingt ein bisschen wie ein Kartenspiel“, sagte Cecilie. „Manchmal gewinnt man, und manchmal eben nicht.“

      Und Cecilie war wirklich gerade dabei, ein Kartenspiel zu legen. Sie erzählte, das das, was sie gerade legte, Königssolitär hieß und dann fragte sie Karla, ob sie nicht Lust hätte, es mal auszuprobieren. Das wollte Karla gerne. Mit ein wenig Hilfe von Cecilie ging es ziemlich gut und Karla fand es wirklich lustig. Cecilie erzählte, man könne die Karten so legen, dass man sehen kann, was die Zukunft bringe. Manchmal legte Cecilie selbst Karten aus, um zu sehen, ob sie zum Beispiel Besuch an diesem Tag bekommen würde. Sie meinte, dass ihr die Karten gerade eben verraten hätten, dass sie Besuch bekäme, als Karla zur Tür herein kam. Würde sie also das Spiel gewinnen, dann bekäme sie heute Besuch. Und würde sie nicht gewinnen, bekäme sie keinen Besuch.

      „Aber nicht immer verraten die Karten die Wahrheit“, warnte Cecilie. „Manchmal geht etwas gut aus. Auch wenn die Karten etwas anderes sagen. Man muss also aufpassen, dass man nicht zu sehr daran glaubt.“

      Karla schlug vor, die Karten zu legen, um zu sehen, ob Papa gesund werden würde, oder nicht. Cecilie war sich nicht sicher, ob die Karten etwas darüber verraten würden. Aber sie konnten es ja einmal versuchen. Bei dem Gedanken, dass sie das Spiel auch nicht gewinnen könnten, wurde Karla nervös. Das Spiel dauerte lange. Doch plötzlich tauchte der letzte König auf und auf dem Tisch lagen noch immer über zehn Karten, die noch nicht umgedreht wurden. Karla wurde unruhig. Sie spürte, dass es ihr wirklich etwas bedeutete, dieses Spiel zu gewinnen.

      „Wir werden verlieren!“, sagte sie traurig. Cecilie spürte, dass es sehr wichtig für Karla war, dieses Spiel zu gewinnen. Darum nahm sie entschlossen einen der Könige und schob ihn unter einen der Stapel am Tisch. Danach hob sie eine neue Karte vom selben Stapel ab.

      „Hin und wieder muss man bei so einem Kartenspiel ein wenig nachhelfen. Aber nur in äußersten Notfällen“, sagte Cecilie, „und das hier ist gewiss ein äußerster Notfall, das spüre ich.“

      Cecilie reichte Karla die Karten, sodass