und ihre zur Schau gestellte Fröhlichkeit ein. Er lachte und scherzte zwar mit der Kleinen und hielt sie bei Laune, war ihr gegenüber doch ziemlich reserviert.
»Lass mir Zeit zum Nachdenken.« Mit diesen Worten beendete er schließlich die rosaroten Beschreibungen von München als Weltstadt und Metropole des Freistaates Bayern, mit denen sie ihn am Abend erfreute.
»Aber, Henrik, ich meine es doch nur gut. Und ich weiß auch, was ich falsch gemacht habe. Ich werde euch nicht noch einmal verlassen.« Sie legte eine Hand auf sein Knie, schmeichelnd und verheißungsvoll. Und da Reni zu diesem Zeitpunkt schon fest schlief, erging es ihm wie dem Fischer aus einem Gedicht des Herrn von Goethe: ›Halb zog sie ihn, halb sank er hin.‹
Danach hatte er immerhin noch so viel Verstand, die Nacht auf der Couch zu verbringen und Evelin das schöne und breite Doppelbett zu überlassen. Er kannte sein Töchterchen. Das war nämlich meist schon vor Tau und Tag auf den Beinen und hätte sich doch sehr gewundert, ihn bei der ›Muttitante‹ schlafend vorzufinden. Reni hätte es auch allen erzählt, wenn sie so etwas gesehen hätte –, der Uroma, den Nachbarskindern und vor allem ihrer Tante Gitta.
Heute hatte er jedoch Glück. Reni schlief länger als sonst, sodass er deren Mutter leise wecken konnte.
Bei seinen unmissverständlichen Worten: »Steh auf, und zieh dich an!«, murrte Evelin nur und drehte sich auf die andere Seite.
»Aufstehen, hab ich gesagt, und zwar sofort!« Er zog ihr die Bettdecke weg, worauf sie ihn anfauchte: »Lass das, ich will noch schlafen.«
»Wir haben ein Kind, das hier bald auf der Matte stehen wird und Frühstück haben will.«
»Ja, ja, ich stehe ja schon auf.« Sie erhob sich gähnend und widerwillig und schlich zum Bad, wo sie wie in früheren Zeiten lange brauchte, um ihre Schönheit aufzufrischen.
Viel zu lange, fand Henrik und sorgte dann mit ein paar deftigen Sprüchen gerade noch rechtzeitig dafür, dass Reni von dem nächtlichen Geschehen tatsächlich nichts mitbekam. Als sie erwachte, kam die ›Muttitante‹ eben zur Tür herein, hübsch und adrett und setzte sich zu ihnen an den Frühstückstisch.
»Und wann darf ich Ostereier suchen?«, wollte die Kleine wissen, nachdem sie ihr Müsli verzehrt hatte.
Mein Gott, heute war ja Ostern! Die Eltern dieses aufgeweckten Kindes schauten sich beinahe entsetzt an. Ihm fiel schließlich der Karton mit Süßigkeiten und kleinen Geschenken ein, von dem Gitta gesprochen hatte. An den hätte er wirklich eher denken müssen.
Evelin fasste sich jedoch schnell und rief: »Der Osterhase hat sich vorhin gemeldet und gesagt, dass er etwas später kommt, dich aber ganz bestimmt nicht vergessen hat.«
»Und da ein Osterhase immer alles ganz heimlich macht, werden wir jetzt einen kleinen Spaziergang machen«, fügte Henrik hastig hinzu. »Die Mutti wird dir beim Anziehen helfen und dann mit dir vorausgehen zum – Stadtwall. Da blühen jetzt schon die Buschwindröschen. Ich räume die Küche auf und komme dann gleich nach.«
Reni war von dieser Verfahrensweise nicht überzeugt und nörgelte: »Und wie kommt der Osterhase in unsere Wohnung hinein?«
»Durch das Küchenfenster, so wie in jedem Jahr.«
»Ach so. Ich will aber nicht mit der Tante zum Stadtwall gehen. Du kannst doch mitkommen und sie räumt auf.«
»Das geht nicht, Renimaus«, wehrte Henrik ab, während er seine Tochter an die Hand nahm und mit ihr zur Garderobe ging. »Deine Mutter wohnt hier nicht und kennt sich daher nicht aus.«
»Stimmt, sie weiß nicht, wo wir die Tassen im Schrank haben.« Die Kleine lachte schon wieder und verließ dann mit ihrer ziemlich mürrisch dreinblickenden Mutter die Wohnung.
*
Ihr Körbchen war gut gefüllt mit Osterhasen, Eiern und kleinen Enten aus Schokolade und Marzipan, zwei Hefte zum Ausmalen und Glitzerstifte hatte der Osterhase auch gebracht. Wie der allerdings unter die Kommode gekommen war, konnte sich Reni beim besten Willen nicht vorstellen. Aber vielleicht gab es den Osterhasen bloß im Fernsehen oder im Supermarkt. Vielleicht hatte der den Papa beauftragt, die bunte Stifteschachtel unter die Kommode zu schieben. Aber eigentlich war das völlig egal. Sie freute sich über die Geschenke einerseits, andererseits war sie traurig, dass die Tante Gitta beim Eiersuchen nicht dabei gewesen war. Mit ihr wäre es viel lustiger gewesen, als mit der Tante aus München, die noch nicht ein einziges Mal so richtig mit ihr gespielt hatte. Sie saß nur beim Papa und erzählte viel und lachte manchmal auch. Der Papa lachte nicht, der hatte wahrscheinlich wieder Kopfschmerzen.
Zum Mittagessen waren sie in einem Lokal gewesen, wo man wer weiß wie lange ganz still am Tisch sitzen musste und so gut wie nichts sagen durfte. War das langweilig gewesen! Und geschmeckt hatte es dort auch nicht.
Inzwischen wieder daheim, hatte sie sich sofort in ihr Zimmer zurückgezogen, wo sie eifrig damit begann, ein Bild für ihre Tante Gitta zu malen.
Evelin und Henrik saßen derweil im Wohnzimmer, tranken Kaffee und aßen von dem Kuchen, den Gitta gebacken hatte. Die Frau Doktor genehmigte sich jedoch nur ein klitzekleines Stück, sie achtete auf ihre Figur und war ohnehin so missgestimmt, dass ihr der Appetit vergangen war.
»Ich verstehe nicht, dass Irene sich mir gegenüber so abweisend verhält«, klagte sie und schaute ihren Ex-Mann an, als wäre er an diesem Zustand schuld. »Ich gebe mir so viel Mühe mit der Kleinen. Und was macht sie? Sie jammert nach ihrer Tante Gitta und hat kein Interesse für ihre Mutter.«
»Wie kann sie das denn haben?«, entgegnete er unwillig. »Du bist doch sonst so schlau und müsstest wissen, dass Liebe und Vertrauen nicht zwangsläufig da sind. Du hast sie zwar geboren, aber ihre eigentliche Mutter ist inzwischen Gitta geworden.«
»Und was bedeutet dir diese Frau?«
»Ich … mag sie sehr und … wollte sie … heiraten.«
»Und jetzt nicht mehr?«
»Ich weiß es nicht. Für Reni wäre es das Beste – und für mich – eigentlich auch. Versteh mich richtig, du bist eine kluge, sehr hübsche und tolle Frau, und du bist mir nicht gleichgültig. Aber eine Mutter im eigentlichen Sinne bist du nicht. Die wirst du auch nicht, weil du viel zu sehr mit dir selbst und deinem Beruf beschäftigt bist. Reni spürt das, und deshalb lehnt sie dich ab.«
Evelin schob enttäuscht die Unterlippe vor, wie ein Kind, das weinen will, und antwortete nicht. Erst nach einer Weile murmelte sie: »Und ich habe gedacht, sie freut sich, wenn ich mit ihr einkaufen gehe und wird begeistert sein …«
Als sie verzagt schwieg, ergänzte Henrik mit bitterem Spott: »Ich weiß, du wolltest für ein paar Tage die gute Fee aus dem Märchenbuch spielen und hast uns eine Welt schmackhaft machen wollen, die nicht die unsere ist.«
»Ich will nicht spielen, ich meine es ehrlich.«
Er schüttelte traurig den Kopf. »Sicher meinst du es ehrlich, bis du wieder etwas anderes willst. So war es doch schon immer.«
»Und was soll nun werden?«, fragte sie geknickt.
Er trank seinen Kaffee langsam aus, um Zeit zu gewinnen, um nicht gleich die Antwort geben zu müssen, die ihm schwerfiel. Aber sie musste sein. Evelin war zwar charmant und eine wundervolle Geliebte und in dieser Hinsicht einfach einsame Spitze, aber keine Frau für den Alltag. Ja, sie konnte ihn schon verwöhnen, das hatte sie ja immer schon gekonnt. Das war aber auch schon alles und leider keine Basis für eine gute Ehe. Und mit dem Kind konnte sie gar nicht umgehen und nahm an, mit hübschen Kleidchen und allerhand Glitzerkram Mutterliebe ersetzen zu können.
»Deine Welt ist nicht unsere Welt«, sagte er schließlich. »Du kannst auch sehr gut ohne uns leben, aber Reni braucht eine Mutter, die immer für sie da ist. Und diese Mutter ist Gitta. Daran möchte ich nichts ändern, das würde Reni auch nur krank machen. Und letztendlich würdest du auch nie genug Zeit für sie haben.«
»Wir könnten uns eine Kinderfrau leisten.«
»Nein«, entgegnete er hart. »So