Die erste sind häufige und lang andauernde Konflikte und belastete persönliche Beziehungen. Diese Variante klingt nicht sehr attraktiv. Die zweite Möglichkeit besteht darin, den angerichteten Scherbenhaufen im Nachhinein wieder aufzusammeln und mühsam zusammenzuflicken. Das ist anstrengend, immer schwierig und manchmal sogar völlig aussichtslos.
Feindseligkeit macht krank
Nach einem Konflikt reinigt eine Versöhnung die Beziehungen zwischen den Menschen von belastenden Emotionen und macht einen Neuanfang möglich. Doch die Versöhnung sorgt nicht nur dafür, dass Beziehungen nicht mehr mit alten Hypotheken belastet sind – sie ist auch gut für unsere Gesundheit. Nach bewältigten Konflikten können die Menschen einander wieder unbelastet gegenübertreten. Sie können noch einmal neu anfangen. Das führt zu einem verbesserten Wohlbefinden und sorgt für ein geringeres Krankheitsrisiko. Denn chronische Feindseligkeit, Hass und Groll machen auf Dauer krank. Das bestätigt auch eine Studie der US-amerikanischen Brown University*. Demnach führt eine feindselige Haltung gegenüber Mitmenschen eher zu einem höheren Herzinfarktrisiko als Fettleibigkeit, Rauchen oder hohe Blutfettwerte. Der Stress infolge fortdauernder Konflikte begünstigt Erkrankungen wie z. B. Herzleiden, Asthma, Bluthochdruck und Reizdarmsyndrom. Außerdem können negative Gefühle den Hormonhaushalt beeinflussen und das Immunsystem schwächen. Die Bereitschaft zur Versöhnung stärkt also nicht nur das soziale Miteinander, sie ist auch eine echte Gesundheitsressource und schützt uns vor Krankheiten.
* Die Studie der Forscher von der Brown University in Providence (US-Bundesstaat Rhode Island) wurde im Jahr 2010 im Fachjournal »Health Psychology« (Bd. 21, Nr. 6) veröffentlicht.
Die Scherben wieder aufsammeln
Selbst wenn der Wille durchaus vorhanden ist: Es ist eine echte Herausforderung, sich nach einem eskalierten Streit wieder zu versöhnen. Dabei hat die Versöhnung eine überaus reinigende Wirkung. Schließlich geht es darum, sich von negativen Gefühlen gegenüber dem anderen zu befreien und eine einmal angenommene Opferrolle (»Du bist schuld!«) wieder abzulegen. Das bringt für alle Beteiligten ausschließlich Vorteile: Nach einer Versöhnung stellt sich ein Gefühl der Erleichterung und Zufriedenheit ein, das Selbstwertgefühl wird positiver und den Beteiligten fällt ein Stein vom Herzen. Die emotionale Belastung durch Groll, Hass und Schuldgefühle lässt sofort nach und dadurch wird reichlich Energie freigesetzt. Die Menschen können wieder unbelasteter zusammenarbeiten und sich unvoreingenommener begegnen. Ein Neuanfang ist möglich. Kommt es hingegen nicht zur Versöhnung, beschäftigt uns das »Feindbild« weiter und bindet Energie, die an anderer Stelle fehlt.
Es ist sehr schwierig, einen Riss in einer Beziehung wieder zu kitten.
Es gibt also viele gute Gründe, die für eine Versöhnung und einen Neuanfang sprechen. Nur gelingt es im Alltag oft eben nicht, den ersten Schritt in die richtige Richtung zu gehen. Die Behauptung, dass zahlreiche berufliche und private Beziehungen letztlich gegen den Willen der Beteiligten zerbrechen, ist sicherlich zutreffend. Spätestens dann, wenn es infolge eines Konflikts mehrfach zu persönlichen Verletzungen gekommen ist, gibt es manchmal kein Zurück mehr. Falls doch, wird den Kontrahenten viel abverlangt. Sie müssen sich immer wieder selbst zur Nachsicht mahnen. Sie brauchen unendlich viel Geduld, höchste Aufmerksamkeit und werden jedes Wort auf die Goldwaage legen. So wird jeder Versöhnungsprozess zu einem Balanceakt mit ungewissem Ausgang. Ein falsches Wort, eine unbedachte Handlung – und schon rücken die Kontrahenten nach zaghafter Annäherung wieder weit voneinander ab. Die Beziehung ist überaus fragil und kann jederzeit erneut Schaden nehmen – und das alles nur infolge früherer Fehler und Unachtsamkeiten. Eine Versöhnung erfordert viel Kraft und Stärke. Oft scheint es leichter zu sein, an alten Mustern festzuhalten, nichts zu tun und einen Konflikt weiter schwelen zu lassen, statt den ersten Schritt zu gehen. Zermürbende Streitereien ohne Ende sind die Konsequenz.
Etwas mehr Diplomatie könnte vielen Menschen also eine Menge an Scherereien ersparen. Sie trägt sicher dazu bei, die Beziehungen der Menschen untereinander stabil zu erhalten. Dauerhaft gute und stabile Beziehungen, die frei von größeren Belastungen sind, sind für uns alle vorteilhaft. Oft entscheiden sie über die persönliche Zufriedenheit und auch über den beruflichen Erfolg. Gute Beziehungen steigern also unsere Lebensqualität. Wer sie durch ein undiplomatisches Verhalten leichtfertig aufs Spiel setzt, schadet vor allem sich selbst und handelt damit wenig weitsichtig.
4. Gute Beziehungen
Unser Alltag wird von einer Vielfalt unterschiedlichster Beziehungen geprägt.
Was ist überhaupt eine »Beziehung«? Schon der Begriff selbst ist ein wenig unscharf und wird oft in völlig unterschiedlicher Weise gebraucht. Wir haben eine Beziehung zum Bäcker nebenan, bei dem wir täglich unsere Brötchen kaufen, und zum Lebenspartner, mit dem wir vielleicht schon seit zehn Jahren zusammenleben. Manche Beziehungen sind für uns geradezu essenziell, andere sind wichtig, einige erscheinen uns zumindest auf den ersten Blick weniger bedeutend. Es gibt Beziehungen, die ein Leben lang oder doch viele Jahre überdauern, und flüchtige, die nach einigen Monaten schon wieder vergessen sind. Der Begriff ist zwar der gleiche, was damit beschrieben wird, unterscheidet sich dennoch deutlich voneinander. Die Beziehung zum Partner, zu einem Verwandten oder Kunden, Kollegen, Vorgesetzten oder flüchtigen Bekannten sind von unterschiedlicher Güte und Qualität – wenngleich sie einen wichtigen Punkt gemeinsam haben: Gute Beziehungen zahlen sich aus. Gute Beziehungen dienen dem eigenen Wohl, sind gut für die physische und psychische Gesundheit und auch für die Karriere, sie machen das Leben leichter und sind der beste Helfer in der Not. Dennoch werden sie oft leichtfertig aufs Spiel gesetzt oder zumindest zu wenig gepflegt. Das Ergebnis mangelnder Pflege sind dann »eingeschlafene« Beziehungen. Werden die Weckrufe überhört, droht schließlich das Ende oder eine dramatische Verschlechterung der Beziehung. Und das kann zu ganz praktischen Nachteilen führen.
Beziehungsnetze geben Sicherheit
Wer beruflich oder gesellschaftlich vorankommen will, braucht gute Beziehungen. Wer gute Beziehungen hat, hat Einfluss, kennt für jeden Fall die richtigen Leute, erhält Aufmerksamkeit und es bieten sich ihm Chancen, die andernfalls verloren gingen. Wer auf ein ausgedehntes Beziehungsnetz zurückgreifen kann, ist besser und früher informiert als andere, kann schneller reagieren und hat größeren Einfluss auf den Lauf der Dinge. Gute Beziehungen sind vor allem dann nützlich, wenn einiges auf dem Spiel steht. In solchen Fällen ist es viel wert, zuverlässige Menschen an unserer Seite zu haben, die wir gut kennen oder die uns von vertrauenswürdigen Personen empfohlen worden sind.
Stabile Beziehungen geben uns Sicherheit.
Insbesondere bei hochgesteckten und langfristigen Zielsetzungen oder in schwierigen Situationen kommt der Einzelkämpfer immer wieder an Punkte, an denen unüberwindbare Hindernisse im Wege stehen. Viele solcher Hürden lassen sich mithilfe guter Beziehungen rasch und effizient aus dem Weg räumen, während wir uns im Alleingang die Zähne daran ausbeißen würden. Es ist tatsächlich Gold wert, im richtigen Moment auf bestehende Kontakte und gute Beziehungen zurückgreifen zu können. Doch manchmal fehlt es an den richtigen Kontakten oder die Beziehungen erweisen sich als weniger zuverlässig, als man gehofft hatte. Wer so lange wartet, bis es wirklich eng wird, und sich erst dann nach Hilfe umschaut, wird selten Unterstützer finden, die für ihn einspringen. Schon deshalb ist es weitsichtig, Vorsorge zu treffen und Beziehungen aufzubauen, noch bevor wir in der Klemme stecken.
Wer Teil eines belastbaren und zuverlässigen Netzwerkes ist, kann Probleme oder entstehende Engpässe schnell und wirkungsvoll bekämpfen. Nahezu jeder Mensch kann auf ein privates Beziehungsnetz zurückgreifen: Von der Familie, Freunden, Nachbarn und Bekannten nehmen wir Hilfe gern an und sind auch für sie da, wenn einmal Not am Mann ist. Wir nutzen unsere Beziehungen, um uns und den anderen das Leben leichter zu machen. Dabei geht es oft nicht um die wirklich großen Angelegenheiten.