die beiden Maskierten mit ihr weder eine Treppe hinaufgegangen noch in einen Aufzug gestiegen.
June saß in einer Ecke auf dem Boden, Hände und Füße waren mit Klebestreifen so wirkungsvoll gefesselt, dass sie sich kaum rühren konnte.
"Was haben Sie mit mir vor?", fragte sie den Mann mit der Reagan-Maske, der sie jetzt schon eine ganze Weile lang musterte.
Aber die Reagan-Maske gab keine Antwort.
Stattdessen meldete sich Frankensteins Monster, das am Fenster stand und hinausblickte. June konnte nicht sehen, was dort war.
"Seien Sie einfach still!", sagte Frankensteins Monster, ohne sich dabei umzudrehen. "Je weniger Sie wissen, desto besser für Sie und uns!"
"Worauf haben Sie es abgesehen? Auf meinen Boss?"
Frankensteins Monster drehte sich jetzt abrupt herum, trat mit ein paar schnellen Schritten an June heran und packte mit der Linken ziemlich grob ihren Unterkiefer.
"Dein Gerede geht mir auf die Nerven, Lady!"
Einen Augenblick später war auch ihr Mund mit Klebeband bepflastert.
"Warum so nervös?", kam es unter der Reagan-Maske hervor. "Es ist alles prima gelaufen. Ein einfacher Job, ohne Komplikationen und Schnörkel."
Frankensteins Monster machte eine wegwerfende Geste. Dann ein kurzer Blick auf die Uhr. "Die andere Sache steht noch aus", meinte er.
"Warum so eilig?", dröhnte es dumpf unter der Reagan-Maske hervor.
"Willst du, dass der Kleine schon von der Schule zurück ist und zusieht?"
"Nein."
"Na, also!"
"Meinst du, wir können die Lady hier sich selbst überlassen?"
Der Kerl mit der Monster-Maske schüttelte energisch den Kopf. Er schien derjenige von beiden zu sein, der das Sagen hatte. "Nein", meinte er mürrisch. "Nicht nötig. Ich kann das allein erledigen..."
33
Bount hielt den champagnerfarbenen 500 SL an und überlegte, worauf sich die Markierung auf dem Stadtplan wohl beziehen mochte. Er ließ den Blick an der linken Häuserfront entlang gleiten und blieb bei einem aufgegebenen Geschäft hängen, dessen Schaufenster vernagelt waren.
Die Leuchtreklamen waren abmontiert worden und es gab nichts, was einem noch verraten konnte, was hier einmal verkauft worden war. Jetzt wurde das Gebäude selbst zum Verkauf angeboten und schien seinerseits ein Ladenhüter zu sein. Das Schild mit der Aufschrift 'FOR SALE' war jedenfalls in einem Zustand, der darauf hinwies, dass es nicht erst gestern angebracht worden war.
Vielleicht ist June hier!, dachte Bount und stieg aus. Ein verlassenes Gebäude wie dieses war wie geschaffen dafür, eine Entführte zu verbergen, zumal auch in der unmittelbaren Nachbarschaft einige Wohnungen leer standen. Bount ging über die Straße und versuchte zwischen den Brettern hindurchzublicken, mit denen alles vernagelt war. Nichts zu sehen. Nur Dunkelheit.
Zwischen dem Geschäft und dem Nachbarhaus führte eine Durchfahrt in einen Hinterhof, in dem ein Wagen geparkt war. So ähnlich hatte Bount sich das gedacht. Es war also jemand hier.
Dann hörte der Privatdetektiv plötzlich ein Geräusch.
Es waren Schritte, die aus einem auf der anderen Seite des Hinterhofs gelegenen Gebäude kamen, das früher wahrscheinlich als eine Art Lager gedient hatte. Bount drückte sich seitlich in eine Nische, die zu einer zugemauerten Tür gehörte.
Er sah einen Mann ins Freie treten, der sich eine Frankenstein-Maske vom Kopf riss und darunter ziemlich zu schwitzen schien. Der Mann stieg in den Wagen, warf die Maske auf den Rücksitz und brauste dann einen Augenblick später an Reiniger vorbei.
Bount glaubte nicht, dass der Kerl ihn gesehen hatte. Der Privatdetektiv schlich an der Wand entlang. Die dem Innenhof zugewandten Fenster des Lagerhauses waren zwar verbarrikadiert, aber sicher war eben sicher. Bount konnte ja nicht wissen, wo eventuell jemand auf Beobachtungsposten stand.
Bevor er die Tür passierte, zog er die Automatik aus dem Schulterholster und entsicherte sie. Er versuchte so wenig Krach wie möglich zu machen, aber die Scharniere waren wohl schon eine Ewigkeit lang nicht mehr geölt worden und knarrten daher etwas.
Bount kam in einen großen, kahlen Raum. An den Seiten waren Glasbausteine in den Wänden, durch die etwas Licht fiel.
Auf der anderen Seite war eine Tür, die wahrscheinlich in einen weiteren, ähnlichen Raum führte.
Es war zur einen Hälfte ein kaum hörbares Geräusch, das Bount warnte. Zur anderen Hälfte vielleicht Instinkt. Jedenfalls sprang plötzlich die Tür auf. Alles Weitere ging blitzschnell.
Bount sah eine maskierte Gestalt hervorspringen und eine Waffe heben. Ein Mündungsblitz zuckte. Das Schussgeräusch hörte sich in diesem kahlen Lagerraum wie ein Donnergrollen an und hallte mehrfach wider.
Ein zweiter Schuss folgte unmittelbar danach, während Bount sich längst zur Seite fallengelassen hatte. Der Privatdetektiv rollte sich am Boden herum, während dicht neben ihm ein Projektil in den Betonboden schlug und als tückischer Querschläger weitergeschickt wurde.
Dann riß Bount seine Waffe hoch und drückte ab, bevor sein Gegenüber zum drittenmal feuern konnte. Der Maskierte bekam Bounts Kugel ins linke Bein. Der Schrei, der daraufhin unter der Reagan-Maske hervordröhnte, schien je zur Hälfte aus Schmerz und Wut geboren zu sein.
"Waffe weg!", rief Bount, aber der Maskierte dachte keine Sekunde daran aufzugeben. Er lehnte mit dem Rücken am Türpfosten und richtete erneut seine Waffe auf Bount.
Der Kerl mit der Reagan-Maske ließ Bount keine andere Wahl. Bevor der Maskierte seinen Schuss abgeben konnte, hatte Bount bereits abgedrückt. Der Kerl rutschte getroffen am Türrahmen zu Boden. Er versuchte verzweifelt, seine Waffe in Anschlag zu bringen, aber das klappte nicht mehr.
Einen Sekundenbruchteil saß er regungslos da, während sein Blut auf den kalten Betonboden sickerte.
Bount rappelte sich auf und trat an ihn heran. Der Kerl war tot, da gab es keinen Zweifel. Als der Privatdetektiv dann in der Tür stand, sah er ein zusammengeschnürtes, blauäugiges Bündel in einer Ecke liegen.
"June!"
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