Ralf Nestmeyer

Südengland Reiseführer Michael Müller Verlag


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einem kleinen Hafen. Die Ero­be­rer nannten sie Londinium und befestigten sie mit einer Mauer. In der Folgezeit ent­wickelte sich daraus ein blühendes Handelszentrum, dessen Zeugnisse heu­te in den hiesigen Museen zu be­sich­tigen sind. Seit dem Jahr 1215 ist die City durch die Mag­na Carta in recht­licher Hinsicht weitgehend unab­hängig; der Bürgermeister ge­nießt seit­her zahlreiche Privilegien und hat ei­nen direkten Zugang zum Kö­nig­li­chen Hof. Zweimal wurde das Gesicht der City of London entscheidend verändert: 1666 zerstörte ein Großfeuer zwei Drit­tel der überwiegend aus Holz errich­te­ten Stadt; ähnlich verheerend waren die Verwüstungen durch die deutschen Luftan­grif­fe im Zweiten Weltkrieg.

      Technisches Wunderwerk: die Tower Bridge

      Das jetzige Stadtbild wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt. So­fort fallen dem Besucher die Gebäudekomplexe der Banken und Ver­siche­rungs­ge­sell­schaften ins Auge. Wohn­raum ist eine Seltenheit. In der City wird nicht ge­wohnt, sondern gear­beitet. Nur noch rund 6000 Menschen - fast zwei Drittel in den begehrten Ei­gen­tumswohnungen des Barbican Cent­re - leben im historischen Zen­t­rum Londons; den City-Bewohnern ste­hen mehr als 300.000 Pendler (com­mu­ters) gegenüber, die Tag für Tag aus den Vorstädten hereinfahren. Nachts und am Wochenende ist das Viertel voll­kommen ausgestorben, doch nach Fei­er­abend und während der Mit­tags­pause, wenn die Angestellten in die um­liegenden Ca­fés und Sandwich-Bars strö­men, geht es richtig hektisch zu.

      The Monument: Eine 62,15 Meter hohe dorische Säule erinnert an die Ver­wüs­tun­gen durch das Große Feuer im Jahre 1666. Die Höhe des Denkmals ent­spricht ex­akt der Entfernung zu jener Bäckerei in der Pudding Lane, wo der schreck­liche Brand ausbrach. Das ein­drucks­volle Monument stammt von Sir Chris­to­pher Wren, der maßgeblich am Wie­der­aufbau der City beteiligt war. Der kurze, aber an­stren­gen­de Aufstieg - für die 311 Stufen bekommt man hinterher sogar eine Urkunde - wird mit einem schönen Panoramarundblick über die Dachlandschaft der City be­lohnt.

      ♦ Monument Street, EC3. (U) Monument. Tgl. 9.30-18 Uhr, im Winter bis 17.30 Uhr. Eintritt £ 4.50, erm. £ 3 bzw. £ 2.30 (Kombiticket mit Tower Bridge £ 11, erm. £ 7.50 bzw. £ 5). www.themonument.info.

      Empfehlenswert ist eine eingehende Betrachtung der Kronjuwelen im Jewel House, die sich trotz langer Warte­schlan­gen lohnt. Die meisten Kronin­sig­nien sind wäh­rend der kurzlebigen Republik eingeschmolzen worden. Die älteste Krone stammt des­halb aus der Zeit der Restauration (der Zeit nach der Republik), sie wiegt fünf Pfund und wird noch heute für Krönungen be­nutzt. Schön ist Königin Viktorias Imperial State Crown, die mit mehr als 3000 Diamanten aufwarten kann. Die Krone der Queen Mother aus dem Jahre 1937 wird u. a. vom berühmten Dia­man­ten Kohinoor mit 108 Karat (1 Ka­rat entspricht 0,2 Gramm) geschmückt. Er ist einer der größten Diamanten der Welt; überreicht wurde er Königin Vik­toria 1850 von der britischen Indien­armee. Außerdem sind natürlich viele Kro­nen, Zepter, Reichs­äp­fel und Staats­schwerter zu besichtigen. Auf ei­nem Roll­band wird man an den Kron­ju­we­len vorbeigefahren, damit es nicht zu Staus kommt (die sich trotzdem bil­den).

      Nicht versäumen sollte man eine Besichtigung des zur Themse zei­gen­den Traitor’s Gate und des an­gren­zen­den Medieval Palace, in dem einst Edu­ard I. residierte. Im Beau­champ Tower haben bedeutende Staatsgefangene ihre Mauerkritzeleien hin­ter­lassen, im Bloody Tower verbrachte Sir Walter Raleigh, der Gründer der eng­li­schen Kolonie Virginia, zusammen mit seiner Frau und seinen beiden Kindern zwölf lange Jahre und schrieb dabei seine „History of the World“. Der Wall Walk führt entlang der östlichen Be­fes­ti­gungs­mauer. Von einem Besuch des In­fan­te­rie­mu­seums (Fusiliers’ Museum), für den ein zusätzlicher Obolus be­rech­net wird, kann man getrost Abstand nehmen. Wer im Tower die Orien­tie­rung verloren hat, soll­te sich mit seinen Fragen an die Yeomen Warders wenden. Die uniformierte kö­nig­liche Garde - im Volksmund werden sie Beefeaters ge­nannt - gibt gerne Auskunft.

      Ein Beleg für das ausgeprägte Tra­di­tionsbewusstsein der Engländer ist die nächt­li­che Zeremonie der Schlüs­sel­übergabe. Seit etwa 700 Jahren wird immer um Punkt 21.53 Uhr das Haupt­tor des Towers abgeschlossen. Eine Teil­nahmeerlaubnis dafür ist min­des­tens vier, besser noch acht Wo­chen vor­her bei Ceremony of the Keys zu be­antragen. Achtung: Legen Sie dem Brief einen internationalen Ant­wort­schein bei. Die schriftliche Ge­neh­mi­gung muss man um 21.30 Uhr dem diensthabenden Of­fi­zier am Haupt­tor vor­legen.

      ♦ SE1. (U) Tower Hill. Tgl. 9-17.30 Uhr, So und Mo erst ab 10 Uhr, im Winter nur bis 16.30 Uhr. Ein­tritt £ 27.20, erm. £ 21.30 bzw. £ 12.90, Fa­mi­lien­ticket £ 69.20. Wer online bucht, spart jeweils 10 %. www.hrp.org.uk/tower-of-london. Emp­feh­lenswert ist der Audioguide.

      Der Große Brand

      Innerhalb weniger Jahrzehnte hatte sich die Londoner Bevöl­ke­rung im 17. Jahr­hundert auf über 200.000 verdoppelt, als in den frühen Morgen­stun­den des 2. September 1666 in einer Bäckerei an der Pudding Lane ein kleiner Brand ausbrach, der als ungefährlich eingestuft wurde. Der damalige Lord Ma­yor Sir Thomas Blood­worth murmelte etwas von „Kinderkram, den sogar ei­ne Frau aus­pinkeln könnte“ und legte sich wieder in sein Bett. Eine fatale Fehl­einschätzung - denn wegen ungünstiger Winde breitete sich der „Kin­der­kram“ zu einer fünf Tage währenden Feuersbrunst aus: „Und der mächtig star­ke Wind trieb das Feuer in die Stadt, und alles erwies sich nach so langer Tro­ckenheit als brennbar, selbst die steinernen Kirchenmauern“, notierte der Augenzeuge Samuel Pepys in seinem Tagebuch. Der Schaden war ver­hee­rend: Vier Fünf­tel der Londoner City und die Hälfte der westlichen Pe­ri­phe­rie waren vernichtet. Rund 13.000 Häuser sowie 87 Kirchen, da­runter die alte St Paul’s Cathedral, wurden ein Opfer der Flammen. Das einzig Positive an der Feuersbrunst war, dass auch die Pest aus London verschwand.

      Tower Bridge: Obwohl gerade erst ein gutes Jahrhundert alt, ist die Tower Bridge das meistfotografierte Wahr­zei­chen Londons. Die 1894 in der Nähe des To­wers errichtete Hängebrücke wur­de als technisches Wunderwerk bestaunt, da ihr be­weglicher Mittelteil hochgezogen werden kann, um so auch größeren Schiffen die Durchfahrt zu ermöglichen. Die Zugbrücke - Archi­tekt war Sir Horace Jones - gilt als tech­nische Meisterleistung: Innerhalb von 90 Sekunden ist es möglich, die bei­den Flügel hochzuziehen. Obwohl die Brü­cke damals mit modernster Hy­drau­lik­technik betrieben