gaben ihren Beruf oder ihr Geschäft auf, um Tulpen zu züchten und damit zu handeln oder um Tulpenmakler zu werden. Banken akzeptierten Tulpenzwiebeln als Sicherheit und Spekulanten machten gute Geschäfte. Doch schließlich kollabierte die Manie in mehreren Wellen von Panikverkäufen, Menschen verarmten und die Nation war geschockt. Mackay schrieb seufzend: „Menschen verfallen einem Wahn massenweise und sie kommen erst langsam einer nach dem anderen wieder zur Besinnung.“
Im Jahr 1897 schrieb der französische Philosoph und Politiker Gustave Le Bon das Buch „Psychologie der Massen“. Ein Trader, der es heute liest, sieht in einem mehr als hundert Jahre alten Spiegel sein Spiegelbild.
Le Bon schrieb über Menschen, die sich zu einer Masse versammeln: „Wer immer auch die Menschen sind, aus denen sie sich zusammensetzt, wie ähnlich oder unähnlich einander ihre Lebensweisen, ihre Tätigkeiten, ihr Charakter oder ihre Intelligenz auch sein mögen, die Tatsache, dass sie sich in eine Masse verwandelt haben, verleiht ihr gewissermaßen einen kollektiven Geist, der dazu führt, dass sie in einer Weise empfinden, denken und handeln, die sich sehr von dem unterscheidet, was jeder Einzelne empfinden, denken oder wie er handeln würde, wenn er sich in einem isolierten Zustand befände.“
Wenn sich Menschen einer Masse anschließen, verändern sie sich. Sie werden gutgläubiger und impulsiver, sie suchen ängstlich nach einem Anführer und reagieren auf Emotionen, anstatt ihren Verstand zu benutzen. Eine Person, die in eine Gruppe verwickelt wird, ist weniger als sonst in der Lage, eigenständig zu denken.
Es mag sein, dass Angehörige einer Gruppe ein paar Trends erwischen, aber sie werden vernichtet, wenn Trends drehen. Erfolgreiche Trader denken eigenständig.
Warum sollte man sich einer Masse anschließen?
Seit Anbeginn der Zeit schließen sich Menschen um der Sicherheit willen Massen an. Wenn ein steinzeitlicher Jäger einem Säbelzahntiger begegnete, waren seine Chancen, mit dem Leben davonzukommen, sehr klein, aber wenn die Menschen in Gruppen auf die Jagd gingen, überlebte wahrscheinlich die Mehrheit von ihnen. Einzelgänger wurden getötet und hinterließen weniger Nachkommen. Da Angehörige von Gruppen mit größerer Wahrscheinlichkeit überlebten, ging die Neigung, sich Gruppen anzuschließen, offenbar in unser Erbgut ein.
Unsere Gesellschaft verherrlicht den freien Willen, aber unter der dünnen Fassade der Zivilisation tragen wir viele primitive Impulse in uns. Wir wollen uns um der Sicherheit willen Gruppen anschließen und von starken Anführern geleitet werden. Je größer die Ungewissheit, umso stärker unser Wille, mitzumachen und zu folgen.
In den Schluchten der Wall Street streifen keine Säbelzahntiger umher, aber das finanzielle Überleben ist in Gefahr. Der Wert einer Position steigt und fällt durch die Käufe und Verkäufe von völlig fremden Menschen. Angst kommt auf, weil man die Preise nicht unter Kontrolle hat. Diese Unsicherheit lässt die meisten Trader nach einem Anführer suchen, der ihnen sagt, was sie tun sollen.
Auch wenn man rational beschlossen hat, long oder short zu gehen, wird man in dem Augenblick, in dem man den Trade eingeht, von der Masse aufgesogen. Man verliert nach und nach seine Eigenständigkeit, wenn man mit Adleraugen die Kurse beobachtet und wenn man euphorisch wird, wenn sie sich wie gewünscht entwickeln, oder deprimiert ist, wenn sie gegen einen laufen. Wenn man Verlustpositionen impulsiv aufstockt oder dreht, hat man ein Problem. Man verliert seine Eigenständigkeit, wenn man anfängt, Gurus mehr zu vertrauen als sich selbst, und man sich nicht an den eigenen Trading-Plan hält. Wenn Sie merken, dass Ihnen das passiert, versuchen Sie, wieder zur Vernunft zu kommen. Wenn Sie die Fassung nicht zurückgewinnen können, steigen Sie aus Ihren Trades aus und bleiben Sie neutral.
Die Mentalität der Masse
Wenn sich Menschen Massen anschließen, wird ihr Denken primitiv und sie neigen eher dazu, spontan zu handeln. Massen schlagen von Furcht in Fröhlichkeit um, von Panik in Euphorie. Ein Wissenschaftler kann in seinem Labor cool und rational sein, aber haarsträubende Trades tätigen, nachdem er sich von der Massenhysterie des Marktes hat mitreißen lassen. Eine Gruppe kann einen regelrecht aufsaugen, ob man nun von einem überfüllten Brokerbüro aus oder von einem entlegenen Berggipfel aus tradet. Wenn man seine Trading-Entscheidungen von anderen beeinflussen lässt, gehen die Erfolgschancen in Rauch auf.
Für einen prähistorischen Jäger war die Gruppenloyalität überlebenswichtig. Ein Gewerkschaftsbeitritt kann einem inkompetenten Arbeitnehmer, der keine Leistung bringt, sogar den Job retten. Am Markt ist das anders: Sich einer Gruppe anzuschließen schadet einem eher.
Viele Trader sind verwirrt, wenn die Märkte sofort drehen, nachdem sie eine verlustbringende Position abgestoßen haben. Das passiert, weil die Angehörigen der Masse von der gleichen Furcht ergriffen sind – und alle stoßen ihre Positionen gleichzeitig ab. Sobald der Verkaufsschub vorbei ist, bleibt dem Markt nur noch die Richtung nach oben. Am Markt hält wieder Optimismus Einzug, die Masse vergisst ihre Angst, sie wird gierig und gerät erneut in einen Kaufrausch.
Die Masse ist größer und stärker als man selbst. Egal, wie intelligent man ist, man darf nicht mit der Masse streiten. Man hat nur eine Wahl – sich der Masse anschließen oder eigenständig handeln.
Massen sind primitiv und auch die Trading-Strategien sollten simpel sein. Um eine gewinnbringende Trading-Strategie zu konstruieren, braucht man kein Raketenwissenschaftler zu sein. Wendet sich der Trade gegen einen, muss man seine Verluste begrenzen und sich aus dem Staub machen. Legen Sie sich nie mit der Masse an – setzen Sie einfach Ihr Urteilsvermögen ein, um zu entscheiden, wann Sie mitmachen und wann Sie weglaufen.
Ihre menschliche Natur verleitet Sie dazu, unter Stress Ihre Eigenständigkeit aufzugeben. Wenn Sie einen Trade eingegangen sind, verspüren Sie den Wunsch, andere nachzuahmen und objektive Signale zu übersehen. Deshalb müssen Sie Ihr Handelssystem und Ihre Regeln für das Money-Management schriftlich festhalten. Sie stellen Ihre rationalen, individuellen Entscheidungen dar, die Sie getroffen haben, bevor Sie einen Trade eingegangen sind.
Wer übernimmt die Führung?
Ein unerfahrener Trader kann intensive Freude empfinden, wenn sich die Kurse in die gewünschte Richtung bewegen. Er kann wütend, deprimiert und ängstlich werden, wenn sich die Kurse gegen ihn wenden, und dann verängstigt abwarten, was der Markt als Nächstes tun wird. Wenn sich Trader gestresst oder bedroht fühlen, werden sie zu Angehörigen der Masse. Unter dem Hagel der Emotionen verlieren sie ihre Eigenständigkeit und fangen an, andere Mitglieder der Gruppe nachzuahmen, vor allem den Anführer der Gruppe.
Wenn Kinder Angst haben, wollen sie von ihren Eltern und anderen Erwachsenen gesagt bekommen, was sie tun sollen. Diese Haltung übertragen sie auf Lehrer, Ärzte, Pfarrer, Chefs und diverse Fachleute. Trader wenden sich Gurus zu, Anbietern von Handelssystemen, Zeitungskolumnisten und anderen „Marktführern“. Aber wie es Tony Plummer in seinem Buch „Forecasting Financial Markets“ so glänzend dargelegt hat, ist die wichtigste führende Kraft am Markt der Preis.
Der Preis ist der Anführer der Börsenmassen. Trader in aller Welt verfolgen die Upticks und Downticks. Es ist, als würde der Preis den Tradern sagen: „Folge mir, dann zeige ich dir den Weg zum Reichtum.“ Die meisten Trader halten sich selbst für unabhängig. Nur wenige begreifen, wie sehr sie sich auf das Verhalten des Anführers ihrer Gruppe konzentrieren.
Ein Trend, der zu den eigenen Gunsten verläuft, steht für einen starken, großzügigen Elternteil, der einen zu einer Mahlzeit ruft. Ein Trend, der gegen einen läuft, fühlt sich an wie ein wütender, strafender Elternteil. Wenn einen solche Gefühle erfassen, kann man leicht objektive Signale übersehen, die einem sagen, dass man an einem Trade festhalten oder aus ihm aussteigen sollte. Man kann glücklich oder erschrocken sein, verhandeln oder um Verzeihung bitten – und dabei den rationalen Akt vermeiden, die Realität zu akzeptieren und aus einem verlustbringenden Trade auszusteigen.
Unabhängigkeit