haben,
dass Stadt um Stadt verfällt …
Sie wollen den Bürgerkrieg entfachen –
(das sollten die Kommunisten mal machen!)
dass der Nazi dir einen Totenkranz flicht –:
Deutschland, siehst du das nicht –?
Daß sie im Dunkel nagen,
dass sie im Hellen schrein;
dass sie an allen Tagen
Faschismus prophezein …
Für die Richter haben sie nichts als Lachen –
(das sollten die Kommunisten mal machen!)
dass der Nazi für die Ausbeuter ficht –:
Deutschland, hörst du das nicht –?
Daß sie in Waffen starren,
dass sie landauf, landab
ihre Agenten karren
im nimmermüden Trab …
Die Übungsgranaten krachen …
(das sollten die Kommunisten mal machen!)
dass der Nazi dein Todesurteil spricht –:
Deutschland, fühlst du das nicht –?
Und es braust aus den Betrieben ein Chor
von Millionen Arbeiterstimmen hervor:
Wir wissen alles. Uns sperren sie ein.
Wir wissen alles. Uns läßt man bespein.
Wir werden aufgelöst. Und verboten.
Wir zählen die Opfer; wir zählen die Toten.
Kein Minister rührt sich, wenn Hitler spricht.
Für jene die Straße. Gegen uns das Reichsgericht.
Wir sehen. Wir hören. Wir fühlen den kommenden Krach.
Und wenn Deutschland schläft –:
Wir sind wach!
Zitiert nach: Gesammelte Werke. Bd. VIII, S. 107
Seinen Wohnsitz verlegte er im gleichen Jahr nach Schweden in die Nähe von Göteborg. Seinem Freund und Weltbühne-Kollegen Carl von Ossietzky wurde bereits der Prozess wegen Landesverrats gemacht. Tucholsky selbst veröffentlichte immer weniger Texte. 1933 wurden die Weltbühne verboten und Tucholskys Bücher verbrannt. Selbstzeugnisse aus dieser Zeit sind noch Briefe und Tagebuchblätter. Von der Entwicklung in Deutschland zutiefst erschüttert, starb er am 21. Dezember 1935 in einem Krankenhaus in Göteborg.
Quellen und Literatur: Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke. Hrsg. v. Mary Gerold-Tucholsky und Fritz J. Raddatz, 10 Bde., Reinbek 1975; ders.: Deutschland, Deutschland über alles. Ein Bilderbuch von K. T. und vielen Photographen. Berlin 1929; ders.: Die Q-Tagebücher. 1934–1935. Hrsg. von Mary Gerold-Tucholsky und Gustav Huonker. Reinbek 1978; ders.: Briefe aus dem Schweigen. 1932–1935. Briefe an Nuuna. Hrsg. von Mary Gerold-Tucholsky und Gustav Huonker. Reinbek 1977; Michael Hepp: Kurt Tucholsky. Reinbek 1998; Dieter Mayer: Kurt Tucholsky, Joseph Roth, Walter Mehring. Beiträge zu Politik und Kultur zwischen den Weltkriegen. Frankfurt 2010; Rolf Hosfeld: Tucholsky. Ein deutsches Leben. München 2012
Carl von Ossietzky
Carl von Ossietzky wurde 1889 in Hamburg geboren. Sein Vater Ignatius stammte aus Schlesien und arbeitete als Stenograf und als Gastwirt. Nach dessen frühen Tod lebte Carl zunächst bei einer Tante. Mangels des angestrebten Schulabschlusses arbeitete er ab 1907 zunächst als Hilfsschreiber beim Amtsgericht Hamburg, und er begann, selbst Texte zu verfassen. Sein erster Artikel erschien 1911 in der Zeitschrift »Das freie Volk«. Er gehörte der »Demokratischen Vereinigung« an, die dieses Blatt herausgab, außerdem als Generalsekretär bei der »Deutschen Friedensgesellschaft«. Im Ersten Weltkrieg wurde er eingezogen und diente ab 1916 im Westen, auch in Verdun. Nach dem Krieg arbeitete er für den Hamburger Pfadweiser Verlag und für die Deutsche Friedensgesellschaft, ab 1920 für die »Berliner Volks-Zeitung«, ab 1920 für weitere Zeitungen wie »Das Tage-Buch«, »Montag Morgen« und die »Monistischen Monatshefte«. Er schrieb auch unter den Pseudonymen Thomas Murner, Yatagan, Lucius Schierling und Celsus. Beginnend mit Artikeln zu Kulturthemen, vor allem Theaterkritiken, wandte er sich im Laufe der Zeit immer mehr dem politischen Journalismus zu. Carl von Ossietzky war Mitbegründer der Republikanischen Partei und Mitglied der »Liga für Menschenrechte«. 1926 wurde er Autor der Weltbühne und arbeitete mit Kurt Tucholsky zusammen. Bald wurde er Herausgeber und Chefredakteur. Als Chef des wohl bedeutendsten Organs der intellektuellen Linken, das die Demokratie verteidigte und Missstände auch mit beißenden Texten anprangerte, zog er sich, wie auch die Autoren, zahlreiche Feinde zu. 1931 wurde von Ossietzky im sogenannten »Weltbühne-Prozess« wegen Landesverrats angeklagt und zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt, nachdem ein Autor der »Weltbühne« über die verbotene Aufrüstung der Reichswehr berichtet hatte. Während der Haftzeit wegen seines Satzes »Soldaten sind Mörder« angeklagt, wurde er nicht ein weiteres Mal verurteilt, da das Gericht darin keine Verunglimpfung der Reichswehr erkannte. Im Dezember 1932 entlassen, beschrieb er im Januar 1933 unter dem Titel »Wintermärchen« die Krise, in der die Nationalsozialisten kurz vor Hitlers Ernennung zum Reichskanzler steckten:
Die Krise der Nazis ist vor allem eine finanzielle. Die theoretisch interessierte Schicht in der Partei war immer herzlich dünn. Die Intellektuellen sind schon mit Otto Straßer und Buchdrucker geschieden oder sammeln sich im ›Tat‹-Kreis und in unzähligen Konventikeln. Das Gros der Parteimitglieder besteht aus den Dümmsten der Dummen, die Cadres der Braunjacken werden durch Barzahlung zusammengehalten und nicht durch eine Gesinnung. Die Zentrale hat aus dem Vollen gewirtschaftet, sie hat von der Aussicht gelebt, in absehbarer Zeit den Staat mit ihren Heuschreckenschwärmen zu überziehen, und sie hat sich darin getäuscht. Ihre alten Brotgeber von der Industrie sind entweder pleite oder durch einige sozialradikale Zwischenspiele enttäuscht. Mitten in einer bettelarm werdenden Zeit war Propaganda der Partei und Lebensstil der Führerschaft auf eine Opulenz gestellt, die zwar die sozialistischen Arbeiter nicht blendete, wohl aber jenes verrottende Kleinbürgertum, das jeden Propheten zu steinigen bereit ist, der sich nicht einen Mercedeswagen und ein Quartier im »Kaiserhof« leisten kann. Dieser Parvenustil ist bedroht; SA-Leute ohne Sold in ungeheizten Mannschaftsstuben wittern hinter der Hitlermessiade den Klanteschwindel und greinen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Adolphus und die Seinen mit zunehmender Misere spiritueller werden, aber die Hungrigen und Beutelustigen, die auf sie geschworen haben, werden mit geistigen Reizen kaum zu betören sein.
Die Weltbühne, 29. Jg. Nr. 1, vom 3. Januar 1933, S. 2
Tatsächlich steckte die NSDAP Anfang 1933 in großen Schwierigkeiten und rechnete selbst kaum noch mit der Erlangung der Regierungsmacht, doch hier hatte er ihr Durchhaltevermögen unterschätzt. Nach dem Reichstagsbrand Ende Februar wurde Carl von Ossietzky bereits wieder verhaftet und danach – ohne Prozess – in verschiedenen Konzentrationslagern festgehalten. Die Weltbühne wurde verboten, seine Bücher gehörten zu denen, die im Mai 1933 verbrannt wurden. 1936 erhielt er auf Initiative der »Deutschen Liga für Menschenrechte« sowie weiterer Freunde, nachträglich für das vorige Jahr, den 1935 zunächst nicht verliehenen Friedensnobelpreis, den er freilich nicht persönlich in Oslo entgegennehmen durfte. Nachdem seine Gesundheit in der KZ-Haft schwer geschädigt worden war, starb er 1938 in Berlin im Krankenhaus Nordend an den Spätfolgen der Misshandlungen – bis zuletzt unter