Helmut Neuhold

Die großen Eroberer


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forschere der beiden, Varro, führte die römischen Truppen schließlich über den kleinen Fluss Aufidus gegen Hannibal, der an dessen Südufer stand. Die Römer setzten bei ihrer Aufstellung auf ein starkes, tief gestaffeltes Zentrum, während Hannibal die schwächeren Truppenteile in der Mitte und die im Kampf erfahrenen an den Flügeln positionierte. Für die Römer wurde diese Aufstellung schließlich zu einer riesigen Falle, da sie während ihres zunächst erfolgreichen Vordringens ins karthagische Zentrum von den beiden Flügeln Hannibals in die Zange genommen und schließlich eingekesselt wurden. Die Reiter Hannibals, die der römischen Kavallerie deutlich überlegen waren, gaben den Ausschlag für das Gelingen seines Planes. Die Schlacht endete mit einem historisch beispiellosen Gemetzel, bei dem je nach Quelle zwischen 50.000 und 70.000 Römer fielen und 10.000 gefangen genommen wurden – Verlustzahlen, die nur mit denen der beiden Weltkriege vergleichbar sind. Der Triumph Hannibals schien vollkommen, doch hatten sich zwei wichtige Personen seinem Zugriff entziehen können: der römische Befehlshaber Varro und ein junger Mann namens Scipio, der später Hannibals Bezwinger werden sollte.

      Auch nach diesem überragenden Sieg erfüllte sich Hannibals Hoffnung nicht, dass nun alle Verbündeten Roms zu ihm überlaufen würden. Zwar fielen einige – vor allem süditalienische – Städte und Stämme von Rom ab, dessen Bündnissystem blieb strukturell jedoch erhalten. In der Folge eröffneten die Römer neue Kriegsschauplätze in Sizilien, Spanien und Afrika, wodurch sie letztlich die Oberhand gewannen.

      Während Hannibal in den folgenden Jahren in lang andauernden Kämpfen große Gebiete eroberte und weiter auf die Zerstörung des römischen Bundesgenossensystems hinarbeitete, verschlechterte sich die Lage Karthagos auf anderen Kriegsschauplätzen zunehmend. Hannibal unternahm zwar 211 v. Chr. einen Scheinangriff auf Rom, um das von den Römern belagerte und mit ihm verbündete Capua zu entlasten; zur Eroberung der Stadt war er aber nicht bereit. Dennoch versetzte er die Römer in Angst und Schrecken, die bei seinem Erscheinen ausgerufen haben sollen: „Hannibal ante portas!“ („Hannibal ist vor den Toren!“)

      Als Hasdrubal Barkas, Hannibals Bruder, im Jahre 207 v. Chr. mit einer karthagischen Armee ebenfalls die Alpen überschritt, schien sich der endgültige Sieg über Rom anzubahnen. Doch Hasdrubal machte einige schwerwiegende strategische und taktische Fehler und wurde vernichtend geschlagen, bevor er zu Hannibal stoßen konnte. Die Römer schlugen dem gefallenen Hasdrubal den Kopf ab und warfen diesen sechs Tage später in das Lager Hannibals. Als der karthagische Heerführer das Haupt seines Bruders sah, soll er gesagt haben: „Hier sehe ich das Schicksal Karthagos!“

      Obwohl Hannibal nicht aufgab und den Kampf gegen die Römer fortführte, war ihm, als er vom Sieg der Römer in Spanien hörte, vielleicht schon bewusst, dass seine Pläne letztlich scheitern würden. Der Feldherr musste schließlich nach Afrika zurückkehren, da Karthago durch die Landung Scipios in Nordafrika jetzt direkt bedroht war.

      Die Schlacht bei Zama im Jahre 202 v. Chr. wurde schließlich zu Hannibals Waterloo und bedeutete die endgültige Niederlage Karthagos in diesem Krieg. Immerhin aber hatte der geschlagene Feldherr das unerwartete Glück, dass der noble Sieger Scipio, der nun „Africanus“ genannt wurde, auf seine Auslieferung verzichtete und seinem Widerpart das Schicksal ersparte, womöglich bei einem Triumphzug durch Rom als Siegestrophäe mitgeführt zu werden.

      Hannibal kehrte ins zivile Leben zurück und wurde politisch aktiv. Es galt, seine schwer angeschlagene, militärisch und politisch ruinierte Heimat zu reorganisieren. Auch auf diesem Gebiet war er erfolgreich, machte sich aber viele Feinde unter Karthagos Mächtigen. Rom führte ab 200 v. Chr. Krieg gegen Philipp von Makedonien und Antiochos von Syrien und verdächtigte Hannibal, Beziehungen zu Antiochos zu unterhalten. 195 v. Chr. reiste eine römische Kommission nach Karthago, um gegen den ehemaligen Erzfeind vorzugehen und seine Auslieferung zu fordern. Hannibal konnte jedoch rechtzeitig fliehen. Karthago, für das er viele Jahre lang gekämpft hatte, ließ sein Haus zerstören und ihn zum Geächteten erklären – um die gefährlichen Römer zu beschwichtigen, opferten die Karthager den Ruhm ihres bedeutendsten Heerführers.

      Hannibal gelangte mit einem Schiff nach Tyros, das in der Hand von Antiochos von Syrien war. Als der Karthager und der König sich in Ephesos trafen, machte Hannibal den Vorschlag, mit einem Heer des Syrers in Italien zu landen. Doch der Plan wurde verraten und die Römer sandten Scipio Africanus mit einer Delegation zu Antiochos, um das Vorhaben zu vereiteln. Der König ließ Hannibals Plan fallen, konnte oder wollte aber einen Kriegsausbruch nicht verhindern. Als die Syrer ihre erste Niederlage gegen die Römer erlitten hatten, versuchte der Karthager, ihnen mit einer selbst aufgestellten Flotte zu Hilfe zu kommen, doch auch damit konnte er die Niederlage zur See nicht abwenden. In der Entscheidungsschlacht bei Magnesia im Jahre 189 v. Chr. wurde Antiochos schließlich von dem römischen Heer unter dem Kommando der Scipio-Brüder vernichtend geschlagen. Bereits vor der Schlacht hatte Hannibal für den Aufmarsch der Syrer nur abfällige Kommentare übrig gehabt.

      Hannibal musste erneut fliehen und ging nach Armenien, wo er sich als Städteplaner betätigte, was auf seine Vielseitigkeit hinweist. Als auch hier die Gefahr eines Zugriffs der Römer auf ihn wuchs, floh Hannibal nach Kreta und später nach Bythinien, wo er dem König Prusias bei dessen Krieg gegen Pergamon mit seiner militärischen Erfahrung zur Seite stand. Eine der gegnerischen Flotten wurde nicht zuletzt dadurch besiegt, dass man auf Hannibals Rat hin Töpfe mit Giftschlangen auf ihre Schiffe katapultierte.

      Im Jahr 183 v. Chr. machten die Römer Ernst und forderten unter der Androhung von Krieg die Auslieferung Hannibals. Der große gescheiterte Eroberer sah als einzigen Ausweg den Selbstmord, denn mit seinen 64 Jahren fühlte er sich laut Plutarch „wie ein Vogel, der zu alt geworden war, um noch zu fliegen, und der seine Schwanzfedern verloren hatte“. Hannibal nahm Gift und entkam so doch noch den Römern.

      Karthagos letzte Stunde schlug im Jahr 147 v. Chr. Der unerbittliche Marcus Porcius Cato hatte die Römer so lange aufgehetzt, bis sie bereit waren, den Konkurrenten endgültig zu beseitigen. Der Mann, der die Stadt eroberte und dem Erdboden gleichmachte, hieß Publius Cornelius Scipio Aemilianus und war vom Sohn des Scipio Africanus adoptiert worden.

      SCIPIO AFRICANUS

      (235 v. Chr.–183 v. Chr.)

      Publius Cornelius Scipio Africanus, wie sein vollständiger Name lautete, ist als der Mann in die Geschichte eingegangen, der den großen Hannibal besiegte. Dabei war dieser sehr gebildete Mann nicht nur ein großer Feldherr, sondern auch ein Glückspilz, der in jungen Jahren drei verlorene Schlachten gegen Hannibal überlebte. Der große Heerführer Scipio, dem allein Rom wahrscheinlich seinen Sieg im Zweiten Punischen Krieg und vielleicht auch sein Fortbestehen verdankte, hat historisch immer im Schatten seines karthagischen Gegners gestanden und es wäre schon längst an der Zeit, ihn von dort hervorzuholen.

      Scipio der Ältere – wie man ihn später nannte, um ihn von anderen bedeutenden Trägern des gleichen Namens zu unterscheiden – wurde im Jahre 236 v. Chr. geboren. Er gehörte durch seine Herkunft einer der bedeutendsten Familien der Römischen Republik an, den Corneliern. Über seine Kindheit und frühe Jugend existieren keine ausführlichen Berichte, doch darf man annehmen, dass er die für einen jungen römischen Aristokraten übliche Erziehung erhalten hat. Wenn er später als umfassend gebildet beschrieben wurde, lässt dies auf eine gute Ausbildung durch fähige Lehrer schließen. Schon in sehr jungen Jahren wurde er mit dem Krieg konfrontiert, denn Hannibal bedrohte Rom.

      Scipio war erst 17 Jahre alt, als er an der Schlacht am Ticinus teilnahm. Sie ging für Rom verloren, doch Scipio kam heil davon. Er machte auch die Schlacht an der Trebia und jene bei Cannae mit, verheerende Niederlagen, die er ebenso unbeschadet überstand. Hannibal schien unbesiegbar und man erwartete seinen Angriff auf die Stadt Rom, den er jedoch niemals unternehmen sollte.

      Es wird berichtet, dass sich in Rom nach all diesen militärischen Katastrophen große Verzweiflung ausgebreitet habe. Als die Einnahme der Stadt durch die Karthager unmittelbar bevorzustehen schien, hätten viele römische Offiziere ihr Heil in der Flucht aus Italien suchen wollen. Doch Scipio sei ihnen mit einer Gruppe von Gleichgesinnten entgegengetreten und habe sie mit gezogenem Schwert gezwungen, den Schwur zu leisten, Rom die Treue zu halten