Barbara Beck

Vom Königsbett zum Schafott


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in den Adel aufgestiegen war. Ihre Mutter Elisabeth Howard gehörte der englischen Hocharistokratie an. Sir Thomas Boleyn sorgte dafür, dass seine begabte und vielversprechende Tochter Anna eine ausgezeichnete Erziehung am Hof der Statthalterin der Niederlande, Margarete von Österreich, erhielt. Danach kam sie als Hofdame an den französischen Königshof, wo sich bereits ihre ältere Schwester Maria aufhielt. Anna konnte hier ihre Kenntnisse in französischer Konversation, Dichtkunst und Musik sowie in höfischem Benehmen vervollkommnen. Sie spielte mehrere Instrumente und galt als hervorragende Tänzerin. In dieser Zeit wurde auch ihre Vorliebe für französische Mode geweckt. Sie war aber keine oberflächliche junge Frau, sondern interessierte sich auch für religiöse Literatur.

      Als Anna Boleyn 1521 nach England zurückkehrte, wo sie ihr Vater vorteilhaft zu verehelichen gedachte, war sie bestens auf das höfische Leben vorbereitet. Wie bereits ihre Schwester Maria wurde sie zur Hofdame von Heinrichs Gemahlin Katharina von Aragón ernannt. Ihr Debüt bei Hof fiel glanzvoll aus. Anna Boleyn war zwar keine große Schönheit, scheint aber über eine starke erotische Anziehungskraft auf Männer verfügt zu haben. Sie beeindruckte vor allem durch ihren Witz, ihre Bildung und Schlagfertigkeit, wodurch sie sich sehr von den meist eher still und unterwürfig auftretenden Damen ihrer Zeit unterschied.

      Hatte Heinrich VIII. anfangs den Schein noch aufrecht erhalten, ging er bald dazu über, Anna Boleyn bei Hofe als seine Ehefrau zu behandeln, obwohl er immer noch mit Katharina von Aragón verheiratet war. Er küsste Anna in aller Öffentlichkeit und beschenkte sie reich. Während er ihren Vater zum Grafen von Wiltshire erhob, machte er sie selbst zum Marquis von Pembroke mit dem Recht diesen Titel zu vererben. Außerdem räumte er ihr den Vortritt vor seinen Schwestern ein. Königin Katharina, die auf der Rechtmäßigkeit ihrer Ehe mit Heinrich beharrte, wurde vom Hof verbannt und lebte seit Juli 1531 mit ihrem Hofstaat in ländlicher Abgeschiedenheit. Als sich Heinrich VIII. mit dem französischen König Franz I. im Oktober 1532 in Calais traf, trat Anna Boleyn an seiner Seite als erste Dame seines Hofes auf. Für diesen Anlass hatte ihr die verbannte Königin auf Befehl Heinrichs die königlichen Juwelen übergeben müssen, die Anna Boleyn bei offiziellen Empfängen und auf Festen trug. Wahrscheinlich gab sie kurz nach ihrer Rückkehr nach England Heinrichs Werben endlich nach. Als sie daher im Januar 1533 dem König mitteilte, dass sie schwanger sei, musste der König nun rasch handeln, um eine legitime Geburt seines Kindes sicherzustellen. Am 25. Januar 1533 heiratete er Anna Boleyn heimlich. Da Papst Clemens VII. aber nicht bereit war, Heinrichs Ehe mit der spanischen Prinzessin zu annullieren, wandte sich der König von der römisch-katholischen Kirche ab und gründete die Anglikanische Landeskirche, um so die Heirat mit Anna Boleyn zu ermöglichen. Im März 1533 erließ das englische Parlament ein Gesetz, das es verbot, in Zukunft in kirchenrechtlichen Fragen an den Papst zu appellieren und unterstellte gleichzeitig die geistliche Gerichtsbarkeit der königlichen. Nachdem am 23. Mai Heinrichs erste Ehe mit Katharina von Aragón vom Erzbischof von Canterbury für nichtig erklärt und die Heirat mit Anna Boleyn rückwirkend bestätigt worden war, fand am 1. Juni 1533 Anna Boleyns feierliche Krönung zur englischen Königin statt. Die Londoner brachten der neuen, sichtbar schwangeren Königin jedoch nur wenig Begeisterung entgegen, da Katharina von Aragón in der Bevölkerung beliebt war. Für Anna Boleyn sollte die Krönung trotzdem den glanzvollen Höhepunkt ihres Lebens bilden. Mit der Scheidung Heinrichs VIII. von seiner ersten Ehefrau und seiner zweiten Heirat begann die englische Reformation. Der Vatikan reagierte auf die Ereignisse mit dem Kirchenbann. Daraufhin erklärte sich der König Ende 1534 zum Oberhaupt der englischen Kirche, das alleine über religiöse Fragen zu entscheiden befugt war. Auf die Suprematsakte folgte die Sukzessionsakte, die Heinrichs Tochter Maria aus erster Ehe für illegitim erklärte und von der Thronfolge ausschloss und im Gegenzug die Kinder aus der zweiten Ehe als rechtmäßige Erben postulierte. Hinzu kam noch die Hochverratsakte, die jede Äußerung, die die Stellung des Königs als Oberhaupt der Kirche und das Thronfolgegesetz in Zweifel zog, mit der Todesstrafe bzw. lebenslänglicher Gefängnisstrafe bedrohte. England spaltete sich damit endgültig von der römisch-katholischen Kirche ab. Anna Boleyn, die zum Luthertum hinneigte, begrüßte diese Entwicklung.