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1. Teil: Frühjahr 2959, Terra
Schweißperlen standen auf Wladimir Krylenkos Stirn. Gemeinsam mit einem halben Dutzend weiterer Elitesoldaten der Raumgarde hetzte er eine sich schlauchartig dahinziehende Schlucht entlang. Rechts und links ragten steile Hänge auf. Hier und da kamen schroffe Felsen unter dem Geröll hervor. Der Untergrund war trocken und aufgesprungen. Nur spärliche Vegetation war in den Bergen zu finden.
Wladimir blieb stehen.
Der 1,94 m große Russe hob die Hand.
Er kommandierte diesen Zug von Gardisten.
Die Männer stoppten ebenfalls.
Blickten zurück.
"Nichts zu sehen von den Blechbrüdern!", meinte einer der Männer. Er hieß Stu Trenton, hatte dunkle Haare und einen breiten kantigen Kopf.
Wladimir verzog das Gesicht.
"Dass du schon wieder reden kannst, zeigt deine gute körperliche Verfassung, Stu", sagte Krylenko.
Stu grinste matt. "Kein Wunder bei der Ausbildung, die wir hinter uns haben!"
"Aber du irrst dich trotzdem."
"Ach, ja?"
"Unterschätze mir die Blechdosen nicht! Vor allem dann nicht, wenn du diesen Robotern ohne Waffen und technische Ausrüstung gegenüberstehst, während die Metallkameraden mit Schockern ausgestattet sind."
Die Gardisten trugen lediglich ihren normalen Kampfanzug und nicht den gepanzerten Multifunktionsanzug. Aber angesichts des Laufs, den sie hinter sich hatten, bedauerte das niemand.
Keiner von ihnen war bewaffnet, verfügte über ortungstechnische Hilfsmittel zur Orientierung oder Kommunikationstechnik. Aber ein Angehöriger der Raumgarde, dieser im Dezember 2956 gegründeten schnellen Eingreiftruppe der terranischen Flotte konnte notfalls auch ohne diese Hilfsmittel gegen seine Gegner bestehen. Die einzigen Waffen, die Wladimirs Männern im Augenblick zur Verfügung standen, waren Hände, Füße und das Gehirn. Letzteres war dabei am wichtigsten. Die Garde bestand nämlich keineswegs aus stumpfsinnigen Kampfmaschinen in Menschengestalt. Jeder Gardist verfügte zusätzlich zu seiner Kampfausbildung über wissenschaftliche Qualifikationen, Offiziere hatten sogar promoviert.
Blinder Kadavergehorsam war nicht gefragt, sondern die Fähigkeit, selbständig zu denken und notfalls zu improvisieren.
Wladimir streckte die Hand aus.
Er bleckte die Zähne wie ein Raubtier.
"Na, was habe ich gesagt!", rief er.
Ein Serienroboter von annähernd humanoider Gestalt schwebte über den Steilhang. Er trug ein Antigravaggregat in einem Zusatzpack auf dem Rücken und einen Paralyse-Schocker mit der gelenkigen Greifhand eines der skelettartigen Teleskoparme.
Mehr als drei Dutzend dieser umgangssprachlich auch "Blechmänner" genannten Roboter hatte das umliegende Gebiet nach den Gardisten abgesucht.
Zumindest einer der "Blechmänner" war Krylenkos Gruppe dicht auf den Fersen.
Im Vergleich zu den Gardisten besaß er auf jeden Fall die größere Ausdauer.
So gut es ging hatten die Gardisten aus Wladimirs Gruppe bisher die Verfolger zu täuschen und abzulenken versucht.
Aber dieser eine war ihnen die ganze Zeit über schon besonders dicht auf der Spur gewesen.
Der Roboter ließ sich mit Hilfe seines Antigravaggregats zu Boden schweben. Sanft setzte er auf. Er erinnerte dabei an einen Astronauten auf einem Planeten mit sehr geringer Schwerkraft.
Der Roboter schwenkte noch während des Sprungs den Lauf des Paralysators.
Er wandte den Kopf, in dessen Mitte sich die optischen Sensoren befanden.
Noch bevor er gelandet war, feuerte er den Schocker ab. Paralysestrahlen zischten durch die Luft, verfehlten die Männer aus Wladimirs Gruppe aber.
"Nichts wie weg!", rief Wladimir.
Die Gardisten bewegten sich vorwärts.
Die Männer hatten Glück gehabt. Niemand war durch die Strahlen getroffen worden. Die Gardisten verteilten sich sofort, um dem Verfolger kein leichtes Ziel zu bieten. Immer wieder zischten Strahlenschüsse dicht neben ihnen in den geröllhaltigen Untergrund, wo sie allenfalls ein paar Eidechsen betäuben konnten.
Der Blechmann spurtete los.
Er bewegte sich mit erstaunlicher Behändigkeit, die man der Maschine auf den ersten Blick gar nicht zutraute. Aber auch für die Massenproduktion entworfene Roboter-Typen wie die sogenannten "Blechmänner" wurden ständig optimiert.
Im Gegensatz zur Kondition von Wladimirs Männern wurde seine Ausdauer nur durch die Speicherkapazität seiner Plasmabatterien begrenzt.
Die waren, wie Krylenko schätzte, nicht einmal zu einem Zehntel entleert.
Die Gardisten waren jedoch am Ende ihrer Kräfte.
Jeder Schritt schmerzte bereits.
Seit vierundzwanzig Stunden schon waren sie vor den Blechmännern auf der Flucht. In den Nachtstunden war das nicht ganz so kräftezehrend gewesen - trotz der Tatsache, dass ihre Verfolger über Infrarot-Optik verfügten und dadurch einen zusätzlichen Vorteil genossen.
Der Roboter feuerte wild um sich, verfehlte einen von Wladimirs Männern nur knapp. Im letzten Moment konnte sich dieser mit einem Hechtsprung hinter einen Felsbrocken retten. Der Brocken wurde voll von den Paralysestrahlen erfasst.
Die Männer gingen so gut es möglich war in Deckung.
Einige kletterten die Hänge hoch, brachten sich hinter Felsbrocken in Sicherheit.
Der Roboter bremste seinen Lauf ab.
Er hatte das Problem, sich entscheiden zu müssen.
Wladimir ging zwischenzeitlich ebenfalls in Deckung.
Nur wenige Meter entfernt machte die Schlucht eine Biegung.
Die ersten aus Krylenkos Zug waren dort bereits verschwunden.
Der Großteil hatte dieses Stück noch vor sich.
"Los jetzt!", brüllte Wladimir.
Wenn alle gleichzeitig aus der Deckung schnellten, standen die Chancen des Roboters schlechter, sie zu erwischen.
Krylenko gab das Signal.
Die Männer rannten los.
Nur Wladimir zögerte noch.
Er nahm einen Stein, schleuderte ihn dem Blechmann entgegen.
Und traf.
Mit einem scheppernden Geräusch prallte der Stein an der Metallplatte des Brustkorbs ab.
Der Roboter drehte den Lauf des Paralysators